Werftengruppe German Naval Yards fordert Blohm+Voss heraus

Rendsburg. Zügig geht Susanne Wiegand über das weitläufige Gelände von Nobiskrug in Rendsburg. Es gibt viel zu sehen auf der Werft, die dort liegt, wo die Obere Eider in den Nord-Ostsee-Kanal mündet. Im Schwimmdock steht zur Überholung der Saugbagger „Nordsee“, der zur Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes gehört. Im überdachten Baudock wird die Korvette F 262 „Erfurt“ der Deutschen Marine gewartet. An einer Pier liegt der noch nicht ausgebaute Rumpf einer Yacht, über den Wiegand aber nichts erzählt – die übliche Geheimhaltung im Geschäft mit Luxusschiffen.

Marineschiffe, Großyachten, Offshore-Versorgungsplattformen und das Reparaturgeschäft – mit diesem Programm sollen Nobiskrug und dessen zwei Schwesterwerften in Kiel künftig vereint unter einem Dach am deutschen und europäischen Schiffbaumarkt agieren. Das dürfte verstärkte Konkurrenz auch für Blohm+Voss bedeuten. Vor allem der Yachtbau und anspruchsvolle Reparaturen, zudem die Auftragsfertigung von Marineschiffen als Subunternehmer sind auch für Hamburgs letzte Großwerft von immenser Bedeutung. In den kommenden Wochen werde man die neue Holding mit dem Namen German Naval Yards starten, sagt Wiegand, die Co-Geschäftsführerin der drei Werften in Schleswig-Holstein ist und die auch die künftige Dachgesellschaft mit anführen wird. „Unsere drei deutschen Werften sind operativ eng zusammengebunden. Wir sind in Deutschland heutzutage eine Firma mit drei Standorten.“

Hinter den drei Werften steht die Holding Abu Dhabi Mar (ADM) und deren Hauptinvestor, der libanesische Geschäftsmann Iskandar Safa. In den vergangenen Jahren kaufte ADM vom Essener ThyssenKrupp-Konzern die Werften Nobiskrug und HDW Gaarden, zudem übernahm das Unternehmen Anfang 2013 die zuvor insolvente Lindenau-Werft in Kiel. Aufsehen erregte ADM 2010 und 2011 vor allem durch die geplante und lange verhandelte Übernahme der Werft Blohm+Voss, die ThyssenKrupp ebenfalls zum Verkauf gestellt hatte. Das Geschäft scheiterte letztlich. Doch zugleich baute ADM in Norddeutschland ohne größeres Aufsehen eine neue Werftengruppe auf, die nun mit einem neuen Namen ausgerechnet unter Betonung des besonders komplexen und politisch diffizilen Marinegeschäfts in die Offensive gehen will. „Insgesamt ergänzen sich alle drei Werftstandorte in Rendsburg und Kiel unter dem Gesichtspunkt Neubau sowie kurz- und langfristige Reparaturen optimal“, sagt Wiegand. „Außer bei den Stahlbrennmaschinen an den Standorten Kiel und Rendsburg gibt es bei den Gewerken keine Redundanzen mehr.“

Vor allem ausländische Investoren stoppten in jüngerer Zeit den Niedergang des deutschen Schiffbaus. Der russische Geschäftsmann Witali Jussufow formte die Gruppe Nordic Yards mit der Übernahme der Werften in Wismar, Rostock-Warnemünde und in der vergangenen Woche zudem der Volkswerft in Stralsund. Das ebenfalls russische Unternehmen Pella Shipyard kaufte im Februar in letzter Sekunde vom Insolvenzverwalter Berthold Brinkmann die älteste deutsche Werft Sietas in Hamburg. ADM aus den Vereinigten Arabischen Emiraten übernahm die drei Werften in Rendsburg und Kiel. „Unser Gesellschafter hat in Deutschland rund 100 Millionen Euro Kapital investiert. Das ist weitaus mehr, als bei manch anderer Werftübernahme durch ausländische Investoren in den vergangenen Jahren geflossen ist“, sagt Wiegand. „Ohne das Engagement der Familie Safa gäbe es die mehr als 1000 festen Arbeitsplätze bei unseren drei Werften in Deutschland heute nicht mehr.“

