Betriebsversammlungen gegen Zeitverträge und Tarifkürzungen – auch in Allermöhe

Hamburg. Das hat es bei der Deutschen Post selten gegeben: Am 5. Dezember wollen die Beschäftigten in allen bundesweit 33 Paketzentren in den Nachmittagsstunden Betriebsversammlungen abhalten. Diese Aktion soll dazu führen, dass in dieser Zeit kein Paket der Post sortiert und auf den Weg zum Adressaten gebracht werden kann. Die Folge: Tags drauf, am Nikolaustag, gibt es für die Paketfahrer deutlich weniger auszufahren. Dies erfuhr das Abendblatt aus der Belegschaft der Post. Diese ungewöhnliche Maßnahme wollen die Gewerkschaften Mitte nächster Woche bekannt machen.

In Hamburg sind die Mitarbeiter des Paketzentrums in Allermöhe am nächsten Freitag, nachmittags von 15 Uhr an, zu einer Betriebsversammlung eingeladen, die etwa zwei bis drei Stunden dauern wird. In dieser Zeit werden die Sortieranlagen weitgehend stillstehen, die sonst bis zu 28.000 Sendungen in der Stunde bearbeiten. Geschätzt dürften nach Abendblatt-Informationen etwa 60.000 Sendungen liegen bleiben. Dies könnte auch logistisch vorübergehend zu einem größeren Problem werden, da die Post üblicherweise just-in-time arbeitet und die Staukapazitäten für die Pakete dann nicht ausreichen. Die Wochen vor Weihnachten gelten als Hochzeit für den Paketversand. An Spitzentagen im Dezember hatte die Post im Vorjahr mehr als neun Millionen Pakete zugestellt. In diesem Jahr könnte nach Aussage des Managements die Zehnmillionenmarke erreicht werden.

Hintergrund der Aktion ist der Protest der Mitarbeiter gegen die vielen befristeten Arbeitsverhältnisse bei der Post. Bundesweit hätten 24.000 Mitarbeiter Zeitverträge, davon 582 in Hamburg. Dies seien laut Gewerkschaft Ver.di rund 18 Prozent aller Brief- und Paketzusteller. Ver.di, Betriebsräte und Gewerkschaft forderten bereits vor Kurzem bei einer Betriebsversammlung in Hamburg eine schnellstmögliche Entfristung der Verträge.

Die Aktionen stehen aber auch mit den im Frühjahr 2015 anstehenden Tarifverhandlungen bei der Deutschen Post für die rund 177.000 Beschäftigten im Paket- und Briefdienst in Verbindung. Davon ist jeder Fünfte ein Postbeamter. Doch anders als in den Jahren davor hat der Postvorstand schon jetzt sein Ziel klargemacht: Der Vorstand will die Arbeitskosten senken und dies über niedrigere Einstiegslöhne und veränderte Arbeitszeiten erreichen. Das Management moniert in einem internen Schreiben, dass die „Lohnsteigerungen der letzten Jahre deutlich über Inflation und allgemeiner Entwicklung der Einkommen in Deutschland“ lagen. Weiter ist in dem Papier von der „Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit durch Neugestaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen auf ein vom Markt erlaubtes Niveau“ die Rede.

Nach der Aussage von Postchef Frank Appel soll der Abstand der Löhne zwischen der Post und Konkurrenten wie Hermes, DPD oder auch UPS verringert werden. Zwar erwartet der Konzern in diesem Jahr einen Gewinn vor Steuern aus dem Brief- und Paketversand von rund 1,3 Milliarden Euro. Dies sei eine „Stabilisierung auf höherem Niveau als zunächst versprochen“, hieß es jüngst im Finanzbericht. Doch das Ergebnis der lukrativen Briefsparte scheint für die Ziele der nächsten Tarifrunde keine große Rolle zu spielen. Vorstandschef Appel spricht davon, dass die Post zweieinhalbmal höhere Löhne als die Wettbewerber zahle und darüber, dass der Konzern dies auf Dauer nicht verkraften könne.

Laut Deutscher Post beträgt der durchschnittliche Stundenlohn im Konzern knapp 18 Euro – wohingegen die Konkurrenten Hermes, GLS oder DPD laut dieser Tabelle den Mindestlohn von 8,50 Euro zahlen. In dem Postlohn enthalten sind Sonderzahlungen, der Einstiegslohn beträgt nach den Angaben knapp 14 Euro. Die Post arbeitet fast ausschließlich mit eigenen Beschäftigten, auch bei UPS ist dieser Anteil groß. Die anderen Paketdienste setzen Subunternehmer als Fahrer ein. Allerdings arbeiten derzeit zahlreiche Postbeschäftigte mit befristeten Verträgen, deren Konditionen von denen der Festangestellten abweichen.

Die Post ist mit 42 Prozent Anteil klarer Marktführer im Paketversand in Deutschland. Im Unterschied zum Briefversand, in dem jedes Jahr durchschnittlich zwei und drei Prozent weniger Sendungen verschickt werden, wächst der Paketversand. Und die Post hat ehrgeizige Pläne: Versendet jeder Deutsche heute zwölf Pakete im Jahr, so sollen es im Jahr 2018 doppelt so viele sein. In dem stark wachsenden Versand von Paketen, die über den Onlinehandel bestellt werden, hat die Post den größten Anteil.