Preischeck: Abendblatt prüfte insgesamt 46 Produkte bei sechs verschiedenen Anbietern

Hamburg. „Neu“ steht auf dem Schild über dem Regal in der Aldi-Filiale am Erdkampsweg. Darunter stapeln sich Packungen mit Mon Chérie. Deutschlands größter Discounter hat seine Produktpalette erweitert. Die alkoholhaltige Schokoladenpraline mit der Kirsche gehört zum Süßwarenhersteller Ferrero, dessen Artikel seit rund anderthalb Jahren bei Aldi Nord verkauft werden. „Markenprodukte werden immer wichtiger, der Kunde möchte sie im Geschäft vorfinden“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Setzte Aldi lange ausschließlich auf Eigenmarken, sorgten schrumpfende Marktanteile in den vergangenen Jahren für ein Umdenken.

„Bei Aldi soll man alles bekommen, was man im Alltag braucht“, sagt Matthias Queck, Handelsexperte bei der Marktforschungsgesellschaft Planet Retail. Milchschnitte und Nutella aus dem Ferrero-Haus sind nun ebenso gelistet wie Nivea aus dem Hamburger Beiersdorf-Konzern und ein der wertvollsten Marken der Welt: Coca-Cola. „Weil nach meinen Informationen bei Aldi seit Jahren der Umsatz pro Artikel rückläufig ist, will das Unternehmen mit den Markenprodukten die Erlöse steigern“, sagt Wirtschaftsprofessor Thomas Roeb, Handelsexperte an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Bonn. Aber sind die Markenartikel beim Discounter auch wirklich günstiger?

So testete das Abendblatt

Das Abendblatt wollte es genau wissen und ermittelte am vergangenen Dienstag in einer nicht repräsentativen Stichprobe bei vier Discountern und zwei Supermärkten im Bezirk Nord die Preise für 38 Produkte. Bei Grundnahrungsmitteln wie Butter, Milch, Spaghetti und Zucker wurden jeweils die günstigsten Produkte ausgewählt. Weil die angebotenen Packungsgrößen variieren, wurden die Preise teilweise umgerechnet, damit sie vergleichbar sind. Angebote wurden berücksichtigt. Im Fokus standen diesmal besonders die Markenprodukte, die alle sechs Unternehmen in ihren Filialen anbieten. Wie bereits bei einem ersten Test im Februar 2012 wurden zudem noch die Preise für weitere Markenprodukte notiert, die Aldi nicht im Angebot hat.

Insgesamt war der Einkauf bei Rewe wie auch im ersten Preischeck am teuersten. Mit 86,41 Euro (siehe Grafik) zahlen Kunden rund 17 Prozent mehr für die insgesamt 46 Produkte im Fünfer-Vergleich als beim Testsieger Lidl. Milka-Schokolade, Philadelphia-Frischkäse und Langnese-Honig – überall schlägt der Kölner Konzern im Vergleich mit der Konkurrenz ein paar Cent drauf. Der Kühne Rotkohl ist sogar satte 25 Prozent teurer als bei den Wettbewerbern. Im Sechser-Vergleich ist Aldi mit 61,50 Euro für 38 Produkte elf Cent günstiger als Lidl. Die vier Discounter liegen auf den ersten vier Plätzen und verteidigen ihr Image als günstige Anbieter – obwohl sie laut einer aktuellen Studie der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung ihre Preise in den vergangenen Monaten etwa doppelt so stark erhöht haben wie die größeren Vollsortimenter. Im Test bildet Rewe mit einem Aufschlag von 20 Prozent erneut das Schlusslicht, ist aber bei Möhren und Kaffee am günstigsten. Edeka-Kunden zahlen rund zwölf Prozent mehr als beim Testsieger. Das Hamburger Unternehmen schafft es aber durch die Angebote der Woche bei losen Äpfeln, Kiwis, Coca-Cola, Haribo Goldbären und Nutella als günstigster durchs Ziel zu gehen.

Discounter steigern Marktanteil

Die auch von Aldi gelisteten Markenartikel kosten bei allen vier Discountern fast immer gleich viel Geld. „Aldi hat den Ball flach gehalten und bestehende Marktpreise nicht unterboten“, sagt Queck. Durch die neuen Markenprodukte, die Modernisierung des Filialnetzes und insgesamt gestiegene Preise konnte der Discount-Primus seinen Umsatz im vergangenen Jahr immerhin wieder steigern. Laut den Marktforschern von Nielsen TradeDimensions kletterte der Umsatz um 2,2 Prozent, der Marktanteil der Discounter stieg nach Verlusten um 0,7 Prozentpunkte auf 37,4 Prozent im 237 Milliarden Euro schweren deutschen Lebensmittelmarkt. „Meines Erachtens hätten Umsatz und Marktanteile noch weiter steigen müssen, weil durch die konzeptionellen Veränderungen Aldi Nord deutlich mehr Produkte im Programm hat“, sagt Roeb.

