Dank seiner Fußballgolfanlage profitiert ein Bauernhof in Wiemersdorf vom WM-Titel der deutschen Nationalelf

Wiemersdorf. Die Sache läuft nicht rund für den Jungen im grünen T-Shirt. „17!“ „18!“ „19!“ Lautstark zählen die Kinder die Versuche ihres Mitschülers. Ein Elfjähriger versucht, den Fußball durch einen Treckerreifen zu schießen, der in rund einem halben Meter Höhe hängt. Doch das Runde will einfach nicht ins Runde – dann hat er endlich Erfolg. Das Gejohle der Mitschüler ist groß. Der Teil der Bahn ist geschafft. Nun muss das Leder noch ins Loch, einen Betonkübel. Drin! Fußballgolf statt Spaziergang im Wald. Die Gymnasiasten aus Kaltenkirchen feiern Wandertag auf dem Golfbauernhof in Wiemersdorf nördlich von Bad Bramstedt. Wie passend in dem Weltmeistersommer. Das Turnier in Brasilien mit dem Titel für die deutsche Nationalelf brachte dem Betrieb eine Sonderkonjunktur. „Jetzt wollen alle Fußballgolf spielen“, sagt Geschäftsführer Otto Onken.

Die Sportart kommt ursprünglich aus Skandinavien. Das Prinzip ist einfach. Jeder Spieler bekommt einen Ball und muss ihn mit so wenig Fußtritten wie möglich auf angelegten Bahnen ins Loch bugsieren. Aus dem Urlaub in Dänemark brachte Onken die Geschäftsidee mit. Dort hatte er mit Freunden Fußballgolf gespielt und einen Mordsspaß gehabt. Den geeigneten Platz dafür hat er schon seit 2004. Als sein Freund Thomas Siemen den Bauernhof von seinen Eltern, die ins Rentenalter kamen, übernahm, rechnete sich der landwirtschaftliche Betrieb mit Tierhaltung nicht mehr. Siemen und Onken gründeten zusammen mit ihren Frauen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die den Hof betreibt. 26 Hektar werden jetzt noch landwirtschaftlich für den Anbau von Mais und Getreide genutzt. Auf den restlichen 14 Hektar bauten sie einen Golfplatz. Spielen durfte jeder, der für seine Runde bezahlte. Eine Mitgliedschaft war nicht nötig. Ein Modell, das nicht ankam. „Der Deutsche ist ein Clubmensch. Da hat sich Golf nicht gelohnt“, sagt Onken. Außerdem habe Schleswig-Holstein bundesweit die größte Dichte an Golfanlagen.

Nun ist der 52-Jährige Chef auf einem etwas anderen Golfplatz. Schickes Outfit ist nicht nötig. Vornehme Siezerei schon gar nicht. „Auf dem Hof sagt man du.“ Statt Schläger und kleinem weißen Ball kam 2008 der deutsche Volkssport Nummer eins ins Spiel – eine perfekte Kombination. „Golf hängt etwas Elitäres an, während Fußball jeder als Kind gespielt hat.“ Die Freunde starteten mit zwölf Bahnen, heute sind es 14. Demnächst wollen sie die Zahl der Bahnen erhöhen. Der Ball muss an Büschen vorbei, durch Gräben oder Betonröhren hindurch oder im Zickzackkurs zwischen Holzpfählen getreten werden. Blaue Fahnen mit der Nummer der Bahn zeigen das Ziel an. Eingelocht wird in Baumstämme, einer alten Badewanne – oder einem ausrangierten Dixi-Klo. Zweifellos die Attraktion des Platzes. Ursprünglich sei das mal die letzte Bahn gewesen, sagt Onken. „Die Leute haben da so lange draufgedonnert, bis die Seitenwände rausgefallen sind. Die haben wir jetzt verstärkt – und die Bahn ist nicht mehr die letzte.“ Sonst stauten sich regelmäßig die Spieler vor dem Grün mit dem Toilettenhäuschen.

