Bereichsvorstand skizziert in Hamburg Strategie für die Zukunft

Hamburg. Es ist ein kühner Vergleich: „Die aktuellen Umbrüche auf dem Markt verändern die Passagierluftfahrt so stark wie zuletzt der Beginn des Düsenzeitalters“, sagte Jens Bischof, Bereichsvorstand für Vertrieb, Produkt und Marketing bei der Lufthansa-Passagiersparte Passage, vor dem Luftfahrt-Presse-Club in Hamburg.

Gemeint ist damit das Vordringen von neuen Billigfliegern wie etwa Norwegian sowie von Langstreckenairlines aus der Golfregion wie Emirates. Über den Zeitraum dieses Sommers seien allein im Europaverkehr 25 Millionen Fluggastsitze mehr im Angebot als im Sommer 2013. „Dieses Angebotswachstum bringt die Preise brutal unter Druck“, so Bischof. Mit einer Auslastung der Jets von deutlich über 90 Prozent habe die Lufthansa im vergangenen Monat den besten August-Wert ihrer Geschichte erreicht – und dennoch habe sie Marktanteile verloren.

An einem konkreten Beispiel illustrierte Bischof den Preisverfall: Während man heute für ein Rückflugticket von Frankfurt nach Madrid 130 Euro erlöse, seien es im Jahr 2000 noch fast 300 Euro gewesen. Im gleichen Zeitraum habe sich dagegen der Ölpreis von 25 auf rund 100 Dollar je Barrel (159 Liter) vervierfacht.

Nach Angaben des Managers muss das Unternehmen in jedem Jahr einen „Gegenwind“ in Form von Mindereinnahmen und Kostensteigerungen von insgesamt 500 Millionen bis 700 Millionen Euro aushalten: „Diese ergebniswirksamen Belastungen müssen wir erst einmal ausgleichen, um auch nur einen konstanten Ertrag zu erwirtschaften.“ Vor diesem Hintergrund mahnte der Bereichsvorstand Kompromissbereitschaft bei den streikenden Piloten an: „Man kann nicht einer Arbeitnehmergruppe abverlangen, Beiträge zur Kostensenkung zu bringen, wenn eine andere dazu nicht bereit ist.“

Preisdruck komme immer stärker auch von Partnern aus dem Flugliniennetzwerk „Star Alliance“ wie etwa Turkish Airlines, berichtet Bischof – und das zeige sich auch in Hamburg: „Hier ist Turkish mit 25 wöchentlichen Verbindungen unser preisaggressivster Wettbewerber.“ Die Lufthansa habe in Hamburg nur noch 200 Flüge pro Woche unter eigener Flugnummer im Angebot, die Billigtochter Germanwings, die mit einer um gut 20 Prozent niedrigeren Kostenbasis arbeiten kann, inzwischen 355. Im Juni wurde die Umstellung aller Hamburg-Routen, die nicht zu den Lufthansa-Drehkreuzen Frankfurt und München führen, abgeschlossen. Für den Konzern sei die Hansestadt ein „Schlüsselmarkt“, so Bischof: „Hier gibt es einen stabilen Mittelstand und die höchste Kaufkraft Deutschlands.“

Während die Lufthansa-Gruppe im Kurz- und Mittelstreckenverkehr primär mit niedrigeren Kosten auf den zunehmenden Wettbewerb reagiert, steht auf der Langstrecke die weitere Steigerung der Qualität im Vordergrund, um zahlungskräftige Kunden zu halten. Dazu gehört etwa der Einbau einer neuen Businessclass-Kabine – ein Projekt, von dem die Hamburger Techniktochter profitiert: Zwischen Mitte 2013 und Herbst 2015 rüstet sie an mehreren Standorten 80 Jets um, was jeweils 30 Tage Liegezeit erfordert. Ab November wird zudem eine Premium Economy Class eingeführt, die den Passagieren für durchschnittlich 300 Euro mehr Geld pro Strecke 50 Prozent mehr Platz biete. Zudem sind im Rahmen der Flottenerneuerung 261 neue Flugzeuge bestellt; dies ist nach Konzernangaben mit 32 Milliarden Euro das größte Privatinvestment in der Geschichte der Bundesrepublik.