Bei Penny sind Mars und Snickers in dieser Woche wegen Sonderangeboten günstiger als bei der Konkurrenz. Aldi liegt mit dem regulären Preis nur knapp dahinter, bietet aber nur deutlich größere Packungen an. Edeka geht viele Preise mit den Discountern mit, verlangt aber für Rocher und Küsschen von Ferrero oder Deo-Roller und Creme von Nivea ein wenig mehr, Rewe schlägt häufiger etwas drauf. Dass die Preise durch den Verkauf bei Aldi sinken, dürften die Kunden nicht erwarten, sagt Roeb: „Die Hersteller der Markenartikel sorgen dafür, dass ihre Produkte nicht verramscht werden. Und auch die Discounter haben an sehr geringen Preisen kein Interesse, weil dadurch ihr Gewinn schmilzt.“ Discount-Primus Aldi punktet beim Testeinkauf vor allem bei Obst und Gemüse. Bio-Kartoffeln, Kiwis, Orangen, Rispentomaten, Möhren und Basilikum sind bei keinem Konkurrenten günstiger. Allerdings seien Preise bei Obst und Gemüse schwierig zu vergleichen, sagt Roeb, „weil es unterschiedliche Qualitätsklassen und Sorten gibt und auch das Herkunftsland für den Preis entscheidend ist.“

Butter und Milch wurden teurer

Im Vergleich zum ersten Preischeck aus dem Februar 2012 haben die Preise bei vielen Produkten stark angezogen. Der Liter H-Milch kostet mit nun 65 Cent rund 14 Prozent mehr als vor 20 Monaten. Hackfleisch wurde im Schnitt 15 Prozent teurer. Die Preise für Eier kletterten durchschnittlich um 18 Prozent. Mit 1,29 Euro kostet das Pfund Butter satte 30 Prozent mehr. Vergleicht man die durchschnittlichen Kilogramm-Preise aller sechs Geschäfte haben sich die Preise für Orangen ( plus 91 Prozent) und Bio-Kartoffeln (plus 84 Prozent) sogar fast verdoppelt – allerdings hängt das auch mit einem Jahreszeiteneffekt zusammen.

„Als Saisonware kann man die Preise nicht direkt vergleichen“, sagt Verbraucherschützer Valet, „generell sind Obst und Gemüse aber sicher Preistreiber.“ Laut Statistischem Bundesamt wurden Lebensmittel im September im Vergleich zum Vorjahresmonat um 4,7 Prozent teurer. Insgesamt lag die Inflationsrate nur bei 1,4 Prozent. Für Kartoffeln ermittelten die Statistiker in dem Monat sogar einen Preisanstieg von 30 Prozent, Tomaten kosteten hingegen 17 Prozent weniger. Im 20-Monats-Zeitraum sanken die Preise für Rispentomaten laut Abendblatt-Test sogar um 43 Prozent, roter Paprika um 40 Prozent, und Gurken wurden 60 Prozent günstiger.

Der Trick mit der Packungsgröße

Innerhalb der 20 Monate sind Gummibären von Haribo um elf Prozent teurer geworden – gemerkt haben es aber vermutlich nur sehr aufmerksame Kunden. Die Discounter bieten jetzt mit 360 Gramm sogenannte „Maxipackungen“ an. Vorher waren es 60 Gramm weniger, die Tüte kostete aber auch nur 99 Cent. Nun möchten Aldi und Co. 1,19 Euro aus dem Portemonnaie der Kunden locken. „Größere Packungen sind eine Möglichkeit, um eine Preisschwelle zu überwinden“, sagt Valet. Die Grenze von einem Euro sei gefallen, nun könnten die Preise weiter steigen oder die Füllmenge könnte künftig wieder sinken, spielt der Verbraucherschützer die für die Firmen wichtigen Optionen durch. Genau wie Roeb rät er, auf den Preis pro Kilogramm oder Liter zu achten, der auf jedem Schild angegeben werden muss. Auch eine Angabe wie „Netz Orangen“ ohne Gewichtsangabe sei nicht zulässig – im Abendblatt-Test kam dies einmal vor, der Preis für Hackfleisch und ein Glas Nutella waren jeweils in einem Geschäft überhaupt nicht ausgezeichnet.

Wie Kunden richtig einkaufen

Valet gibt Kunden vier Tipps mit auf den Weg zum Lebensmitteleinkauf: „Verbraucher sollten auf ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis achten.“ Dazu zählt neben der Qualität beispielsweise auch die artgerechte Haltung des Tieres oder soziale Standards in der Firma des Herstellers. Zweitens könne Obst und Gemüse auf Wochenmärkten durch Selbstvermarkter sogar günstiger angeboten werden als beim Discounter oder im Supermarkt. Drittens sollte man die Grundpreise (also pro Kilogramm oder Liter) beachten: „Wenn ,neu‘ oder ,mehr drin‘ auf der Packung steht, deutet das auf Preissteigerungen hin“, sagt Valet. Und wer zu Produkten namhafter Hersteller greifen will, ist bei den Discountern meist besser aufgehoben, sagt Valet: „Markenprodukte sind dort in der Regel günstiger. Wer sie günstig im Supermarkt kaufen will, muss auf die Sonderangebote achten.“ Die gibt es allerdings auch bei vielen Discountern. So kostet die Packung Mon Chérie seit Donnerstag bis zum heutigen Sonnabend bei Netto nur noch 2,22 Euro – 23 Prozent weniger als bei der Konkurrenz.