Zweiter Teil des Hamburger Schifffahrtsgipfels über die Zukunft der Werften, die Qualität des Hafenumschlags und den Ausbau der Infrastruktur

Hamburg. Schneller und präziser müssen Güter künftig in Hamburg umgeschlagen werden, sagt Hafenchef Jens Meier. Dazu brauche es moderne Straßen, Schienen, Kaikanten – die Infrastruktur war ein Schwerpunkt des zweiten Teils des Schifffahrtsgipfels.

Hamburger Abendblatt:

Herr Meier, Hamburgs Erfolg als maritimes Zentrum hängt von den Handelsverbindungen der Stadt nach außen hin ab, aber auch vom Zustand und der Stärke des Hafens selbst. Wird Hamburg ein maritimes Zentrum von Weltrang bleiben?

Jens Meier:

Ich hätte eine Fusion von Hapag-Lloyd und Hamburg Süd für Hamburg sehr begrüßt. Mit dieser Meinung stehe ich in der maritimen Wirtschaft nicht allein da. Als maritimes Zentrum hatte Hamburg Rückschläge und einen Strukturwandel zu verkraften. Die Werften in der Stadt stehen auch deshalb unter Druck, weil die Reedereien, die kleinere Zubringerschiffe betreiben, vor dem Hintergrund der Schifffahrtskrise derzeit viel weniger Geld für Reparaturen und Wartung ausgeben. Insgesamt verfügt Hamburg aber über ein starkes maritimes Netzwerk und sehr positive Perspektiven.

Herr Aly, Hamburg hat als Schiffbaustandort harte Zeiten hinter sich. Wie lange werden hier noch Schiffe gebaut?

Herbert Aly:

Als die jüngste Schiffbaukrise im Jahr 2008 begann, habe ich gesagt, dass von der deutschen Werftwirtschaft in den kommenden Jahren nur rund die Hälfte übrig bleiben wird. Ich fürchte, an diese Prognose sind wir in der Realität schon sehr nah herangekommen. Der deutsche Schiffbau hat sehr gute Perspektiven – aber eben nur in sehr kleinen Nischen.

Gunther Bonz:

Im Jahr 1978 gab es allein in Hamburg noch 40.000 Beschäftigte im Schiffbau, heutzutage nicht mal mehr ein Zwanzigstel davon. Das ist eine dramatische Entwicklung. Wenn den deutschen Werften nun auch noch die Flexibilität im Umgang mit Werkvertragsarbeitern genommen wird, dürften auch die verbliebenen Unternehmen in absehbarer Zeit verschwinden.

Woher rührt der wirtschaftliche Druck? Aus der Branche, auch aus Hochschulen im Norden, hört man ständig, Werften und die Zulieferer böten jungen Schiffbauingenieuren glänzende Perspektiven.

Aly:

Das ist auch so. Bei Schiffen und bei Komponenten mit besonders hohem Ingenieursanteil kann die Branche in Deutschland nach wie vor mithalten. Die deutschen Zulieferunternehmen sind ja teils weltweit erfolgreich. Aber alles, was mit einfachem Stahlbau zu tun hat, ist in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Arbeit hier ist einfach zu teuer, dagegen kann ich überhaupt nichts tun. Und sie wird gewiss nicht billiger, wenn jetzt über weitere Einschränkungen im Hinblick auf Beschäftigung über Werkverträge diskutiert wird. Die Verantwortlichen der IG Metall Küste hier im Norden wissen genau um unsere Zwänge. Aber die Entscheidungen werden in der Gewerkschaftszentrale in Frankfurt getroffen. Dort spielen die mittlerweile weniger als 20.000 Beschäftigten auf den deutschen Werften keine Rolle. Dort ist die Automobilindustrie das Maß der Dinge.

Halten Sie es für vertretbar, dass Leiharbeiter unter dem Dach von Werkverträgen mit miserablen Standards Superyachten und Kreuzfahrtschiffe zusammenschweißen, wie es am Beispiel der Meyer Werft 2013 publik wurde?

