Haspa-Chef Harald Vogelsang fordert Ausgleichszahlung für Bürger. Kapitalertragssteuern könnten gesenkt, neue Fördermodelle geschaffen werden

Hamburg. Die anhaltende Niedrigzinsphase stellt die Anleger wie auch die Banken vor erhebliche Herausforderungen: Den Sparern gehen pro Jahr Milliardenbeträge verloren, die Geldhäuser leiden unter sinkenden Erträgen. Das Abendblatt sprach darüber mit Haspa-Chef Harald Vogelsang.

Hamburger Abendblatt:

Vor wenigen Tagen hat die Europäische Zentralbank den Leitzins noch einmal gesenkt, er liegt jetzt nur noch bei 0,05 Prozent. Welche Auswirkungen hat die Niedrigzinspolitik der Notenbank auf die Haspa?

Harald Vogelsang:

Wie bei den meisten Banken ist auch bei uns der Zinsüberschuss im ersten Halbjahr noch etwas weiter zurückgegangen. Was mir aber viel mehr Sorgen macht, sind die Auswirkungen der extrem niedrigen Zinsen auf unsere Kunden. Den Menschen, die einen Teil ihres verfügbaren Einkommens auf die Seite gelegt haben, um später nicht allein auf die immer knappere staatliche Rente angewiesen zu sein, wird von Monat zu Monat deutlicher vor Augen geführt, dass sie für ihre Sparanstrengungen nicht mehr belohnt werden, weil die Inflationsrate höher liegt als die Rendite. Man kann das kalte Enteignung nennen.

Welche Konsequenz ziehen Sie aus dieser Situation?

Vogelsang:

Der Staat ist der größte Profiteur der Niedrigzinsen. Bereits in den Jahren 2008 bis 2013 hat die Bundesregierung schon 120 Milliarden Euro durch die geringeren Zinsausgaben gespart, wobei der eingesparte Betrag jedes Jahr zugenommen hat. Den deutschen Sparern entgehen dagegen jedes Jahr 15 Milliarden Euro an Zinsen. Deshalb, glaube ich, sollten wir über einen Lastenausgleich nachdenken: Die Bundesregierung könnte den Bürgern, die für das Alter vorsorgen wollen, einen Teil der aus dem Niedrigzinsniveau resultierenden Einsparsumme zurückgeben.

Wie könnte das in der Praxis aussehen?

Vogelsang:

Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man könnte die Kapitalertragssteuern senken. Denkbar wären aber auch neue Fördermodelle für die Altersvorsorge. Aus meiner Sicht wäre es ein Akt der Fairness, den Sparern mit einer dieser Maßnahmen entgegenzukommen. Schließlich haben die Bundesregierungen seit vielen Jahren die Bürger immer wieder aufgefordert, selbst Vorsorge zu betreiben – und jetzt werden die Früchte solcher Anstrengungen wieder zunichte gemacht. Ich halte es aber für sehr wichtig, dass die Motivation für das Sparen erhalten bleibt.

Wird denn tatsächlich weniger gespart? Und wirkt sich das auch auf das Geschäft der Haspa aus?

Vogelsang:

Die Sparquote, die Anfang der 90er-Jahre noch bei 13 Prozent lag, ist seit 2008 von 11,5 Prozent auf 10,0 Prozent gesunken. Das bedeutet, dass die Deutschen jedes Jahr einen zweistelligen Milliardenbetrag weniger zurücklegen. Wir müssen eine Mindestsparquote für Deutschland definieren, die im Interesse aller Bürger, aber auch der Volkswirtschaft eingehalten werden sollte. Nur so kann die Altersvorsorge auf soliden Füßen stehen und auch investiert werden. Bei der Haspa haben die Spareinlagen allerdings in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um 900 Millionen Euro auf 29,5 Milliarden Euro zugenommen. Das ist ein schöner Vertrauensbeweis.

Was empfehlen die Haspa-Berater den Kunden angesichts der niedrigen Zinsen?

Vogelsang:

Leider war ein Großteil der Kunden trotz unseres Rates nicht bereit, längerfristige Anlageformen zu wählen. Nur damit lassen sich auch jetzt noch Renditen oberhalb der Inflationsrate erzielen. Wichtig ist auch: Man darf sich keine komplette Abstinenz gegenüber dem Aktienmarkt verordnen.

