Karsten Eggert entwirft seit 16 Jahren Maislabyrinthe. An Spitzentagen lockt er 1000 Besucher aufs Feld nach Jersbek

Radioaktiv“ steht mit weißer Farbe auf einem Stück Holz gemalt. „Oh, da müssen wir jetzt vorsichtig sein“, sagt Gerhard Kahl und steht vor einem Schild mit der Aufschrift, die an die Umweltkatastrophe von Tschernobyl erinnert. Die Maispflanzen sind braun und abgestorben, zwischen ihnen liegt ein Feuerschutzanzug. Der Sülfelder hat seine vier Enkel um sich gescharrt. Von einem Gau ist die Ausflugsgruppe weit entfernt – jede Menge Gaudi ist dafür sicher. „Da hinten ist was“, ruft ein Junge und rennt in Richtung der Fledermaus davon. Galgen, Falltür, Sarg und ein Friedhof, auf dem die Knochen aus der Erde ragen – wenige Kilometer nördlich des Duvenstedter Brooks geht es schaurig zu. Selbst aus der Luft sind Knochen, Gespenst, Sensenmann und ein Zombie auszumachen in dem Maislabyrinth in Jersbek. Getreu dem Motto „Grusel“, unter das Karsten Eggert den Irrgarten in diesem Jahr gestellt hat.

Seit 16 Jahren macht der Ahrensburger in Mais. Er entwirft, baut und betreibt jedes Jahr ein Maislabyrinth. „An einem perfekten Sonntag habe ich 1000 Besucher“, sagt der 45-Jährige, der wohl einer der Pioniere in dem Geschäft in Deutschland ist. Und am Anfang vom Besucheransturm selbst überrascht war. „1998 habe ich in einem Abendblatt-Artikel gelesen, dass ein britischer Künstler ein Maisfeld mit einem Bild verziert hat. Das fand ich cool“, erinnert er sich. Mit vier Freunden pachtete er ein Feld in Stapelfeld, stellte Getränkewagen und Partyzelt auf. Zeitungen, Radio und Fernsehsender berichteten darüber.

„Am ersten Tag war die Schlange schon 30 Meter lang. Als später die Pappen für die Bratwurst leer waren, haben wir sie auf Maisblättern serviert.“ Ein Jahr später war er mit zwei Freunden als Rahmenprogramm bei der Europameisterschaft der Vielseitigkeitsreiter in Luhmühlen dabei. Im Jahr 2000 schickten sie die Besucher der Expo auf Hannovers Messegelände in die Irre. Leider waren es deutlich weniger als erwartet. „Das hat mich nah an die Privatinsolvenz getrieben“, sagt der frühere Betriebswirtschaftsstudent, der alle Scheine hatte, aber nach dem plötzlichen Tod seines Dozenten vor der Abschlussprüfung hinschmiss. Auf Anraten seiner Bankberaterin habe er ein Jahr mit Maislabyrinthen ausgesetzt. Denn was bei Eintrittspreisen von sechs bis acht Euro pro Person sehr lukrativ klingt, ist mit viel Arbeit, hohen Kosten und einer kurzen Saison verbunden.

Im Herbst beginnt für Eggert die Planung für den Irrgarten im nächsten Sommer. „Ich denke mir ein Motto für das Labyrinth aus“, sagt er. Im Winter, wenn er bei einem Zimmermann als Gelegenheitsarbeiter jobbt, stellt er die dafür benötigten Gegenstände her, wie zum Beispiel Sarg und Galgen. Von einem Bauern pachtet er das Land, das rund zehn Hektar groß sein sollte. Der Landwirt sät Ende April den Mais aus. Eggert geht drei Wochen später aufs Feld. „Wenn der Mais zehn Zentimeter hoch ist, fange ich an, Planquadrate abzustecken.“ Die Wege markiert er mit 3000 Hölzchen, die mit Flatterband verbunden werden. 30 Rollen à 500 Meter verbraucht er. Mit der Fräse pflügt er anschließend den Boden um, damit dort kein Halm mehr wächst. Rund einen Monat ist er damit beschäftigt.