Aly:

Mir muss über die Bedingungen von Leih- und Werkvertragsarbeitern niemand etwas erzählen. Bei Blohm+Voss haben wir bereits Ende der 1990er-Jahre mit harten Einschnitten begonnen. Die Zahl der festen Mitarbeiter im Reparaturgeschäft ist seither von 1500 auf rund 400 gesunken. Als wir im vergangenen Jahr ein Spezialschiff für die Offshore-Ölwirtschaft umgebaut haben, waren wir mit teilweise bis zu 1800 Menschen an dem Auftrag beschäftigt, die weitaus meisten davon kamen von externen Unternehmen. Solch eine Flexibilität, die für unsere Werft überlebensnotwendig ist, erreicht man heutzutage nur noch durch Werkvertragsarbeit und Arbeitnehmerüberlassung. Und um es ganz klar zu sagen: Ein Subunternehmer, der gegen unsere Standards und generell gegen gesetzliche und arbeitsrechtliche Vorgaben verstößt, braucht sich bei uns nie mehr um einen Auftrag zu bewerben.

Blohm+Voss ist – ganz ähnlich wie Hapag-Lloyd – fast so etwas wie ein Hamburger Heiligtum, eine Referenz an die lange maritime Tradition der Stadt. Nachdem der Verkauf an Abu Dhabi Mar vor einigen Jahren gescheitert war, stieg 2012 der britische Finanzinvestor Star Capital Partners ein. Wieso hat man für Blohm + Voss nicht ebenso wie bei Hapag-Lloyd eine Hamburger Lösung organisiert, eine Neuordnung der Anteile unter Beteiligung der Stadt, die mithilft, die Existenz der letzten Hamburger Großwerft mitten in der Stadt abzusichern?

Aly:

Wir sind derzeit zum Glück nicht in der Lage, dass wir eine solche Hamburger Lösung bräuchten. Kämen wir aber je in eine solche Situation, dann kann man die Frage eines Engagements der Stadt oder lokaler Investoren nur ein einziges Mal aufwerfen. Danach ist solch ein Thema verbrannt. Das hat man etwa beim Germanischen Lloyd gesehen. Es gab 2006 eine wochenlange öffentlich ausgetragene Auseinandersetzung darum, ob das französische Unternehmen Bureau Veritas oder aber der TÜV Süd dieses für den Hamburger Schiffbau so wichtige Unternehmen übernimmt. Am Ende haben Hamburger Investoren aus der Familie Herz den GL übernommen. Als Det Norske Veritas dann im vergangenen Jahr mit dem Germanischen Lloyd fusionierte, hat das in der breiteren Öffentlichkeit kaum noch jemanden interessiert.

Herr Meier, die Wirtschaftsbehörde hat kurz vor Weihnachten ihre mittelfristige Prognose für den Containerumschlag deutlich zurückgenommen. Auf Steinwerder, wo zunächst ein weiteres Großterminal geplant war, soll die Hafenbehörde nun einen Anleger für Kreuzfahrtschiffe errichten – der aber bei Weitem nicht dieselbe Wertschöpfung erbringen wird wie ein Güterterminal.

Meier:

Der Hamburger Hafen hat den enormen Vorteil, dass er enger als alle anderen europäischen Überseehäfen vor allem auch per Bahn an die osteuropäischen Wachstumsmärkte angebunden ist. Was das Mengenwachstum betrifft: Es geht für Hamburg in Zukunft nicht vordringlich darum, immer größere Mengen umzuschlagen. Die vorhandenen Mengen müssen schneller und präziser bewegt werden, zur Zufriedenheit der Kunden. In dieser Hinsicht ist Hamburg allen Häfen in der Nordseeregion mindestens ebenbürtig.

Ottmar Gast:

Das stimmt. Hamburg gilt als teuer, aber gut in der Abfertigung. Bonz: Wir brauchen in Hamburg vor allem eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur, Straßen, Schienen, Brücken, Kaikanten, Wasserwege. Auf die Hamburg Port Authority wird das große Thema der Infrastrukturfinanzierung noch stärker als in der Vergangenheit zukommen. Was kann Hamburg als national wichtigster Seehafen in den kommenden Jahren eigentlich noch leisten, wenn die Investitionen in die Infrastruktur nicht massiv erhöht werden? In Häfen wie Rotterdam oder Le Havre werden solche Investitionen auf der Ebene der Nationalstaaten finanziert. Bei uns sollen das die Stadt und die HPA leisten. Die lange geplante Hafenquerspange, die Verbindung zwischen den Autobahnen 1 und 7, liegt in der Verantwortung der HPA, weil die Strecke durch den Hafen führt. Das ist absurd. Aly: Bei der HPA liegen ja viele Zuständigkeiten, über deren Finanzierung öfter gestritten wird. Die Sanierung und Instandhaltung des Alten Elbtunnels zum Beispiel ist eine sehr teure Angelegenheit. Aber für uns bei Blohm + Voss ist der Tunnel schon allein für den Arbeitsweg vieler unserer Mitarbeiter unverzichtbar. Vielleicht sollten wir mal über eine Art Touristenmaut für die Benutzung des Tunnels nachdenken.

