Der Start-up Campusritter drängt mit einem neuen Angebot auf den deutschen Markt. In den USA ist dieses Geschäftsmodell bereits erfolgreich.

Hamburg. Die Nummer eins bei Google ist das junge Start-up-Unternehmen schon. Wer in der größten Suchmaschine der Welt die Begriffe „Fachbücher mieten“ eintippt, findet als erste Adresse unterhalb der geschalteten Anzeigen den Link von Campusritter – dabei haben die Hamburger bisher keinen Cent für Werbung ausgegeben. Die Poleposition hat die Firma der Marktlücke zu verdanken, in die sie vor ein paar Monaten stieß. „Wir sind die Ersten, die die Vermietung von Fachbüchern in Deutschland anbieten“, sagt Marieke Otto. Die 29-Jährige aus Ottensen war auf die Geschäftsidee gekommen – aus leidvoller Erfahrung.

Im Jahr 2009 bereitete sich die Juristin auf ihre Bachelor-Prüfung vor. Sie griff auf die Bücher zurück, die sie in den Semestern zuvor gekauft hatte. Das Problem: Keines war mehr aktuell. „Ich kann aber nicht mit einem Buch lernen, dass das revolutionäre Urteil aus dem Vorjahr nicht beinhaltet“, sagt sie. Also musste sie sich doch wieder in das Getümmel um die wenigen aktuellen Lehrbücher in der Bibliothek werfen und Fachbücher in der aktuellen Auflage für viel Geld kaufen. Da dachte sie sich: Ein Vermietservice für Fachbücher – das wäre toll. Otto schloss ihren Bachelor erfolgreich ab. Die Idee brannte in ihr weiter.

Im Frühjahr 2013 nahm sie an dem Gründerwettbewerb 3 Day Start-up in Vallendar (Rheinland-Pfalz) teil. 40 Studenten reisten an, Ottos Konzept gehörte zu den sieben, die sich durchsetzten. Die Betriebswirtschaftler Philipp Thiel, 29, aus Oberhausen und Jan Wiesner, 32, aus Würzburg überzeugte das Projekt sofort. Kurz darauf gründeten sie die Campusritter – trotz der räumlichen Distanz. „Jeder hat Kontakt zu den Hochschulen vor Ort. Das ist ideal“, sagt Wiesner. Jede freie Minute werde seitdem in die Firma gesteckt. Bis zu einer Woche am Stück wird in Ottos kleiner Wohnung über die Strategie diskutiert, Software optimiert und Werbematerial ausgetauscht. Alles in der Freizeit, denn Otto arbeitet hauptberuflich im Beteiligungsmanagement, Wiesner ist Berater für Gründungen und Thiel, der 5,5 Jahre beim Discounter Lidl tätig war, ist Berater für E-Commerce. Eine niedrige fünfstellige Summe haben sie bisher in ihre Gründung gesteckt. Investiert werde immer nur so viel, wie für den nächsten Entwicklungsschritt nötig. Das Erzielen eines Gewinns sei momentan nicht das Ziel, sagt Otto: „Wir wollen den häufig klammen Studenten das Leben leichter machen. Das treibt uns an. Deswegen stecken wir unser Herzblut in die Firma.“

Vor dem Sommersemester in diesem Frühjahr machten sie erstmals an Universitäten und Hochschulen Werbung für ihren Service, sprachen Studenten an, hängten Plakate auf, verteilten Flyer. Rund 100 Studenten überzeugten sie. „Mundpropaganda funktioniert am besten. Wir bekommen Bestellungen aus unterschiedlichen Regionen“, sagt Otto. Sieben Bücher waren die Höchstbestellung. Innerhalb von fünf Werktagen soll die aktuellste Auflage jedes Fachbuches beim Kunden sein. Die Preise sind gestaffelt.

Wer das Buch einen Monat lang lesen will, zahlt ein Viertel des Kaufpreises, fünf Monate kosten 60 Prozent. Bezahlt wird durch Überweisung oder über Paypal. Ab 20 Euro Mietwert erfolgt der Versand kostenfrei. „Wem das Buch gefällt, der zahlt einfach die Differenz zwischen Miet- und Kaufpreis und behält es“, sagt Thiel. Auch wer den Vertrag immer wieder verlängert, gehe kein Risiko ein. Dann gebe es eine E-Mail, dass das Buch in seinen Besitz übergegangen ist. Otto: „Die Studenten zahlen nie mehr als den Neupreis.“

Ein Problem gibt es allerdings noch. „In Deutschland sucht niemand nach Fachbüchern zur Miete“ sagt Thiel: „Dieser Markt ist bisher nicht entwickelt.“ In anderen Ländern sehe das anders aus. Er habe Kommilitonen aus Indien gehabt. Dort sei das Büchermieten normal. „Wir müssen die Mentalität ändern“, sagt Wiesner. Dass das Geschäftsmodell funktionieren kann, zeigt ein Blick in die USA. Das kalifornische Unternehmen Chegg startete durch, als es 2007 sein Geschäftsmodell vom Marktplatz für den Verkauf von Büchern auf die Vermietung von Fachbüchern umstellte. Schnell kletterten Umsatz und Gewinn. Im November 2013 ging das Unternehmen, dass der Schauspieler Ashton Kutcher mitgefördert hat, an die Börse. Zwar verlor die Aktie seitdem kräftig, aber dennoch ist Chegg heute rund 430 Millionen Euro wert. Mittlerweile versteht sich das Internetunternehmen als Bildungsplattform, bietet auch Hilfe bei Hausarbeiten oder der Kursauswahl an.

Auch die Campusritter können sich später eine Ausdehnung auf weitere Geschäftsmodelle wie Reisen oder günstige Computer für Studenten vorstellen. Gespräche mit möglichen Geldgebern über einen Einstieg liefen derzeit. Derzeit werden die Bücher schon bewertet und erhalten eine Zusammenfassung, für wen sie geeignet sind. Zudem steht die Verbesserung des eigenen Onlineshops an. Das Formular soll vereinfacht werden, damit weniger als die bisher mehr als 50 Prozent vor dem Bezahlen abspringen. Auch der Wegfall der Studiengebühren spiele der Firma in die Hände. Die Bibliotheken würden zunehmend veralten, weil Geld für Neuanschaffungen fehle. Thiel sieht daher großes Wachstumspotenzial: „Wenn wir nächstes Jahr 2000 oder 3000 Kunden hätten, wäre es toll.“

Ein großes Lager unterhalten die Campusritter übrigens nicht. „Entweder werden die Bücher schnell wieder vermietet. Oder wir versuchen, sie sofort weiterzuverkaufen“, sagt Wiesner. In jedem Fall bleibe aber ein Plus übrig. Die Kosten für Verwaltung und Aufbewahrung sind nämlich gering. Und veraltete Bücher brauche ohnehin kein Mensch mehr – wie Otto am eigenen Leib erfuhr.