Hamburger sind überdurchschnittlich stark an der Börse engagiert. Größter Kapitalvernichter ist Solarworld

Frankfurt/Hamburg. Der Aufschwung an den Börsen geht an den meisten Deutschen vorbei. 2013 schrumpfte die Zahl der in Aktien oder Aktienfonds investierenden Anleger um fast 600.000 auf 8,9 Millionen, teilte das Deutsche Aktieninstitut (DAI) in Frankfurt mit. Das sind nur noch 13,8 Prozent der Bevölkerung.Vor allem die Zahl der Aktienfondsbesitzer sei zurückgegangen. „Das Jahr 2013 ist damit insgesamt ohne Frage ein Rückschlag für die Aktienkultur“, erklärte das DAI, dem unter anderem börsennotierte Unternehmen, Banken und Börsen angehören. Dabei war 2013 für die Anleger ein erfreuliches Jahr: Der Deutsche Aktienindex (DAX) legte um mehr als 25 Prozent zu.

DAI-Chefin Christine Bortenlänger machte für den Rückgang der Aktionärszahlen unter anderem die Vorschriften in der Wertpapierberatung verantwortlich, die in der Folge der Finanzkrise verschärft worden waren. Diese seien nicht nur kostspielig, sondern beanspruchten auch viel Zeit. Mitte Februar hatte Bortenlänger gesagt: „Viele Anleger sind genervt von den Formalien.“ Seit 2010 müssen Banken und Sparkassen für jede Anlageberatung von Privatkunden ein schriftliches Protokoll anfertigen.

Hamburger sind offenbar der Börse gegenüber aber noch immer vergleichsweise aufgeschlossen. „Nach einem aktuellen Haspa-Trendbarometer investieren 17 Prozent der Hamburger in Aktien“, sagte Stefanie von Carlsburg, Sprecherin der Sparkasse. „Damit liegt der Anteil der Aktienbesitzer in der Hansestadt über dem Bundesschnitt.“

Die Haspa habe in den vergangenen Jahren stets für die Beimischung von Aktien im Depot geworben und tue dies nach wie vor. Das Wertpapiergeschäft auf den insgesamt mehr als 250.000 Haspa-Depots habe sich zuletzt „erfreulich belebt“, hieß es: „Aktien und Aktienfonds bieten in der Niedrigzinsphase die Chance, das Vermögen langfristig zu mehren.“ Deshalb stehe das Börsenjahr 2014 für die Haspa unter dem Motto „kontrollierte Offensive“. Für 2014 messe man dem DAX ein Kurspotenzial auf bis zu 10.000 Punkten zu.

Bundesweit flüchten die Privatinvestoren allerdings schon seit Jahren aus den Aktien. Seit 2001 haben laut DAI rund 3,9 Millionen Anleger dem Markt den Rücken gekehrt. Damals hatten noch 12,9 Millionen Menschen Aktien oder Aktienfonds gehalten. In dem langfristigen Rückgang wirken laut DAI die massiven Verluste nach, die viele Deutsche beim Zusammenbruch des Neuen Marktes nach der Jahrtausendwende und in Folge der Finanzkrise von 2008 erlitten hatten.

Doch auch in jüngster Zeit konnten Aktienanleger – trotz der guten Entwicklung des Gesamtmarkts – bei einzelnen Titeln tief ins Minus geraten. Einer aktuellen Studie zufolge ist Solarworld Deutschlands größter börsennotierter Kapitalvernichter. Wer vor fünf Jahren Aktien des Bonner Unternehmens kaufte, verlor 97 Prozent seines Kapitals, erläuterte Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Schlimmer traf es auf Sicht von fünf Jahren nur Anleger mit Aktien von Centrosolar oder IVG Immobilien – beide Firmen sind inzwischen insolvent. Fast ein Viertel der 50 Firmen mit der schlechtesten Kursentwicklung in den vergangenen Jahren komme aus dem Bereich der erneuerbaren Energien, erläuterte DSW-Vizepräsident Klaus Nieding: „Jede Branche, die so stark am Tropf des Regulierers hängt, ist eine ungesunde Branche.“ In den Jahren zuvor waren die Aktien von Solarfirmen kräftig gestiegen, weil staatliche Förderung die Umsätze sicherte.

Sortiert ist die Liste nach einem Punktesystem, das die Wertentwicklung über fünf Jahre, über drei Jahre und über ein Jahr zusammenfasst, wobei der Fünfjahreszeitraum am stärksten gewichtet wird. In der Rangliste der 50 größten deutschen Kapitalvernichter finden sich neben vielen kleineren Firmen wie 3W Power, dem Internet-Vermarkter Yoc oder Asian Bamboo auch fünf DAX-Konzerne: Die Commerzbank verschlechterte sich von Rang 20 im vergangenen Jahr auf Platz neun. Die Versorger RWE und E.on liegen auf Platz 13 und 21, der Düngemittelhersteller K+S auf Platz 14 und der Stahlriese ThyssenKrupp auf Platz 46. „Wir hatten noch nie so viele DAX-Werte auf der Liste“, sagte Tüngler.

Dabei entwickelten sich die Aktienkurse in den vergangenen Jahren eher erfreulich: Der DAX verdoppelte seinen Punktestand in den letzten fünf Jahren, der MDAX verdreifachte ihn sogar. Deshalb sei es schon ein Warnsignal für Aktionäre, wenn ein Unternehmen nun auf der DSW-Verlierer-Liste auftauche, sagte Tüngler. „Wer jetzt, trotz der gestiegenen Aktienkurse, noch auf der Liste steht, hat mehr als nur kleine operative Probleme.“