Logistikkonzern VTG übernimmt Schweizer Konkurrenten. Wert des Zukaufs liegt bei 1,2 Milliarden Euro. Aktienkurs legt um zehn Prozent zu

Hamburg. Der Hamburger Schienenlogistikonzern VTG baut mit einer milliardenschweren Übernahme sein Geschäft in der Waggonvermietung deutlich aus. Durch den Zukauf der AAE Ahaus Alstätter Eisenbahn Holding aus der Schweiz steigt die Flotte des Unternehmens um 30.000 auf insgesamt 80.000 Waggons. VTG festigt damit seine Position als Europas größter privater Waggonvermieter. „Damit sind wir auf Augenhöhe mit der Deutschen Bahn“, sagt VTG-Vorstandschef Heiko Fischer dem Abendblatt. Die Transaktion stärke auch den Wirtschaftsstandort Hamburg und sei die Grundlage für weiteres Wachstum am Unternehmenssitz in der Hansestadt.

Die AAE mit Sitz in Baar in der Schweiz erzielte zuletzt mit 135 Mitarbeitern einen Umsatz von 200 Millionen Euro und einen Betriebsgewinn von 150 Millionen Euro. Die Nettoschulden lagen bei knapp 900 Millionen Euro. Schwerpunkt der Flotte sind Wagen für den kombinierten Verkehr, also für Containertransporte per Zug. Der Markt dafür wächst derzeit stark. Experten rechnen bis zum Jahr 2030 mit einer Verdoppelung der Verkehrsleistung. VTG verdient sein Geld hingegen überwiegend mit der Vermietung von Kesselwagen und ist im Transport von Flüssiggütern führend. „Für uns ist AAE also eine ideale Ergänzung“, sagte Fischer. VTG könne sich damit neue Kundengruppen erschließen.

Fischer bezifferte den Wert der Übernahme am Dienstag einschließlich Schulden auf gut 1,2 Milliarden Euro. Teil des Geschäfts ist eine Sachkapitalerhöhung von etwa 100 Millionen Euro, über die der bisherige AAE-Eigner Andreas Goer mit 26 Prozent bei VTG einsteigt. Die Anteile des Mehrheitseigners der VTG, des US-amerikanischen Milliardärs Wilbur Ross, sinken dadurch auf 40 Prozent. Ross hält über die Compagnie Européenne de Wagons bisher 52 Prozent an VTG und ist mit der Verwässerung seiner Anteile einverstanden. „Das beweist, dass auch er sich viel von der Übernahme verspricht“, sagte Fischer. Denkbar ist, dass Ross den Kursanstieg nutzen wird, um sich von Anteilen zu trennen. Damit könnte der Streubesitz weiter steigen. Fischer hofft auf eine Rückkehr der VTG-Aktie in den S-DAX und dadurch auf eine größere Aufmerksamkeit an der Börse. Bis zum Mittag stieg die VTG-Aktie um zwölf Prozent, sie schloss zehn Prozent höher.

Zusätzlich zu den VTG-Anteilen erhält AAE-Eigner Goer 15 Millionen Euro in bar. Einen Großteil des Kaufpreises stundet er aber der VTG. Dazu gewährt er dem Unternehmen ein Verkäuferdarlehen von etwa 230 Millionen Euro. Fischer will im kommenden Jahr eine erste Tranche davon ablösen. Das Darlehen wird aber über einen längeren Zeitraum getilgt. Fischer betonte, dass Goer an einer langfristigen Beteiligung an VTG interessiert sei. Eine Übernahme der VTG strebe er nicht an.

Am Finanzmarkt wurde die Nachricht positiv aufgenommen. „Zuletzt war es um den VTG-Wert ja eher ruhig geworden“, sagte Ingo Schmidt, Analyst der Hamburger Sparkasse. „Die Waggonvermietung lief gut. Die anderen Geschäftsbereiche Schienenlogistik und Tankcontainerlogistik waren zwar umsatzstark, dümpelten im Ergebnis aber vor sich hin“, so Schmidt. Mit der AAE-Übernahme habe sich VTG ein margenstarkes Geschäft hinzugeholt. Der Gewinn des Gemeinschaftsunternehmens würde immerhin um rund 75 Prozent wachsen, sagte der Haspa-Analyst. Positiv ist auch zu vermerken, dass die AAE-Flotte deutlich jünger ist als die der VTG. Das Durchschnittsalter der Wagen liegt bei den Schweizern bei 15 Jahren, bei VTG sind es 23 Jahre. Unterschiedlich ist auch die Wartung der Fahrzeuge: Die Kunden der AAE sind Eisenbahnverkehrsunternehmen, welche die Waggons in die eigene Instandhaltung nehmen. Das Unternehmen hat somit ein europäisches Netz von Partnerwerkstätten aufgebaut, von dem VTG profitieren könnte. Das Hamburger Unternehmen muss sich um die Wartung der Waggons bisher selbst kümmern. VTG betreibt dazu eigene Werkstätten. Die Kartellbehörden mehrerer Länder müssen dem Geschäft allerdings noch zustimmen.

Zuletzt hat VTG einen Dämpfer wegen des Osteuropa-Konflikts hinnehmen müssen. 2013 hatte VTG zusammen mit Kühne + Nagel ein Gemeinschaftsunternehmen zur Belebung der Schienenlogistikgeschäfte vor allem in Russland und der Balkanregion gegründet. Stattdessen brach der Umsatz hier ein. Der Gewinn des Teilgeschäfts sank in den ersten sechs Monaten 2014 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 96 Prozent. Fischer schloss damals Stellenstreichungen bei dem Gemeinschaftsprojekt nicht mehr aus. Aufgrund der guten Waggonvermietung läuft das Geschäft des Unternehmens aber insgesamt rund.

VTG hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von mehr als 780 Millionen Euro gemacht, bei einem Gewinn vor Zinsen Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 184 Millionen Euro. Das Unternehmen beschäftigt weltweit knapp 1200 Mitarbeiter und wächst mit seiner Flotte auch in den USA. Zum Kundenkreis zählen Unternehmen aus nahezu allen Industriezweigen, wie zum Beispiel der Chemie-, der Mineralöl-, Automobil- und Agrarindustrie.