Bei der Bilanzvorlage Ende Februar hatten Sie berichtet, dass die Kunden allmählich wieder etwas mutiger werden. Hat diese Tendenz angehalten?

Vogelsang:

Das ist noch ein zartes Pflänzchen. Seit Herbst 2013 verzeichnen wir zwar eine leichte Belebung im Wertpapiergeschäft. Bisher sind es aber nur wenige Kunden, die sich an Aktien herantrauen. Wir empfehlen stets, vorsichtig in Aktien in monatlichen Raten zu investieren, damit Anleger von steigenden wie fallenden Kursen profitieren.

Baukredite waren für die Haspa in den zurückliegenden Jahren ein Wachstumstreiber. Man hat aber den Eindruck, dass der Boom am Hamburger Immobilienmarkt beendet ist. Wirkt sich das in den Haspa-Zahlen aus?

Vogelsang:

Seit Ende vorigen Jahres sehen wir tatsächlich eine gewisse Beruhigung im Hinblick auf die Preise. Zumindest in den teuersten Lagen, etwa rund um die Alster, steigen sie nicht mehr. Auch der Boom bei der Bautätigkeit ist abgeebbt, was wir bei der Kreditnachfrage spüren. Diese Marktberuhigung ist aber durchaus gesund, weil sie verhindert, dass sich eine Immobilienpreisblase bildet.

Etliche Konkurrenten wie die Commerzbank werben mit einem kostenlosen Girokonto. Dürfen wir auch bei Ihnen einen Sinneswandel erwarten?

Vogelsang:

Bei manchen Wettbewerbern gibt es das Girokonto als Lockangebot kostenlos, dafür aber mit vielen Sternchen versehen, die auf Kleingedrucktes verweisen. Immer mehr Wettbewerber rücken jedoch inzwischen vom Gratiskonto wieder ab. Wir waren immer davon überzeugt, dass ein Mehrwertkonto wie unser Joker-Konto das bessere Angebot ist. Es kostet etwas mehr, durch Rabatte auf Reisen sowie eine ganze Reihe von Dienstleistungen kann man unter dem Strich aber sogar Geld sparen. Wir haben bis heute 630.000 Kunden dafür gewonnen, 10.000 davon sind im ersten Halbjahr hinzugekommen. Zwei Drittel aller Gehaltskonten, die bei uns geführt werden, sind schon Joker-Konten.

Wie ist es bei den schwierigen Rahmenbedingungen für die Haspa insgesamt im ersten Halbjahr 2014 gelaufen?

Vogelsang:

Wir machen leichte Fortschritte beim Provisionsüberschuss, das kann aber die Einbußen beim Zinsüberschuss nicht ganz ausgleichen. Insgesamt liegt unser Ergebnis ungefähr auf dem Niveau des Vorjahreszeitraums. Damit sind wir zufrieden. Auch für das Gesamtjahr erwarten wir einen Gewinn etwa in Vorjahreshöhe.

Als eine der 124 größten Banken muss sich die Haspa im Oktober einem Stresstest der europäischen Branchenaufsicht unterwerfen. Macht Ihnen das Sorgen?

Vogelsang:

Wir sind guter Dinge, denn wir haben als Sparkasse ein risikoarmes Geschäftsmodell und eine solide Eigenkapitalausstattung. Wir erwarten hier keine Überraschungen. Allerdings ist der Aufwand, der für den Stresstest und die vorgeschaltete Bilanzprüfung entsteht, sehr hoch. Schon heute wissen wir, dass er oberhalb von zehn Millionen Euro liegen wird.

2013 ist die Zahl der Haspa-Beschäftigten nicht wie jahrelang üblich gestiegen, sondern um 153 auf rund 5500 Personen gesunken. Wie geht es 2014 weiter?

Vogelsang:

Die Mitarbeiterzahl wird auch in diesem Jahr wie angekündigt leicht zurückgehen. Das ist bei uns nicht anders als bei fast allen Wettbewerbern. Die Niedrigzinsphase erfordert von der gesamten Finanzbranche ein kostenbewusstes wirtschaften.