Gemeinsam mit ihrem Co-Geschäftsführer Holger Kahl formierte Wiegand aus den Belegschaften der drei ADM-Werften eine einzige. Die aktuell 1038 festen Mitarbeiter werden flexibel an allen drei Standorten eingesetzt. Hinzu kommen derzeit rund 500 Mitarbeiter von Subunternehmern. Insgesamt 600 feste Mitarbeiter stellte ADM seit der Übernahme von Nobiskrug im Jahr 2009 an allen drei Standorten insgesamt neu ein. Die Auftragsbücher sind mit einem Wert von rund 700 Millionen Euro gut gefüllt, der Jahresumsatz des Werftentrios lag 2013 bei rund 250 Millionen Euro. Zu den aktuellen Aufträgen von ADM in Kiel zählen zwei Mehrzweckfregatten für die algerische Marine, die das Unternehmen als Konsortialpartner der Marinesparte von ThyssenKrupp baut, eine Großyacht von mehr als 140 Metern Länge und zwei Offshore-Plattformen für Unternehmen der Windkraftbranche. „Wir haben aus dem Standort Kiel-Gaarden wieder eine beachtliche Werft gemacht, die in der Lage ist, in bester Zeit etwa Fregatten oder große Yachten zu bauen“, sagt Wiegand.

Die studierte Ökonomin Wiegand, 42, Spezialistin für die Restrukturierung von Unternehmen, ist Deutschlands einzige Werftchefin, sieht man von der Geschäftsführerin ab, die Pella Shipyard nach der Übernahme bei Sietas einsetzte, die seither aber nicht mehr öffentlich in Erscheinung trat. In die ständigen Umstrukturierungen der deutschen Schiffbaubranche ist Wiegand seit 2003 involviert, zunächst bei ThyssenKrupp, wo sie 2007 die Führung von Nobiskrug übernahm. Den Aufbau der neuen Werftgruppe unter dem Dach von ADM begleitete sie seit 2009 von Beginn an – mit allen Härten, die das Werftgeschäft in Deutschland zu bieten hat: „Ich bin überhaupt nicht zufrieden mit den Bedingungen des Finanzmarktes für die Schiffbaubranche in Deutschland“, sagt sie in ihrem Büro bei Nobiskrug. „Die Banken gehen praktisch keine finanziellen Engagements mehr bei Werften ein. Wie soll ich meinem Gesellschafter da erklären, dass er künftig weiterhin am Standort Deutschland investieren soll?“

German Naval Yards soll auch Marineaufträge in Europa hereinholen

Die neue Dachgesellschaft German Naval Yards soll nicht nur die drei beteiligten Werften enger verzahnen, sondern sie zugleich stärker für internationale Akquisitionen öffnen, auch im Marinegeschäft, das national streng abgeschottet ist. „Durch unsere Schwesterwerft in Frankreich kommen wir in die Lage, in einer europäischen Logik zu denken und zu agieren. Wir verfolgen einen europäischen Ansatz“, sagt Wiegand. Zur Werftengruppe von ADM zählt auch Constructions Mécaniques de Normandie (CMN) im französischen Cherbourg, eine Werft, die Marineschiffe und Luxusyachten baut. Eine deutsch-französische Kooperation im Marineschiffbau kam in jüngerer Zeit nicht zustande, weil beide Länder ihre technologische Führungsrolle nicht preisgeben wollten. Diskussionen über eine „Maritime EADS“ analog zum europäischen Luftfahrtkonzern EADS/Airbus blieben Theorie.

Eine Bündelung der Kräfte im deutschen Marineschiffbau war in den 2000er-Jahren auch das Hauptmotiv für den Aufbau der Werftengruppe TKMS, angesiedelt beim Industriekonzern ThyssenKrupp. Doch das Konzept ging nicht auf. ThyssenKrupp zog sich aus dem militärischen Schiffbau teilweise und aus dem zivilen komplett zurück, zuletzt im April mit der Ankündigung, die Marinewerft Kockums in Schweden verkaufen zu wollen. Als einzige Großwerft behält der Konzern das Unternehmen HDW in Kiel, Weltmarktführer beim Bau nicht atomar angetriebener U-Boote. Blohm+Voss gehört heute zum britischen Finanzinvestor Star Capital Partners. An der Elbe hofft man derzeit vor allem auf neue Aufträge und Impulse beim Bau von Superyachten. Zur neuen Konkurrenz von German Naval Yards, die in Schleswig-Holstein demnächst gestartet wird, äußerten sich ThyssenKrupp und Blohm+Voss auf Anfrage nicht.