Der Meniar Personalservice zahlt weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld. Ver.di sieht Tausende Stellen bei Schlecker in Gefahr.

Hamburg. Anton Schlecker (65) gilt als erfolgreicher Unternehmer. Mit einem Vermögen von geschätzt 2,75 Milliarden Euro gehört der schwäbische Geschäftsmann aus Ehingen zu den 50 reichsten Familien in Deutschland. Doch bei der Personalpolitik in seiner Drogeriemarktkette hat er sich bisher nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Seit Jahren kämpfen Gewerkschafter immer wieder für bessere Arbeitsbedingungen in den bundesweit rund 10.000 Filialen mit 30.000 Mitarbeitern.

Seitdem Schlecker seit gut einem Jahr sein Filialnetz durch neue, größere XL-Märkte modernisiert und im Gegenzug kleinere Filialen schließt, protestieren die Arbeitnehmervertreter an einer neuen Front. Sie werfen Deutschlands größter Drogeriekette vor, Mitarbeiter in den Filialen in Leiharbeitsverträge zu drängen, um so die Löhne um bis zu 50 Prozent zu drücken. "Das ist Lohndumping durch Tarifflucht", kritisiert Achim Neumann, Unternehmensbetreuer von Schlecker bei der Gewerkschaft Ver.di.

Seit dieser Woche sind die Beschäftigten und Gewerkschaft jedoch mit ihrer Kritik an dem Drogerieriesen nicht mehr alleine. Jetzt mischt sich auch die Bundesregierung ein. "Mein Ministerium wird die Vorgänge bei Schlecker sehr genau prüfen. Die erste Frage ist, ob Gesetze verletzt oder umgangen worden sind. Die zweite Frage ist, ob im bestehenden Gesetzesrahmen Schlupflöcher und Lücken sind", sagte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Sonntagabend in der Talkshow von Anne Will. Bei Bedarf werde nachgebessert. Ihr sei es wichtig, dass das Modell der Zeitarbeit nicht in Misskredit gerate.

Der öffentliche Druck zeigte schnell Wirkung: Schlecker kündige noch gestern Nachmittag an, ab sofort keine neuen Verträge mit der umstrittenen Zeitarbeitsfirma Meniar mehr abzuschließen. Der Konzern wies alle Lohndumpingvorwürfe zurück. Auch könne Schlecker die Diskussion um Meniar nicht nachvollziehen, wolle sie aber beenden.

Zur Situation: Im Zuge seiner neuen Strategie will Schlecker kleinere durch größere Filialen ersetzen. "Pro neuer, großer Filiale werden drei bis fünf bisherige kleinere Filialen geschlossen", sagt Ver.di-Experte Neumann. Allein 2009 wurden 1000 Filialen bundesweit dicht gemacht und durch rund 300 größere XL-Filialen ersetzt. In Hamburg gibt es unter den mehr als 100 Filialen bisher einen XL-Markt im Graßmannweg. "Für 2010 sind weitere fünf XL-Märkte geplant", vermutet eine Hamburger Betriebsrätin, die namentlich nicht genannt werden will. Im Gegenzug würden mindestens 15 Filialen geschlossen und weitere Stellen wegfallen. "Die Flächenbereinigung geht bundesweit in diesem Jahr forciert weiter. Wir gehen davon aus, dass 2010 mindestens 4000 weitere Jobs von Schlecker-Mitarbeitern gefährdet sind", meint Neumann.

In der Regel wird Mitarbeitern in Filialen, die geschlossen werden, gekündigt. Auch wenn die neue Filiale nur auf der anderen Straßenseite eröffnet werde, bekämen nur wenige ein Übernahmeangebot. Wem ein neues Angebot gemacht werde, erhalte einen befristeten Vertrag durch die ostdeutsche Zeitarbeitsfirma Meniar Personalservice GmbH (Menschen in Arbeit). Die Verträge von Meniar orientierten sich an sehr niedrigen Tarifen, die vom Christlichen Gewerkschaftsbund ausgehandelt wurden und deutlich unter dem Mindeststandard des Flächentarifvertrags des Einzelhandels liegen, so Neumann. "Statt 12,70 Euro werden in dem Leiharbeitstarifvertrag nur 6,78 Euro pro Stunde gezahlt. Es gibt weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld. Spätzuschläge entfallen, der Urlaub beträgt nur vier statt der sonst üblichen sechs Wochen." Viele Mitarbeiter würden unter Druck gesetzt, entweder diese Verträge anzunehmen oder andernfalls nicht mehr beschäftigt zu werden. Zudem kritisiert Neumann, dass Meniar wie eine konzerninterne Arbeitnehmerüberlassungsfirma von Schlecker arbeite. Ihr Geschäftsführer sei viele Jahre Personalmanager von Schlecker gewesen. Der Personalservice Meniar lehnte gestern jede Stellungnahme ab. Der Bundesverband Zeitarbeit (BZA) distanzierte sich von diesem Geschäftsgebaren: "Es missbraucht den Mechanismus Zeitarbeit und schadet unserem Image."

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) sieht dagegen derzeit keine Möglichkeit für ein Einschreiten. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verbiete es nicht, Beschäftigte zu entlassen und sie von einer Zeitarbeitsfirma dann zu schlechteren Bedingungen zu entleihen, sagte eine Sprecherin. Fragwürdig bleibe jedoch, ob die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) überhaupt tariffähig sei. Ein Rechtsstreit darüber laufe derzeit vor Gericht. Ist die CGZP nicht tariffähig, wären auch die geschlossenen Zeitarbeitstarifverträge von Meniar ungültig.