Zwischendurch stehen immer wieder Behördengänge auf dem Programm. Damit die Besucher von der Kreisstraße auf den Grünstreifen zum Parkplatz fahren dürfen, muss er 250 Euro plus 22 Euro Bearbeitungsgebühr bezahlen. „Gestattung einer Zufahrt“ heiße das im Amtsjargon, sagt Eggers. Jedes Jahr muss er einen Bauantrag einreichen und eine Gaststättenkonzession beantragen. Dabei ist er mit jeweils rund 500 Euro. Die Miete des Toilettenwagens kostet ihn mehr als 2000 Euro. Am Anfang des Labyrinths steht ein etwa sieben Meter hoher Aussichtsturm aus Stahlrohren, für den er 2500 Euro hinblättert. Eggert: „Alles in allem sind es bestimmt 20.000 Euro, die ich jedes Jahr investiere.“

Mitte Juni verteilt er die im Winter gefertigten Gegenstände im Irrgarten. Eine Woche später holt er dann die selbst gebauten Tische, Stühle und den Tresen aus dem Lager. „Die Bauern transportieren mir das alles“, sagt Eggert und freut sich über das gute Verhältnis zu seinen Verpächtern. Vor dem Maisfeld baut er einen Beachclub auf. Weil sich eine Nachbarin beschwerte, brauchte er in diesem Jahr ein Lärmschutzgutachten. „Das Fazit war: Wenn ich die Musik nicht so laut mache, ist es bei den Nachbarn leiser“, sagt er und schmunzelt. Kostenpunkt: 2850 Euro. „Je näher ich der Zivilisation komme, desto größer werden die Auflagen.“

Auf etwa 200 Sitzplätzen kann im Gastrobereich eine Kartoffel mit Sour Creme für 2,50 Euro gegessen und ein Kaffee oder Bier getrunken werden – ab Mitte Juli, wenn das Labyrinth öffnet. Der Mais misst nun bis zu drei Meter und bildet die natürlich gewachsenen Wände des Irrgartens. Dienstags bis sonntags war in den Sommerferien von 10 bis 21 Uhr Betrieb, nach Ferienende ist unter der Woche ab 14 Uhr offen. Am Wochenende schließt die Beachbar, die rund 40 Prozent zu seinen Erlösen beisteuert, wenn der letzte Gast gegangen ist – meist mitten in der Nacht.

Am 28.September ist in diesem Jahr der ganze Spuk vorbei. Eine Woche lang ist er mit dem Abbau beschäftigt. „Da werde ich schon ein bisschen melancholisch.“ Im Anschluss kommt der Bauer aufs Feld und erntet den Mais. Die Ernteverluste durch den Irrgarten muss Eggert den Landwirten ersetzen. In einem guten Jahr verirren sich in sein Labyrinth 20.000 Besucher. „Wenn die Veranstaltung vorbei ist, denke ich manchmal: ,Ich bin reich’“, sagt Eggert. „Aber dann kommt mein Buchhalter.“

Von den Einnahmen im sechsstelligen Bereich müssen die Mehrwertsteuer, die Personalkosten für 15 Beschäftigte und die Einkommenssteuer abgezogen werden. „Und schon verdiene ich so viel, als ob ich bei Penny die Regale eingeräumt hätte.“ Ein Job, der aber nicht zu dem Typen passen würde, der während der Saison mit Wolfshund Elvis im Bauwagen am Feld übernachtet. Und der noch einen Traum hat: „Ich warte noch auf den perfekten Acker.“

Strom und Wasser müssten dort sein, er müsste näher an Hamburg und möglichst an einer viel befahrenen Straße liegen. Das erhöhe die Zahl der Gäste. Die Besucher in Jersbek sind mit Eggerts Arbeit voll zufrieden. „Die Gänge waren so cool und die Monster super“, rufen die beiden acht Jahre alten Henrik und Philipp, nachdem sie nach gut einer Stunde die sechs Kilometer langen Wege erfolgreich verlassen haben. Die elfjährige Lene ist vor allem von dem Rätsel begeistert. An den Irrwegen müssen Buchstaben und Zahlen notiert werden. Wer die richtige Zahlenfolge in den Maistresor eintippt, bekommt 50 Euro. Ihr Opa Gerhard Kahl sagt: „Vom Maislabyrinth sind alle begeistert.“