Großer Andrang herrscht vor allem am ersten Tag des Wochenendes. „Wenn es ein schöner Sonnabend ist, dann brummt das Geschäft.“ Rund 250 Leute kommen dann zur Anlage. Erwachsene zahlen neun Euro für das rund 90-minütige Vergnügen, Kinder sind mit acht Euro dabei. Gruppen sollten sich anmelden, Stornogebühren fallen generell nicht an. Gekickt werden kann in der von Anfang April bis Ende Oktober reichenden Saison immer von Sonnenauf- bis -untergang. Ist kein Mitarbeiter auf dem Hof, schnappt man sich einen Ball, der vor dem Eingang liegt. Das Spielgeld wird einfach in den „kuhlen Briefkasten“ geworfen. Auch diese Idee übernahm Onken aus Dänemark: „In sechs Jahren ist ein Ball weggekommen, aber weil Gäste ihre vergaßen, haben wir zwei Bälle gewonnen.“ Das Prinzip Ehrlichkeit funktioniert, bis zu 80 Euro lagen schon im Kasten. Spitzentage spülen dem Golfbauernhof bis zu 2000 Euro in die Kasse. Das Problem: „Leider sind die richtig sonnigen Wochenenden in Schleswig-Holstein relativ selten“, sagt Onken. An guten Tagen unter der Woche kommen 150 Spieler auf den Golfbauernhof. Wenn es regnet, keiner. Schulen, Fußballvereine, Familien und Firmen buchen die Anlage für ihre Feste, Freunde für Junggesellenabschiede. „Die Leute dürfen gern ihre Sachen mitbringen und auf den Spielbahnen essen und trinken“, sagt Onken. Die Bedingung: Den Müll muss jeder wieder mitnehmen.

Insgesamt rund 70 Prozent der Einnahmen kommen aus dem Fußballgolf. Als letztes Überbleibsel des Golfsports wurde die Driving-Range, auf der Abschläge geübt werden, vergangenes Jahr eingestellt. Einen Schläger brauchen die Gäste nur noch beim Auenland-Golf. Dabei wird mit einem vergrößerten Golfgummiball auf eimergroße Löcher gespielt. Rund ein Zehntel der Erlöse stammen aus dem Spiel. Die restlichen 20 Prozent steuert eine Scheibe zum Umsatz bei. Beim Frisbeegolf muss ein Hindernisparcours mit möglichst wenigen Würfen gespielt werden. Als Ziele dienen Fangkörbe mit einem Kettennetz. „Wir schreiben eine schwarze Null und ein bisschen mehr“, sagt Onken ohne Jahreszahlen zu nennen. „Reich wirst du damit nicht.“

Um das Gelände als Golfplatz nutzen zu können, musste er 3000 Büsche pflanzen und eine Streuobstwiese anlegen. Für 40.000 Euro baute er neue Toiletten in den alten Kuh- und Schweinestall ein, der nun ein Café beherbergt. Kuchen, Eis und Würstchen aus dem Toaster gibt es dort ebenso zu zivilen Preisen wie den halben Liter Mineralwasser für einen Euro. „Es geht nicht immer nur ums Geld. Es muss zum täglichen Leben reichen“, sagt Onken. „Wenn du jeden Tag aufstehst und dich auf deinen Job freust, hast du alles richtig gemacht.“

Beim studierten Landwirt klingelt der Wecker schon um 4.30 Uhr. Dann fährt er aufs Feld und kontrolliert den Fertigrasen, den er in seinem Erstjob anbaut und verkauft. Morgens um neun Uhr ist er dann auf dem Golfbauernhof. Gruppen empfangen, Schläger, Bälle und Frisbees herausgeben, die Bahnen erklären, das Gras mähen. Bis zu sechs Aushilfen unterstützen ihn. „Weil es ein Saisongeschäft ist, können wir nicht mit festen Mitarbeitern planen“, sagt Onken. Thomas Siemen kümmert sich um die Außenanlagen, Anja Siemen um die Gastronomie. Onkens Lebensgefährtin Ulrike ist für den Garten und den Eingangsbereich verantwortlich.

Die Kreativität der Gruppe ist im Winter gefragt. Denn jedes Jahr müssen die Bahnen umgebaut werden, um Abwechslung zu bieten und auch ehemalige Kunden mit neuen Herausforderungen erneut nach Wiemersdorf zu locken. Von einem Ziel werde man sich allerdings nie verabschieden, sagt Onken: „Das Dixi-Klo muss sein.“