Hamburger Stifter fördert Geschäftsideen von Menschen in Afrika und Asien. Mikrodarlehen sind aber umstritten

Hamburg. Es war während eines Sabbatjahrs, als der Hamburger Gerhard Bissinger eine für sein Leben sehr wichtige Erfahrung machte: In Guatemala unterrichtete er Kinder in Englisch – und sah, dass man in Entwicklungsländern „mit wenig Geld sehr viel bewegen kann“. Zurück in Hamburg, schloss er sich ehrenamtlich der Mikrofinanzorganisation Oikocredit an. Seit 2006 gehört Bissinger dem Vorstand des Förderkreises Norddeutschland an und lernte dort die Möglichkeiten der Hilfe durch Kleinstkredite kennen.

Als Bissinger, der fast 30 Jahre im Management von Unilever gearbeitet hatte, 2009 aus dem Lebensmittelkonzern ausschied, erfüllte er sich seinen Traum: Mit dem Abfindungsbetrag gründete der 57 Jahre alte Diplomkaufmann die Social Business Stiftung. Ihr Ziel: Menschen helfen, sich unabhängig von Spenden selbst zu helfen – in Sierra Leone, Indien, Kenia, Liberia, Kolumbien und Kamerun. Eines der Projekte der Stiftung mit einem Vermögen von rund 80.000 Euro ist die Adakavi Bank in Sierra Leone, einem der ärmsten Länder der Erde. Gründer des Mikrofinanzinstituts ist der 27 Jahre alte Mohamed Salia. Er will das westafrikanische Land nach dem ein Jahrzehnt dauernden Bürgerkrieg aufbauen.

Mit dem Geld aus Deutschland vergab Salia anfänglich 100 Kredite von je umgerechnet 50 Euro, fast ausschließlich an Frauen. Die einzige Voraussetzung: Sie mussten eine Geschäftsidee vorweisen. In der Regel eröffnen sie ein kleines Handelsgeschäft. Das Leben dieser Frauen, häufig Bürgerkriegswitwen, habe sich spürbar verbessert, sagt Bissinger. Zwar sind die Darlehenszinsen mit rund 25 Prozent verglichen mit bundesdeutschen Verhältnissen sehr hoch. In Ländern wie Sierra Leone seien aber auch reguläre Bankkredite teurer als in Deutschland – und vor allem hätten die Frauen einen solchen Kredit gar nicht erhalten. Auch wenn 80 bis 85 Prozent der Darlehen zurückgezahlt würden, arbeite die Adakavi Bank noch nicht kostendeckend. Bissinger erklärt das mit dem hohen Aufwand, denn die Zinsen werden in wöchentlichen Raten direkt vor Ort bei den Kreditnehmern eingesammelt. Sonst verliere man den Kontakt zu den Kunden.

Inzwischen hat Bissinger einen Großteil seines Stiftungsvermögens bei Oikocredit angelegt und erhält eine Dividende von zwei Prozent. Auf diese Weise könne er nicht nur mit den Erträgen aus dem Vermögen Projekte fördern, sondern das gesamte Kapital werde verwendet. Oikocredit wurde 1975 auf Initiative des Ökumenischen Rates der Kirchen mit dem Ziel gegründet, kirchliche Rücklagen für die Entwicklungshilfe einzusetzen. 80 Prozent des von 28.000 Anlegern, davon 20.000 in Deutschland, eingesammelten Geldes fließt in Mikrofinanzinstitute, der Rest wird in landwirtschaftliche Projekte und in Fairen Handel investiert.

Auch Heike Eggers sieht in „Social Business“ eine Vision für eine Zukunft mit weniger Armut. Und sie erzählt dafür die Geschichte der „Karawane der Gesundheit“ in Togo – eine mobile Praxis, die zu den Ärmsten des afrikanischen Landes geht, dorthin, wo es keine Krankenhäuser gibt. Für einen Jahresbeitrag von umgerechnet wenigen Euro können Menschen Medikamente günstig einkaufen. „Das alles finanziert sich selbst, weil mittlerweile so viele Mitglieder Teil der Karawane sind“, sagt Eggers in ihrem Vortrag im interkulturellen Zentrum Werkstatt 3 in Ottensen. Eggers ist Geschäftsführerin der Genossenschaft African Social Business Pure. Und Eggers sitzt dem Beirat von Bissingers Stiftung vor.

Wer sozial wirtschaftet, schaue nicht nur auf Profite, sagt sie. Mikrokredite, auch nur in Höhe von 15 bis 150 Euro, seien wichtig, um ein Unternehmen anzuschieben. Viele Afrikaner hielten die klassische Entwicklungshilfe für gescheitert. Eggers beruft sich in ihrem Vortrag viel auf die Ideen von Muhammad Yunus. Für seine Grameen Bank erhielt er den Friedensnobelpreis. Sie vergibt Mikrokredite an mittellose Firmengründer. Doch mittlerweile steht Yunus in der Kritik. Studien sahen zuletzt keine armutslindernde Wirkung von Minikrediten. Viele Arme gründen mit dem Geld keine Firmen – sie brauchen es für ihr tägliches Überleben.

Auch in der Werkstatt 3 kam Kritik am „Social Business“ auf. Schon lange gelte Hilfe zur Selbsthilfe als Leitbild der Entwicklungspolitik – es gehe längst nicht mehr um das reine Spenden. Zudem sehen Kritiker des Konzepts darin vor allem eine geschickte PR-Strategie, um Investoren und Kunden mit dem Label „social“ anzulocken.