Vor allem die Kirche steht nach der Pleite des zweitgrößten deutschen Buchverlages in der Kritik. Münchner Kardinal Marx weist Vorwürfe im Zusammenhang mit der „Weltbild“-Insolvenz zurück.

Augsburg/München. Nach der Insolvenz des katholischen Weltbild-Verlags hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) die katholische Kirche in die Pflicht genommen. „Auch die Kirche steht hier in Verantwortung, wenn es um die Zukunft dieser Beschäftigten geht“, sagte Seehofer am Sonnabend dem Bayerischen Rundfunk am Rande eines CSU-Empfangs in Augsburg. Allein am dortigen Weltbild-Firmensitz sind 2200 Menschen von der Weltbild-Pleite betroffen. Seehofer sagte, seine Regierung werde sich „natürlich“ für die Interessen der Beschäftigten einsetzen. Allerdings finanziere und unterstütze der Staat die Zukunft, nicht die Vergangenheit. „Von Bürgschaften bis Überbrückungen ist alles möglich, aber es müssen Konzepte dahinterstehen.“ Da sei auch die Hilfe der Kirche nötig.

Gegenüber den insgesamt mehr als 6000 Beschäftigten sei die Entscheidung der katholischen Bischöfe, den Geldhahn zuzudrehen, ein riesiger Skandal, sagte der Augsburger Ver.di-Sprecher Thomas Gürlebeck. Die Laienbewegung „Wir sind Kirche“ forderte eine vollständige Transparenz der kirchlichen Entscheidungen. Offenbar hätten interne Differenzen zwischen den kirchlichen Gesellschaftern eine entscheidende Rolle gespielt, warum die vorliegenden Sanierungskonzepte nicht konsequent umgesetzt oder weiterentwickelt worden seien.

Augsburger OB hat noch Hoffnung

Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) sieht noch Chancen für eine Rettung der Verlagsgruppe, die zwölf katholischen Diözesen in Deutschland, dem Verband der Diözesen Deutschlands sowie der katholischen Soldatenseelsorge in Berlin gehört. Gribl berief sich dabei auf die Ergebnisse eines runden Tisches, zu dem er am Sonnabend geladen hatte. Nach dem knapp zweieinhalbstündigen Gespräch sagte er, man gehe derzeit von einer positiven Prognose für eine Fortführung des Unternehmens aus. Dieser Optimismus stütze sich auch darauf, dass ja ein ausgearbeitetes Konsolidierungskonzept vorgelegen habe und dieses auch mit den Banken abgestimmt gewesen sei. „Und plötzlich zieht die Kirche den Stecker, das kann keiner nachvollziehen in Augsburg“, sagte Timm Bossmann, einer der Ver.di-Vertrauensleute bei Weltbild. Man dürfe nicht vergessen, dass die Kirche in den vergangenen 20 Jahren extrem gut am Weltbild-Verlag verdient habe.

Die Gewerkschaft vermutet, dass eher kirchenpolitische statt wirtschaftliche Gründe den Ausschlag für den Insolvenz-Antrag am Freitag gegeben haben. Von den angeblich bis zu 160 Millionen Euro, die laut Aufsichtsrat in den kommenden drei Jahren für die Sanierung nötig sein sollten, sei bisher niemals die Rede gewesen.

Münchner Kardinal weist Vorwürfe zurück

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx weist im Zusammenhang mit der Pleite des zweitgrößten deutschen Buchhändlers derweil Vorwürfe gegen die Kirche zurück. „Wir konnten es als Gesellschafter nicht verantworten, auf absehbare Zeit dreistellige Millionensummen aus Kirchensteuermitteln zu investieren“, sagte Marx am Sonntag der „Süddeutschen Zeitung“ (Online). Die Kirche werde die um ihre Arbeitsplätze bangenden Beschäftigten aber nicht im Stich lassen. „Wir sind kein skrupelloser Unternehmer, der die Mitarbeiter einfach davonjagt.“

Der Münchner Erzbischof verteidigte die Entscheidung der Gesellschafter, über die bereits zugesagten 65 Millionen Euro hinaus keine weiteren Millionen zur Sanierung der Verlagsgruppe bereitzustellen. „Wir sind überrascht worden von dem Kapitalbedarf, den uns die Geschäftsführung vergangene Woche nannte.“ Dieser sei mehr als doppelt so hoch gewesen als bisher bekannt und hätte von den Gesellschaftern kurzfristig aufgebracht werden müssen. Zudem seien die weiteren Geschäftsprognosen „vage und Folgekosten nicht absehbar“. Die Kirche habe nicht nur Verantwortung für die Weltbild-Mitarbeiter, sondern auch für die Kirchensteuerzahler.

Der Kardinal stellte den Angestellten der Verlagsgruppe umfangreiche Hilfen seitens der Bistümer in Aussicht. Er könne sich ein Engagement in dem Umfang der zunächst für eine Sanierung zugesagten Mittel vorstellen, erklärte Marx. „Aber zunächst muss sich der Insolvenzverwalter einen Überblick verschaffen und den tatsächlichen Bedarf ermitteln.“

Der Kardinal nahm auch Stellung zur Kritik der Gewerkschaft ver.di. Diese hatte den Gesellschaftern vorgehalten, jahrelang mit Weltbild gut verdient zu haben und das Unternehmen jetzt „zum Teufel zu jagen“. Marx: „Wir haben in den letzten Jahren jeden Euro Gewinn in das Unternehmen reinvestiert, zudem haben die Gesellschafter immer wieder zusätzlich Geld zur Verfügung gestellt.“ Es sei richtig gewesen, am kirchlichen Engagement bei Weltbild so lange festzuhalten. „Wir wollten nicht zu früh aufgeben.“

Bischöfe könnten keine Unternehmer sein, sagte Marx. „Deshalb wollten wir ja auch zügig mit einer Stiftung eine neue Gesellschafterstruktur schaffen und professionelle Medienexperten von außen als unabhängige operativ Verantwortliche verpflichten.“ Dazu sei es aber leider nicht mehr gekommen.