Die jährlichen Kosten für die Überziehung des Girokontos können schnell mehrere Hundert Euro betragen. Hamburger Banken meist günstiger

Hamburg. Nur wenige Banken haben in den vergangenen Monaten ihre Zinsen für einen Dispositionskredit gesenkt. Vor allem überregionale Anbieter verlangen für die Überziehung des Girokontos mehr als zehn Prozent. „Das ist angesichts des historisch niedrigen Zinsniveaus immer noch zu hoch“, sagt Hjördis Christiansen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Leitzins, zu dem sich Banken Geld besorgen können, auf 0,15 Prozent gesenkt. Über angemessene Zinsen wird seit Monaten zwischen Verbraucherschützern und Banken gestritten. Doch wie teuer kommt der Dispo den Kunden wirklich? Rund 67 Euro im Jahr sind es für die normale Disponutzung, wie eine aktuelle Studie zeigt. Wer sein Konto ständig überzieht, muss im Schnitt 483 Euro bezahlen.

So kommen die Ergebnisse zustande: Fast jeder Fünfte ist auf die flexible Überziehung seines Kontos angewiesen, geht aus einer Umfrage der FMH-Finanzberatung und des Finanzexperten Udo Keßler hervor. Knapp 30 Geldinstitute wurden nach der Disponutzung ihrer Kunden befragt, darunter namhafte Geschäfts- und Direktbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken. „Im Zwölfmonatsschnitt steht das Konto mit 1043 Euro an insgesamt 240 Tagen im Minus“, sagt Keßler, der früher bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gearbeitet hat. Die Überziehung kostet die Verbraucher maximal knapp 100 Euro im Jahr, errechnete der Experte an einem Modellfall einer durchschnittlichen Familie mit einem Nettoeinkommen von 3100 Euro. Ihr Dispo in Höhe von 9300 Euro wird an 20 Tagen im Monat mit 1043 Euro genutzt. Das Limit des Dispos wird niemals überzogen. Die hochgerechneten jährlichen Kosten ergeben sich unter der Annahme, dass die Zinsen in den nächsten zwölf Monaten unverändert bleiben.

Richtig teuer wird es erst bei einer intensiven Nutzung der Kontoüberziehung, dem zweiten Modellfall, der ebenfalls auf der Bankenbefragung beruht. Bis zu 650 Euro (Targobank) kostet das im Jahr. Der Single lebt vom Dispo, wie die Verbraucherschützer sagen. Das Konto ist täglich mit einigen Tausend Euro in den Miesen. Im Jahresdurchschnitt sind es knapp 5000 Euro. Es sind Situationen wie diese, die das Konto völlig aus dem Gleichgewicht bringen: Am Anfang des ersten Monats beträgt das Minus 4200 Euro. Als der Single kurz danach außerplanmäßig 3478 Euro für eine Autoreparatur überweisen muss, wird der Disporahmen von 5400 Euro gesprengt. Für jeden Euro darüber müssen dann häufig noch höhere Zinsen gezahlt werden. „Lediglich jeder 25. Disponutzer überzieht seinen Disporahmen um 207 Euro“, sagt Keßler auf Basis der Umfrageergebnisse unter den Banken.

Wer sein Konto gelegentlich überzieht, sollte in Hamburg regionale Anbieter bevorzugen. Denn die Hamburger Banken sind nach den Direktbanken die Anbietergruppe mit den günstigsten Konditionen bei der Kontoüberziehung. Im Durchschnitt kostet die normale Disponutzung in Hamburg rund 68 Euro im Jahr. Das ist acht Prozent günstiger als bei den überregionalen Anbietern. Die intensive Disponutzung verschlingt 492 Euro im Jahr und ist zehn Prozent günstiger als bei den überregionalen Anbietern. Nur die Direktbanken haben im Schnitt mit 57 Euro für die jährliche normale Disponutzung noch günstigere Konditionen. Den niedrigsten Überziehungszins bietet die Deutsche Skatbank mit 4,90 Prozent. Folglich kostet bei ihr die normale Disponutzung nur 34 Euro im Jahr.

