Wie Hamburger Experten den Börsengang des Online-Modehändlers einschätzen. Weitere Internetunternehmen stehen in den Startlöchern. Der chiniesische Onlinehändler Alibaba ging Freitag an die Börse.

Hamburg. Facebook wagte sich im Jahr 2012 aufs Parkett, Twitter folgte 2013. Doch in diesem Jahr kommt die neue Welle der Börsengänge von Internetfirmen richtig ins Rollen: Am Freitag hat der chinesische Onlinehändler Alibaba in New York sein Aktienmarktdebüt gefeiert, und noch bis zum Montag können Anleger die Papiere des Berliner Schuh- und Modeanbieters Zalando zeichnen, für Mittwoch ist die Erstnotiz vorgesehen.

Schon in den nächsten Wochen könnten weitere Aspiranten nachkommen, allen voran die Holdinggesellschaft Rocket Internet, an der die Zalando-Investoren Marc, Oliver und Alexander Samwer ebenfalls beteiligt sind, sowie der Online-Kleinanzeigenmarkt Scout24 (AutoScout, ImmobilienScout). Das Abendblatt fragte Hamburger Experten nach ihrer Einschätzung des Zalando-Börsengangs, dem bisher größten in Deutschland in diesem Jahr.

Welche Chancen haben Privatanleger, Zalando-Aktien zugeteilt zu bekommen?

Die Spanne der Preise, zu denen die Papiere noch bis Montag gezeichnet werden können, liegt bei 18,00 bis 22,50 Euro. Damit würde Zalando mit bis zu 5,6 Milliarden Euro bewertet, höher als zum Beispiel die beiden DAX-Titel Lanxess oder K+S.

Aber zunächst sollen nur rund 11,3 Prozent an die Börse gebracht werden. „Gehen Sie davon aus, dass wir guten Zuspruch bekommen“, sagte der Leiter des europäischen Aktienemissionsgeschäfts bei Goldman Sachs, Christoph Stanger, am Freitag. Außer von Goldman Sachs wird der Börsengang von Morgan Stanley und Credit Suisse federführend begleitet, zum Konsortium gehört auch die Deutsche Bank.

Prinzipiell können Privatanleger die Aktien zwar bei allen Banken und Sparkassen zeichnen. Die Chance, dass sie zum Zuge kommen, ist allerdings nicht groß. Man habe keinen besonderen Fokus auf diese Anlegergruppe gelegt, so Stanger, daher erwarte er bei der Zuteilung der Aktien nur einen kleinen Privatanlegeranteil. Bei den jüngsten Börsengängen in Deutschland lag dieser meist im niedrigen einstelligen Prozentbereich.

„In den vergangenen Jahren war aber auch das Interesse von Privataktionären an solchen Kaufgelegenheiten extrem gering“, sagt Christian Hamann, Analyst der Haspa.

Sollten Privataktionäre bei den Zalando-Aktien zugreifen?

Viele Privatanleger dürften noch den schlimmen Absturz zahlreicher Internetaktien in den Jahren 2000/2001 im Gedächtnis haben. „Die jetzigen Börsengänge von Internetunternehmen kann man aber nicht mit denen der früheren Börsenhypejahre vergleichen“, sagt Jochen Reichert, Analyst bei Warburg Research in Hamburg. „Damals hatten die Firmen meist unerprobte Geschäftsmodelle. Die heutigen Börsenneulinge sind in ihren jeweiligen Absatzmärkten sicherlich deutlich besser etabliert.“ Doch aus Sicht von Christian Hamann sind die Zalando-Titel für Privatanleger dennoch ebenso wenig zu empfehlen wie die Papiere etlicher anderer aktueller Onlinefirmen. „Wenn sie noch nicht einmal nachhaltig die Gewinnschwelle überschritten haben, ist es umso schwerer, die Werthaltigkeit solcher Aktien einzuschätzen“, sagt der Haspa-Analyst.

Zudem suchten viele Privataktionäre angesichts des extrem niedrigen Zinsniveaus nach Papieren, die eine ordentliche Dividendenrendite bieten. Nach Aussagen des Zalando-Managements ist an die Zahlung von Dividenden aber auf absehbare Zeit nicht gedacht. Auch aus Sicht von Aktionärsschützern gehören Verlustbringer in den Bereich des Risikokapitals und sind für Privatanleger eher ungeeignet.

Wem gehört Zalando, wer profitiert von dem Börsengang?

Die Haupteigentümer sind die schwedische Beteiligungsgesellschaft Kinnevik mit 35,6 Prozent und die Internetinvestoren Oliver, Marc und Alexander Samwer mit 16,7 Prozent. Zu den weiteren Anteilseignern gehört auch die Verlagsgruppe Holtzbrinck und der Handelskonzern Tengelmann. Keiner der Altgesellschafter will sich im Zuge des Börsengangs von Aktien trennen, die Papiere stammen aus einer Kapitalerhöhung. „Dass die Altaktionäre nicht Kasse machen, ist ein gutes Zeichen“, sagt Carsten Mumm, Leiter für Vermögensmanagement beim Hamburger Bankhaus Donner & Reuschel.

Zum Börsengang bekommen 7000 Zalando-Mitarbeiter, vom Vorstand bis zum Verpacker von Schuhschachteln, Aktien für jeweils 180 Euro geschenkt. Bei Papieren für weitere 720 Euro erhalten sie 25 Prozent Rabatt auf den Ausgabepreis.

Was hat Zalando mit den Einnahmen aus dem Börsengang vor?

Den Erlös will Zalando in die weitere Expansion stecken. Sowohl die Erschließung neuer Länder wie auch anderer Produktkategorien sei denkbar, und auch Zukäufe seien möglich, erklärte der Vorstand im Börsenprospekt. Die drei Logistikzentren in Deutschland sind erst zur Hälfte ausgelastet. Bisher verkauft Zalando Mode und Schuhe von insgesamt 1500 Marken in 15 Ländern in Europa, der Jahresumsatz liegt bei zwei Milliarden Euro.

Wie haben Aktien aus anderen Börsengängen seit 2013 abgeschnitten?

„Anders als in den Jahren bis 2000 bietet ein Börsengang heute für Anleger keinesfalls eine Garantie, die Aktien nach zwei oder drei Tagen mit Gewinn wieder verkaufen zu können“, sagt Mumm. „Wenn man die Börsenneulinge der zurückliegenden Jahre betrachtet, bietet sich ein sehr gemischtes Bild, einzelne Titel notieren um 80 Prozent unter ihrem Ausgabepreis.“

Doch es gibt auch positive Beispiele: Die Aktie des Beleuchtungsspezialisten Osram liegt gegenüber der Erstnotiz im Juli 2013 um Juli um 37 Prozent im Plus, Titel des kalifornischen Actionkameraherstellers GoPro (Juni 2014) kletterten sogar um 183 Prozent.