Nun experimentiert auch Airbus mit der neuen 3-D-Technologie. Diese Innovation kann nach Meinung von Experten die Wirtschaft revolutionieren

Hamburg. An den Säulen des Gebäudes ranken sich Pflanzen bis hoch in den ersten Stock. Innen, in dem Haus auf dem Gelände von Airbus, befindet sich eine der spannendsten Abteilungen des Flugzeugbauers. Peter Pirklbauer, Innovationsmanager im Bereich Emerging Technologies & Concepts, also neue Technologien, steht vor einem großen Tisch, auf dem Bauteile von Flugzeugen liegen. Möglicherweise ist dies nichts Besonderes bei einem Flugzeugbauer. Aber die Technik, mit der die Teile produziert wurden, ist neu. Sie revolutioniert die Fertigung sowie die Ersatzteilversorgung und macht völlig neuartige Designs und Funktionen für wichtige Bauteile möglich.

Strukturbauteile für Flugzeuge, Kabinenhalter und Systemelemente aus Kunststoff und Metall wurden jetzt bei dem Flugzeugbauer mit 3-D-Druckern hergestellt. Airbus erreicht mittels dieser additiven, also zusätzlichen Fertigung mit dem Namen ALM (Additive Layer Manufacturing) eine neue Dimension in der Herstellung von Flugzeugbauteilen. ALM ist ein spezielles Produktionsverfahren, bei dem mittels Lasertechnik und Materialstaub ein fertiges Produkt erzeugt wird.

3-D-Teile sind um bis zu 30 Prozent leichter als die herkömmlichen

„Nun ist die Zukunft zum Greifen nah, das erste 3-D gedruckte Bauteil aus Titan hob bereits an Bord einer A350-XWB-Testmaschine ab. Diese Technologie bietet neue Produkt- und Systemmöglichkeiten, um das Fliegen in Zukunft noch effizienter zu gestalten“, sagt Pirklbauer. Das Einsparpotenzial ist enorm, da die 3-D-Teile bis zu 30 Prozent leichter sind als die herkömmlichen. In den nächsten 25 Jahren werden weltweit über 29.220 neue Passagierflugzeuge erforderlich sein – bereits heute gehen rund drei Milliarden Passagiere pro Jahr an Bord eines Flugzeugs. „Allein durch die Verwendung von additiv gefertigten, leichteren Airbus-Haltern, die binnen zwei Jahrzehnten in mehr als 29.220 Maschinen eingebaut werden, könnte Treibstoff im Wert von 325 Milliarden Euro eingespart werden“, so Pirklbauer.

Die Technik ist im wahrsten Sinne des Wortes vielschichtig. Als Erstes werden zuvor generierte Bauteildaten eingegeben, damit der Drucker weiß, was er zu tun hat. Ausgangspunkt für den 3-D-Druck mittels ALM ist jeweils ein Pulver oder ein schmelzfähiger Kunststoff. Das Material wird auf dem Boden des Druckerbauraums schichtweise aufgetragen und reicht normalerweise aus, um etwa dreidimensionale Turnschuhe, kleine Häuser oder Maschinen per Drucker herzustellen, zum Beispiel als Modelle für künftige Produkte, die ein Unternehmen produzieren will. Doch Airbus hat auf diese neue Technik noch etwas draufgesetzt.

Das Pulver bleibt zwar weiterhin Grundlage, doch der Flugzeugbauer verwendet für das Verfahren Metallpulver wie zum Beispiel Titan, Aluminium oder Stahl. Auf modernsten Anlagen, wie beispielsweise am Laserzentrum Nord in Bergedorf, wird das Pulver schichtweise aufgetragen und danach per programmgesteuertem Laserstrahl auf vorgegebenen Bahnen aufgeschmolzen. So entsteht Schicht für Schicht ein Bauteil, das in seiner Festigkeit und Stabilität einem zerspanten Bauteil entspricht. Erst Anfang des Monats nahm der Airbus-Zulieferer Premium Aerotec eine Fertigungsanlage für den 3-D-Druck von metallischen Flugzeugbauteilen in Betrieb.

Pirklbauer hebt einen Kabinenhalter für eine Bordküche hoch. „Diesen konnten wir mithilfe des 3-D-Drucks in naturnaher, bionischer Form rund 30 Prozent leichter gestalten“, sagt er. Üblicherweise wird ein solches Teil aus einem Klotz aus Metall gefräst. Doch da bleibt viel Abfall übrig. „Mit den 3-D-Druckverfahren können wir in vielen Fällen bis zu 90 Prozent des Materials einsparen“, sagt der Manager. Genau darum geht es Airbus bei dieser neuen Technik. Die Halter sind leichter, das Flugzeug verbraucht dadurch weniger Kerosin. „Ein Kilogramm Gewicht weniger an Bord eines Flugzeugs bedeutet über eine durchschnittliche Flotte hinweg bis zu 30 Tonnen weniger Kerosinverbrauch pro Jahr“, sagt Pirklbauer.

Das rechnet sich, nicht nur für den Flugzeugbauer, sondern auch für die Fluggesellschaften, die ihren Spritverbrauch und den CO2-Ausstoß mit den 3-D-Teilen senken können. Konventionell erzeugt wiegt etwa ein Hydraulikblock 1,9 Kilo, mittels ALM-Verfahren ist er nur 900 Gramm schwer. Die Bauteile aus dem Drucker sind übrigens genauso lange haltbar wie die konventionell produzierten Teile.