In Hamburg verlangt nur die Haspa mehr als zehn Prozent für den Dispo

Von fünf Banken in der Hansestadt haben vier einen Dispozins von unter zehn Prozent. Nur die Hamburger Sparkasse liegt mit 11,81 Prozent deutlich darüber. Dass es auch anders geht, zeigt die Sparkasse Harburg-Buxtehude. Ihr Dispozins beträgt 9,77 Prozent. „Die meisten bislang untersuchten Sparkassen im Bundesgebiet verlangen deutlich höhere Zinsen“, sagt Keßler. „Wir haben unseren Dispozins an einen Referenzzins gekoppelt und überprüfen ihn regelmäßig“, sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg. „Kommt es zu einer Abweichung von über 0,25 Prozentpunkten, werden die Konditionen entsprechend angepasst. Beim letzten Stichtag, Anfang August, haben sich aber keine Änderungen ergeben.“

Auch einige überregionale Geldhäuser wie die Postbank oder die Commerzbank haben Dispozinsen von unter zehn Prozent, doch sie sind meist an bestimmte Kontomodelle gekoppelt. So ist das Konto Giro extra plus der Postbank erst ab einem monatlichen Geldeingang von 4000 Euro kostenlos. Sonst werden bis zu 9,90 Euro Kontoführungsgebühren im Monat fällig.

Bei der Santander Consumer Bank steigt der Dispozins innerhalb des eingeräumten Kreditrahmens. Wer auf dem Girokonto rote Zahlen von bis zu 500 Euro schreibt, muss lediglich 8,15 Prozent Zinsen zahlen. Bei mehr als 1000 Euro Schulden schnellt der Zins auf 11,40 Prozent hoch – und das vom ersten Euro an.

Die jährlichen Kosten für eine normale Disponutzung werden dem Verbraucher nicht hoch erscheinen. „Auch wenn das in absoluten Beträgen nicht viel ist, verdienen die Banken sehr viel Geld damit“, sagt Christiansen. Nach Berechnungen der Bundesbank sind die Bundesbürger auf ihren privaten Girokonten mit zwölf Milliarden Euro im Minus. „Die Zinsen sind bei vielen Instituten noch zu hoch, vor allem im Verhältnis zu den sehr niedrigen Sparzinsen“, sagt Christiansen. Das bekommen vor allem jene Kunden zu spüren, die ihr Konto massiv überziehen. „Solche Fälle haben wir täglich in der Beratung“, sagt die Verbraucherschützerin. Aus Sicht der Banken dient der Dispo auch nicht dazu, einen längeren Kreditbedarf zu decken. „Doch Umschuldungen in einen günstigeren Ratenkredit werden nach unserer Erfahrung vielen Kunden von den Banken verwehrt“, kritisiert Christiansen.

Beratungsgespräche für Dispokunden sollen zur Pflicht werden

Bundesverbraucherminister Heiko Maas (SPD) will die deutschen Banken verpflichten, Beratungsgespräche für Kunden anzubieten, die über längere Zeit teure Dispokredite nutzen. „Das reicht nicht aus“, sagt Christiansen. „Denn hinter der intensiven Disponutzung verbergen sich meist größere Probleme, weil die Einnahmen nicht mehr reichen, um die laufenden Kosten zu decken.“ Die Geldhäuser verweisen darauf, dass die Kosten schon jetzt für jeden nachvollziehbar sind. „Die angefallenen Überziehungszinsen werden bei uns auf den Kontoauszügen quartalsweise in Euro und Cent ausgewiesen“, sagt von Carlsburg.

Wer seinen Dispositionsrahmen überzieht, muss meist noch einen Zinszuschlag auf den Dispozins bezahlen, der bis zu 6,73 Prozentpunkte (Santander Consumer Bank) betragen kann. Einige Geldinstitute wie die Sparda-Bank Hamburg oder die Sparkasse Harburg-Buxtehude haben diesen Zuschlag abgeschafft. Doch bei der tatsächlichen Zinsbelastung spielt er letztlich kaum eine Rolle, wie Experte Keßler berechnet hat. Denn von den hohen dreistelligen Beträgen, die intensive Disponutzer an ihre Banken zahlen müssen, entfallen maximal elf Euro im Jahr auf den Zinszuschlag.