Bundesverband und Rebellen üben scharfe Kritik an Satzungsänderung. Gegen „Lex Melsheimer“

Hamburg. Die Auseinandersetzung um den neuen Handelskammer-Präses in Hamburg erreicht bundesweite Bedeutung. Harsche Kritik übt der Geschäftsführer des Bundesverbandes für freie Kammern, Kai Boeddinghaus, an dem Hamburger Beschluss, den bisherigen Präses Fritz Horst Melsheimer bei der Kammerwahl im Mai nochmals zu nominieren. Denn Melsheimer müsste dann zum dritten Mal gewählt werden, doch die Satzung der Kammer sieht bislang nur zwei Amtsperioden vor. Damit eine dritte Wahlperiode möglich wird, soll jetzt die Satzung geändert werden. „Dreister kann man den Wählerwillen nicht ignorieren und die einfachsten demokratischen Spielregeln missachten“, kritisiert Boeddinghaus.

Der Kampf um die Macht in der ehrwürdigen Institution spitzt sich zu. Das Bündnis „Die Kammer sind Wir!“ warnte am Freitag das amtierende Präsidium und die Hauptgeschäftsführung eindringlich vor einer Spaltung. „Mit der überhasteten Nominierung von Fritz Horst Melsheimer zum Präses droht der Handelskammer eine Spaltung. Das amtierende Präsidium würde mit einer Satzungsänderung eine 350-jährige, bewährte Tradition der einmaligen Wiederwahl eines Präses brechen. Es besteht kein Grund zu solcher Eile“, sagt Tobias Bergmann, Sprecher des Bündnisses.

„Wir sind überzeugt, dass wir unter den mehr als 160.000 Unternehmerinnen und Unternehmern einen Kandidaten finden, der bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen, und unsere Kammer und die Unternehmerschaft als Einheit repräsentieren kann. Das Bündnis möchte in die Kandidatenfindung einbezogen werden. Laut Satzung sind dafür zwölf Sitze im Plenum notwendig. „Über diese Anzahl verfügen wir“, so Bergmann, der trotz seiner Forderung auch mit leisen Tönen spricht.

„Uns ist an einer starker Handelskammer gelegen, die mit einer Stimme spricht“, sagt er. „Daher werden wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht auf Konfrontation gehen und einen Gegenkandidaten aufstellen. Wir hoffen auf die Einsicht des Präsidiums und der Hauptgeschäftsführung sowie auf deren Dialogbereitschaft bei der Suche nach einem neuen Präses.“ Zudem verlangt das Bündnis, dass die Kammer transparenter werden müsse. „Der Beschluss des Präsidiums zeigt, dass die konservativen Traditionalisten ihre Pfründe verteidigen. Der Handelskammer Hamburg, die Reformen dringend braucht, und der Hamburger Wirtschaft, die diese Reformen will, erweisen diese Kammer-Dinosaurier einen Bärendienst“, so Boeddinghaus.

Manager der Stadt, darunter auch der Hamburger Vorsitzende des Industrieverbandes und Regionalverantwortlicher von Siemens für Norddeutschland, Michael Westhagemann, sieht offenbar keine Probleme bei der Melsheimer-Nominierung. „Ich unterstütze und begrüße, dass gemeinsam ein Weg gefunden worden ist, dass die Handelskammer Hamburg in ruhigem Fahrwasser in ihre neue Legislaturperiode geführt werden kann“, sagte er am Freitag. Auch viele andere Hamburger Unternehmer, die das Abendblatt befragt hat, stimmen Westhagemanns Haltung zu – oder haben keine Meinung zu dem für die Wirtschaft wichtigen Thema.

Doch es gibt auch andere Ansichten. „Herr Melsheimer hat es in den letzten drei Jahren nicht geschafft, die Hamburger Wirtschaft hinter sich zu bringen. Im Gegensatz: In seiner Amtszeit ist die Wahlbeteiligung für das Plenum sogar noch gesunken. Dass er sich jetzt durch eine Satzungsänderung zur Wahl stellt, die zudem noch von einem abgewählten Plenum beschlossen werden soll, zeigt, dass er die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. Statt die Stimmen in der Hamburger Wirtschaft ernst zu nehmen und die Kammer transparenter und offener zu gestalten, klebt er an seinem Stuhl“, sagt der Unternehmer Kai Elmendorf, der Geschäftsführender Gesellschafter der Hafenarbeiter Werbeagentur ist.

Die Fronten prallen aufeinander. Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt–Trenz begrüßt die Entscheidung für Melsheimer, der hauptberuflich Vorstandsvorsitzender der Hamburger Versicherung HanseMerkur ist. „Er wurde vom Präsidium der Kammer einstimmig gewählt und leistete in den vergangenen zwei Legislaturperioden eine gute Arbeit“, sagt er. „Der Laie hat derzeit den Eindruck, in der Kammer bleibe kein Stein auf dem anderen. Aber das ist nicht so“, sagt Schmidt-Trenz mit Blick auf die Kammer-Rebellen.

Das Bündnis forderte ihn auf, sein Gehalt offenzulegen. Doch das lehnt Schmidt-Trenz ab. „Im Deutschen Industrie- und Handelstag wurde eine Regelung beschlossen, dass das Gehalt für einzelne Geschäftsführer nicht offengelegt werde“, sagt Schmidt-Trenz. Daran will er sich halten. Selbst nachdem die Grünen in der Bürgerschaft ihn bereits zur Offenlegung seiner Bezüge aufgefordert haben und dazu sogar einen entsprechenden Antrag in die Bürgerschaft eingebracht haben, lehnt der Hauptgeschäftsführer dies weiterhin ab.

Grüne streben Gesetz zur Offenlegung der Gehälter der Geschäftsführer an

In einem Brief an den Fraktionsvorsitzenden der Partei, der auch von Präses Melsheimer unterschrieben wurde, bat Schmidt-Trenz hingegen, dass der Abgeordnete Anjes Tjarks von den Grünen seinen Antrag an die Bürgerschaft unter der Überschrift „Transparenz für Handelskammer – Vorstandsgehälter offenlegen“ zurückziehen solle. Doch dies ist nicht geschehen. Im Gegenteil: Jens Kerstan, Vorsitzender der Bürgerschaftsfraktion Bündnis 90/Die Grünen erteilte ihm eine Absage: „Wir halten die Offenlegung der Gehälter des Hauptgeschäftsführers, die Befristung der entsprechenden Arbeitsverträge sowie die Offenlegung von Aufsichtsratsmandaten und deren Vergütungen für wichtige Bausteine für eine transparente Handelskammer, die wir gesetzlich verankert wissen wollen. Gerne unterstützen wir auch eine Bundesratsinitiative für eine entsprechende Bundesregelung“, so Kerstan.

Der Streit um die Offenlegung der Gehälter von Geschäftsführern der deutschen Industrie- und Handelskammern könnte mit dem Vorstoß der Grünen für ein neues Gesetz bundesweite Bedeutung erlangen. Schmidt-Trenz muss derzeit an mehrere Fronten kämpfen.