Arbeitslosigkeit in Hamburg steigt um 3,2 Prozent auf 75.325 Jobsuchende

Hamburg. Die Ausbildungssituation in Hamburg wird wieder schwieriger. Obwohl heute das neue Lehrjahr beginnt, haben 3724 Schulabgänger nach Angaben der Arbeitsagentur noch keine Lehrstelle. Das sind rund zehn Prozent mehr als vor einem Jahr. „Viele Jugendliche kommen erst jetzt in die Berufsberatung“, sagt Alena Preuß, Teamleiterin der Berufsberatung der Arbeitsagentur in den Bezirken Eimsbüttel, Altona und Nord. Das heiße aber keineswegs, dass die jungen Leute ihre berufliche Zukunft deshalb schleifen ließen. Das Interesse an einer betrieblichen Ausbildung komme vielmehr erst dann, wenn bisherige Pläne nicht aufgegangen seien.

„Wenn es mit dem Wunschstudienplatz oder dem Auslandsaufenthalt nicht klappt, setzen viele wieder auf einen Ausbildungsberuf“, sagt Preuß. Auch die Handelskammer hat diese Beobachtung gemacht. „Die Zahl der Optionen, die heute Schulabgänger haben, ist viel größer als noch vor einigen Jahren“, sagt Fin Mohaupt von der Handelskammer. Dazu zählen duale Studiengänge, weiterführende Schulen oder ein freiwilliges soziales Jahr im In- oder Ausland. Der Orientierungsbedarf der Jugendlichen sei größer geworden. Vielen fehle es an einer klaren Vorstellung über ihre berufliche Zukunft.

Viele Bewerber, aber nur wenige sind für die Arbeit in der Backstube geeignet

Das bekommt auch Anne Effenberger zu spüren, Betriebsleiterin der Vollkornbäckerei Effenberger mit sieben Standorten in der Hansestadt. In dem Unternehmen beginnen im August vier Jugendliche eine Ausbildung zum Bäcker. Ein Ausbildungsplatz zur Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk ist noch unbesetzt. „An Bewerbern hat es nicht gefehlt. Wir haben bestimmt 50 Bewerbungen bekommen“, sagt Effenberger. Etwa die Hälfte habe ein Praktikum absolviert. Doch schon da zeigten sich Probleme. „Manche kommen nach ein, zwei Tagen schon nicht mehr“, sagt die Betriebsleiterin, die sich auch um die Ausbildung bei Effenberger kümmert. Sie kann verstehen, wenn sich jemand nach dem Praktikum gegen den Beruf entscheide, aber den Schnupperkurs abzubrechen, finde sie nicht gut.

Dennoch unternimmt das Handwerk große Anstrengungen, immer mehr Jugendliche für eine Ausbildung zu gewinnen. „Der Trend zur Ausbildung im Handwerk bleibt weiter stabil positiv“, sagt Ute Kretschmann, Sprecherin der Handwerkskammer. Bis Ende Juli wurden 1551 Lehrverträge abgeschlossen. Das ist gegenüber dem Vorjahr ein Zuwachs von fünf Prozent. Die Zwischenbilanz lässt aber noch keinen Rückschluss auf die endgültigen Zahlen zu. Zwar beginnt das Ausbildungsjahr am 1. August, aber auch zu einem späteren Zeitpunkt ist noch der Einstieg in eine Ausbildung möglich. Es gebe mehr als 600 freie Lehrstellen, darunter Anlagenmechaniker Sanitär, Heizung, Klima, Gebäudereiniger oder Friseur (siehe Tabelle). Insgesamt rechnet das Handwerk in diesem Jahr mit einem Plus von zehn Prozent bei den Ausbildungsverträgen. „Die Ausbildungsbereitschaft der Handwerksbetriebe ist ungebrochen hoch“, sagt Josef Katzer, Präsident der Handwerkskammer.

Die bisher im Bereich der Handelskammer registrierten Ausbildungsverträge bewegen sich auf Vorjahresniveau. Es sind 7684. „Das Ausbildungsengagement unserer Mitgliedsunternehmen bleibt auf hohem Niveau, aber sie haben es nach wie vor schwer, alle ihre Ausbildungsplätze zu besetzen“, sagt Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer. Das zeigt sich auch an den rund 700 noch freien Lehrstellen, darunter allein 116 für den Kaufmann/-frau im Einzelhandel und 59 für das neue Berufsbild Kaufmann/-frau für Büromanagement. Die neu eingerichteten Berufsagenturen führen dazu, dass mehr Bewerber für eine Lehrstelle erfasst werden. In diesem Jahr gibt es 8595. Das sind 11,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Darunter seien nicht nur neue Schulabgänger, sondern auch Jugendliche vorheriger Jahrgänge, die sich für eine Ausbildung interessieren, aber einen schwachen Hauptschulabschluss haben.

Arbeitslosenquote erhöht sich um 0,2 Punkte auf 7,7 Prozent

„Gleichzeitig geht die Zahl der von den Betrieben gemeldeten Lehrstellen um rund zehn Prozent zurück“, sagt Sönke Fock, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in Hamburg. „Wir machen die Erfahrung, dass Firmen ihre Lehrstellen nicht mehr melden, weil sie diese in den Vorjahren nicht besetzen konnten“, sagt Fock. „Stellen wir aber jetzt solchen Arbeitgebern motivierte Jugendliche vor, ist die Bereitschaft groß, diese auszubilden. Mit insgesamt rund 3200 bei der Arbeitsagentur gemeldeten freien Stellen stehen aber die Chancen gut, noch einen Ausbildungsplatz zu finden.“ Das ist dann auch die Aufgabe von Berufsberaterin Preuß. „Wir können Alternativen aufzeigen, wenn es mit dem Wunschberuf nicht klappt, bei der beruflichen Orientierung helfen oder die Bewerbungsmappe optimieren“, sagt sie.

Der Sommer hat auf dem Hamburger Arbeitsmarkt einen Rückschlag ausgelöst. Die Zahl der Arbeitslosen erhöhte sich gegenüber dem Vormonat um 2300 oder 3,2 Prozent auf 75.325. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,2 Punkte auf 7,7 Prozent. „Die Urlaubszeit in den Sommermonaten sorgt regelmäßig für ein abgeschwächtes Einstellungsverhalten bei den Unternehmen“, sagt Fock. Erst nach den Ferien würden wieder neue Mitarbeiter eingestellt. Zusätzlich drängten junge Erwachsene auf den Arbeitsmarkt, die nach dem Abschluss ihrer Ausbildung von ihren Betrieben nicht übernommen wurden.

Bundesweit zeigt sich der Arbeitsmarkt trotz leichter Sommerflaute unbeeindruckt von den internationalen Auswirkungen der Krisen in der Ukraine und im Nahen Osten. Die Zahl der Arbeitslosen stieg im Juli nur um 39.000 auf 2,871 Millionen. „Unsere Erwartungen für das zweite Halbjahr sind keine Verschlechterungen, aber auch keine wesentlichen Verbesserungen“, sagte der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, mit Blick auf die Folgen etwa der EU-Sanktionen gegen Russland für den Arbeitsmarkt.