Beim Hamburger Start-up Localgourmet lässt sich das angebotene Fleisch bis zum einzelnen Rind zurückverfolgen. Doch wollen das die Kunden wirklich?

Hamburg/Lindau. Rind Nummer sieben sieht gesund und kräftig aus. Es hat puschelige, braune Ohren, einen weißen Kopf und einen treuen Blick. Friedlich grast das gescheckte Tier zusammen mit 20 Artgenossen der Hereford-Rasse auf einer Weide in der Gemeinde Lindau, etwa auf halbem Weg zwischen Kiel und Eckernförde. Fast sein ganzes Leben hat Nummer sieben auf dieser Weide verbracht. Es ist hier vor etwa zweieinhalb Jahren geboren worden, hat ausschließlich Gras oder Heu zu fressen bekommen. Im Winter haben es die Besitzer in einem halboffenen Stall in der Nähe untergebracht.

Am 18. August wird dieses geruhsame Dasein für das Tier mit der offiziellen Kennnummer 62847 beendet sein. Dann wird es geschlachtet und zu Zehn-Kilo-Paketen mit Steaks, Rouladen, Gulasch, Braten, Beinfleisch und Hackfleisch verarbeitet. Ausgeliefert werden die Pakete voraussichtlich am 8. September.

Nachlesen lassen sich die meisten dieser Details auf der Onlineseite des Hamburger Start-ups Localgourmet.de. Dort findet sich auch ein Foto von Rind Nummer sieben und seinen Artgenossen zusammen mit der Möglichkeit, das Fleisch von eben diesen Tieren zu ordern. Verschickt wird es dann in speziellen Kühlboxen.

„Wir wollen unseren Kunden ein möglichst hohes Maß an Transparenz beim Fleischeinkauf bieten“, sagt der Internetunternehmer Alexander Graf, der die Firma zusammen mit dem Jungbauern Lorenz Jandke, 29, gegründet hat. „Daher lassen sich bei uns auch alle Einzelheiten zur Aufzucht und Fütterung der Rinder nachlesen.“

In Gummistiefeln und mit blau-weiß kariertem Hemd steht Graf auf der Weide bei seiner Herde. Auf den ersten Blick scheint der 33-Jährige, der früher für den Hamburger Otto-Konzern arbeitete und heute hauptberuflich junge Onlinefirmen berät, nicht so recht in die ländliche Welt zu passen. Doch der E-Commerce-Spezialist hat viele Bezüge zu der Region in der Nähe von Kiel. Sein Schwiegervater, der pensionierte Tierarzt Peter Gravert, wohnt direkt neben der Weide und kümmert sich um das Wohl der Tiere. Auch er ist an der jungen Firma beteiligt.

„Früher haben die Menschen auf dem Dorf ihr Fleisch direkt vom Bauern oder Schlachter vor Ort gekauft“, sagt Graf. „Da wusste jeder, woher sein Steak stammte.“ Dieses Prinzip sei in Zeiten der industriellen Tierhaltung aber verloren gegangen. „Wir möchten diese Idee wiederbeleben und ins Internetzeitalter übertragen.“

Bei der Aufzucht der Hereford-Rinder achten Graf und Jandke auf eine möglichst artgerechte Haltung, was sich auch positiv auf die Qualität des angebotenen Fleisches auswirken soll. So steht den insgesamt 50 Tieren eine Fläche von 7,5 Hektar zur Verfügung, was gut zehn Fußballfeldern entspricht. „Die Rinder sind ständig auf der Weide und haben jede Menge Auslauf“, sagt Jandke. „Dadurch setzen sie nicht so viel weißes Fett an.“ Auch auf die Gabe von Medikamenten, die bei einer Massentierhaltung nahezu unumgänglich sei, könne weitestgehend verzichtet werden.

Zum Schlachten bringt Jandke die Rinder zu einem kleinen Betrieb, der gerade einmal sieben Kilometer von der Weide entfernt liegt. „So vermeiden wir lange Transportwege und unnötigen Stress für die Tiere“, sagt der Bauer. Der Landschlachter lässt das Fleisch besonders lange abhängen und reifen, was ebenfalls dem Geschmack zugute kommt.

Der große Aufwand, den die Jungunternehmer bei der Rinderhaltung treiben, hat allerdings seinen Preis: 69Euro kostet ein 2,5-Kilogramm-Paket mit verschiedenen Fleischsorten bei Localgourmet. Das ist die kleinste Menge, die sich bestellen lässt. Einfach nur ein Steak können die Kunden nicht kaufen, da die geschlachteten Tiere möglichst vollständig verwertet werden sollen. „Etwas wegzuwerfen widerspricht unserer Idee von Nachhaltigkeit“, sagt Jandke.

Eine Reihe von Kunden, vornehmlich aus Norddeutschland, hat sich von dem Konzept des Hamburger Start-ups dennoch überzeugen lassen. „Im Augenblick haben wir so viele Bestellungen, dass wir etwa ein Rind pro Monat schlachten können“, sagt Alexander Graf. Bis zum Jahresende wolle man auf etwa ein Rind pro Woche kommen. Langfristig soll das Angebot auf ganz Deutschland ausgeweitet werden, ohne dabei allerdings das Prinzip der Regionalität zu gefährden. Daher suchen die Localgourmet-Macher nach weiteren Partnerhöfen im Süden, Westen oder Osten der Republik, die dann die entsprechenden Teile des Landes versorgen könnten. Im Norden ist gerade ein zweiter Bauerhof in der Nähe von Flensburg hinzugekommen.

Die Idee, das Fleisch von ganz bestimmten Tieren zu verkaufen und damit für ein Höchstmaß an Transparenz zu sorgen, ist nicht ganz neu. Die Berliner Firma MeinekleineFarm druckt sogar die Fotos einzelner, geschlachteter Schweine auf Gläser mit Sülze, Leberwurst oder Mett.

Im Internet werden die Tiere mit ihren etwaigen Charaktereigenschaften beschrieben. Ein Schwein sei beispielsweise sehr „neugierig“ gewesen, einer Sau wird gar eine komplette Liebesgeschichte mit einem Eber angedichtet. Das Motto des Unternehmens lautet allen Ernstes: „Wir geben dem Fleisch ein Gesicht.“

So weit würden die Chefs von Localgourmet nicht gehen. Eher denken sie darüber nach, ob sie nicht schon heute zu viele Informationen auf ihrer Internetseite zur Verfügung stellen. „Manch ein Kunde möchte gar nicht wissen, von welchem individuellen Tier das Fleisch stammt, das er gerade bestellt“, sagt Graf. „Vielen reicht es völlig, wenn sie die Herde kennen, aus der demnächst ein Tier geschlachtet wird.“ Daher sei man nun dabei, den Internetauftritt entsprechend zu überarbeiten und etwas allgemeiner zu gestalten.

Auch bei Rind Nummer sieben, das derzeit noch treuherzig von der Internetseite der Hamburger blickt, scheinen die Kunden derzeit gewisse Hemmungen zu haben, mit ihren Bestellungen indirekt zum Tod des Tieres beizutragen. Von den noch verfügbaren 20Fleischpaketen wurden bislang lediglich drei vorbestellt.