Herr Bonz, in Rotterdam eröffnen in diesem und im nächsten Jahr zwei hochmoderne Containerterminals. Angesichts der Überkapazitäten, die es an der Nordsee gibt: Wird das den Hamburger Hafen schwächen?

Bonz:

Man kann nicht pauschal sagen, dass es an der Nordrange Überkapazitäten bei den Terminals gibt. Mancherorts gibt es sie, andere Terminals sind voll ausgelastet. Ich erwarte durch die neuen Rotterdamer Terminals für Hamburg zunächst keine negativen Auswirkungen. Viel wichtiger ist, dass unsere Infrastruktur in Schuss gehalten wird, und dass die Vertiefung und Verbreiterung der Elbfahrrinne endlich umgesetzt werden kann. Wir müssen als Hamburger Hafen unsere Hausaufgaben machen und eine nationale Finanzierung für die Infrastruktur sichern. Der Hamburger Hafen ist der wichtigste Seehafen unseres Landes.

Michael Behrendt:

Es gibt sicherlich interne Querelen im Hamburger Hafen. Aber das hält die internationalen Reedereien nicht fern. Ich sehe das ja auch aus der Sicht der Terminalbetreiber. Hapag-Lloyd ist mit 25 Prozent am HHLA-Containerterminal Altenwerder beteiligt. Hapag-Lloyd und die Schifffahrtsallianz G6 stehen für 50 Prozent des Hamburger Hafenumschlags, sie sichern gut 20.000 Arbeitsplätze in der Stadt. Das übrigens war auch der Hauptgrund, warum sich die Stadt und Hamburger Investoren so vehement für die Sicherung unserer Reederei in Hamburg eingesetzt haben.

Herr Meier, im Hafen gibt es etliche Baustellen. Wie lange wird die Köhlbrandbrücke, ein Wahrzeichen unserer Stadt, noch genutzt werden können?

Meier:

Die Köhlbrandbrücke wird uns noch eine ganze Zeit lang erhalten bleiben, sicher bis zum Jahr 2025. Wir gehen ein Projekt nach dem nächsten an. Wenn die Retheklappbrücke und die Kattwykbrücke fertig gebaut beziehungsweise saniert sind, werden wir uns um die Köhlbrandbrücke kümmern, wohl nicht vor 2018.

Bonz:

Von April an wird die Köhlbrandbrücke für ein halbes Jahr lang in jede Richtung nur einspurig befahrbar sein. Um das Bauwerk funktionstüchtig zu halten, muss es immer wieder saniert werden. Die Frage ist, wie lange sich das noch lohnt und wann man einen Neubau zwingend angehen müsste.

Meier:

Wir haben die Köhlbrandbrücke kürzlich durch Anhebungen an bestimmten Punkten gewogen, um ihren Zustand besser beurteilen zu können – vor allem in Hinblick auf ihre Nutzungsdauer und Tragfähigkeit. Wir sind mit den Ergebnissen zufrieden, denn sie haben unsere Annahmen bestätigt. Das ist durchaus eine gute Nachricht.

Herr Mirow, wie ist es um die Lebenserwartung der HSH Nordbank bestellt?

Mirow:

Vorstand, Aufsichtsrat und Anteilseigner tun gegenwärtig alles dafür, die HSH Nordbank wieder auf dauerhaft sicheren Boden zu führen. Die Stabilität der HSH Nordbank hat einen sehr großen Einfluss auf den maritimen Standort Hamburg und den gesamten Norden. Dabei denke ich nicht nur an den Bereich Schiffsfinanzierung, mit dem ja andere hochwertige Dienstleistungen unmittelbar verbunden sind. Ebenso geht es um die starke Position der HSH Nordbank im Firmenkundengeschäft, in der Immobilienfinanzierung oder bei erneuerbaren Energien.

Das klingt so, als ob für die HSH Nordbank jetzt viel auf dem Spiel steht.

Mirow:

Ich glaube, dass 2014 ein entscheidendes und wegweisendes Jahr für die HSH Nordbank wird, weil vieles zusammenkommt. Etwa der Übergang zur europäischen Bankenaufsicht, aber auch die Verzögerungen bei der Gesundung des Schiffsmarkts.