Ein sogenannter Fuel Connector, ein doppelwandiges Verbindungsstück für die Kraftstoffleitung, kostet mittels 3-D-Druck rund zwei Drittel weniger als durch traditionelle Fertigung, während sich die Anzahl der Einzelteile von zehn auf eins reduziert. Auf dem Tisch liegt auch das erste gedruckte Ersatzteil eines A310-Jets. Das alte war kaputt. „Den früheren Hersteller gibt es nicht mehr, also haben wir beschlossen, es per 3-D-Druckverfahren herzustellen. So entfielen neben dem kostenintensiven Formenbau auch die hohen Aufwände der jahrelangen Vorratshaltung.“ Pirklbauer geht davon aus, dass es in absehbarer Zeit selbst auf Flughäfen Anlagen mit 3-D-Druckern geben wird, die in etwa die Größe eines Seefracht-Containers haben. Dort sollen Ersatzteile vor Ort produziert werden können. Bei Airbus soll die Herstellung mit der neuen Technik bis 2018 eine sinnvolle Ergänzung zu konventioneller Massenfertigung werden.

Um auf neue Ideen zu kommen, bedient sich Airbus vieler Kanäle, einer davon ist das Emerging Technologies & Concepts Team in Deutschland unter der Leitung von Peter Sander, einem Pionier der 3-D-Technik. Die Mission besteht darin, an zukunftsträchtigen Innovationen zu tüfteln und potenzielle Technologien zu beschleunigen. Neben Pirklbauer ist mit dem Hamburger Jan Reh auch ein Gewinner der Aktion „Jugend forscht“ im Team. Er war schon als Jugendlicher Erfinder. 1997 ist er sogar Bundessieger des Wettbewerbs geworden. Grundsätzlich lässt sich fast alles mit den 3-D-Druckern herstellen, von der filigranen Vase bis zur komplexen Maschine oder sogar eine funktionierende Pistole, was natürlich verboten ist. Auch in der Medizin erhält die Technik besondere Aufmerksamkeit. Forscher haben bereits Erfolge im Druck von organischem Knorpel erzielt. Künstliche Hüften oder andere Gelenke können aus dem Drucker kommen.

Experten wie der US-Starökonom Jeremy Riffkin sehen 3-D-Drucker als Vorboten der nächsten industriellen Revolution. Viele Branchen wären negativ betroffen, wenn sich die Technik durchsetzt. Darunter fielen etwa Modellbauer. Auch Speditionen wären nicht mehr so stark gefragt, denn Firmen müssten keine Teile mehr auf Lager halten und verschicken, sondern sie könnten eine Datei ins Internet stellen, und der Kunde, der einen 3-D-Drucker hat, druckt sich das Produkt dann selbst zu Hause aus. „3-D-Drucker werden neue Märkte und neue Geschäftsmodelle erzeugen – die Unternehmen müssen sich überlegen, wie sie darauf reagieren wollen“, sagt Wolfgang Dorst, Experte des IT-Verbandes Bitkom.

Auch Boeing und General Electric befassen sich intensiv mit 3-D-Druck

Neben Airbus sind auch Boeing sowie die Triebwerkshersteller Rolls-Royce, MTU und General Electric (GE) bereits intensiv mit der neuen Technologie befasst. In Europa gibt es beispielsweise das Merlin-Projekt, in dem Triebwerkshersteller zusammen mit Forschungseinrichtungen die Herstellung ganzer Triebwerksschaufeln im 3-D-Verfahren testen. GE beispielsweise will spezielle Zerstäuberdüsen im 3-D-Druck herstellen, anstatt sie aufwendig aus 20 Einzelteilen zusammenzusetzen. Im Luftfahrtbereich könnte sich so die Aufgabenteilung zwischen Hersteller und Lieferanten komplett neu ordnen, wenn die Airlines Teile künftig einfach selbst drucken können.

Der Technologiekonzern Siemens nutzt das Verfahren, um Gasturbinen schneller zu reparieren. Defekte Brenner werden bei bestimmten Typen inzwischen einfach per 3-D nachgedruckt. Das reduziert die Reparaturzeit mancher Modelle um rund 90 Prozent, die Reparaturkosten sinken dabei um rund 30 Prozent. Zudem entfällt die Ersatzteil-Lagerung, weil Teile jederzeit und überall ausgedruckt werden können. Genaue Zahlen, wie viele Firmen bereits mit der 3-D-Technik arbeiten, gibt es noch nicht. Aber die Vielfalt der Anwendungen ist groß. Der französische Uhren-Hersteller ALB hat zwei neue Luxusuhren vorgestellt, die mit einem 3-D-Drucker produziert wurden. Die Stückzahl der beiden Uhrenmodelle wurde auf jeweils 15 Stück begrenzt. Der Kaufpreis pro Stück beläuft sich auf mindestens 1500 Euro.

Pirklbauer und Reh arbeiten neben der 3-D-Technik gemeinsam mit der Telekom und dem Kofferhersteller Rimowa auch am ersten selbst reisenden Koffer namens Bag2go. Dieser lässt sich ganz einfach per Handy einchecken, die eingebaute Waage und die dazugehörige App helfen zusätzlich beim Packen und Transportieren. Ohne Erfindungen können die beiden Männer nicht leben.