Bei der Internationalen Automobilausstellung IAA setzen mehrere Hersteller auf E-Fahrzeuge. BMW plant die Branchenrevolution bis ins Detail.

Berlin. Diesen Vertrag hat er sich selbst vorlegen lassen. Klaus Ahrweiler ist ein erfahrener Vertriebsexperte, er hat beim Münchener Autobauer BMW schon viel erlebt. Und trotzdem glaubte er es kaum, als ihm berichtet wurde, dass ein Kunde den neuen Elektroflitzer i3 verbindlich noch vor dem Marktstart bestellte – ohne eine Probefahrt und ohne das Auto live gesehen zu haben. Es sollten noch weitere Kunden folgen, die Kaufverträge unterzeichneten. „Das Interesse übertrifft unsere eigenen Erwartungen“, sagt Ahrweiler zur Nachfrage nach dem Elektroflitzer.

Das Projekt von Ahrweiler steht unter strenger Beobachtung der gesamten Branche. Der i3 ist der bislang ambitionierteste Versuch eines deutschen Herstellers, das Elektroauto salonfähig zu machen. Doch andere Hersteller werden folgen: Volkswagen etwa kommt mit dem E-Up und dem E-Golf auf den Markt. Bis Ende 2014 werden insgesamt 16 neue Elektro-Modelle aus deutscher Produktion bei den Händlern stehen. Viele der Autos werden schon auf der Internationalen Automobil-Ausstellung zu sehen sein, die am 12. September offiziell beginnt.

Das Interesse an den Elektroautos ist groß. Doch bislang scheinen die Wagen eher etwas für eine kleine Schicht gut verdienender Innovatoren zu sein. Die Reichweite ist geringer als bei Autos mit Verbrennungsmotor. Gleichzeitig sind die Wagen wegen der Batterietechnologie vergleichsweise teuer: Der i3 kostet in der Einstiegsvariante knapp 35.000 Euro. Der E-Up von VW soll für rund 27.000 Euro zu haben sein. Opel drückte den Preis für den Ampera nun um 7600 Euro auf 38.300 Euro, um wettbewerbsfähig zu sein. „Im Moment ist Elektromobilität etwas für Zweit- und Drittwagenbesitzer, die Geld haben und eine Garage mit Stromanschluss“, so Autoexperte Stefan Bratzel.

Es ist die Aufgabe von Ahrweiler, den i3 trotz dieser Bedenken zu einem Erfolgsmodell zu machen. Und das auch in der breiten Masse an Autofahrern. Der Mann leitet das Projektteam, das sich auf den Marktstart des i3 vorbereitet. Waren die wichtigsten Mitarbeiter im i3-Projekt bislang noch Ingenieure, haben nun Kaufleute und Marketingexperten übernommen. Zum Team von Ahrweiler gehören etwas mehr als 25 Leute. Ihr Ziel: Der Marktstart im November soll gelingen.

Für BMW geht es hier um sehr viel. Mit viel Pomp hatte der Autohersteller im Juli das Auto in einer Show in drei Städten präsentiert. Wie bedeutend das Auto für das Unternehmen ist, zeigt der Auftritt auf der IAA in Frankfurt. Dort wird eine große Fahrbahn in Achterform den Stand umspannen. Auf der 300 Meter langen Strecken können Besucher dann das neue i3-Elektrofahrzeug fahren. Das Symbol: BMW setzt entschlossen auf die Elektromobilität.

Die BMW-Manager erhalten deutliche Signale, dass der Marktstart zum Erfolg werden könnte. Mehr als 100.000 Menschen ließen sich weltweit schon für eine Probefahrt mit dem neuen Wagen registrieren. Die Interessenten werden nun von den Händlern abtelefoniert, um fixe Termine auszumachen. Gleichzeitig werden die Kunden angerufen, die sich ein Fahrzeug haben reservieren lassen. Und das sollen einige sein, sagt Ahrweiler. „Wir sammeln derzeit viele Reservierungen ein.“

Die Kunden werden dabei kaum mitbekommen, dass BMW das bisherige Vertriebsmodell auf den Kopf stellt. Die Münchner nehmen sich ein Beispiel am US-Elektropionier Tesla, der seine Autos auf eigenes Risiko und ganz ohne Zwischenhändler verkauft. BMW macht das ähnlich. Die 47 Händler, die in Deutschland den i3 führen werden, sollen nur noch die Rolle von „Verkaufsagenten“ haben. Das heißt: Sie kaufen und verkaufen die Elektrofahrzeuge nicht selbst sondern vermitteln nur das Geschäft, das dann direkt zwischen Kunde und BMW geschlossen wird. Im Gegenzug erhalten Sie eine Provision.

Bei BMW geht man davon aus, dass viele Kunden zunächst einmal den Autohersteller direkt kontaktieren werden, bevor sie sich zu einer Probefahrt bei einem der Händler anmelden. „Die Kunden, die wir vor allem im Blick haben, sind für Innovationen offen, und gut mit sozialen Medien vertraut“, sagt Ahrweiler. „Für die ist es naheliegend, sich mit uns über das Internet in Verbindung zu setzen.“

Der Autobauer hat bereits ein Call Center eingerichtet, in dem Mitarbeiter interessierte Kunden über die Fahrzeuge informieren und Probefahrten vermitteln. Je mehr die BMW-Mitarbeiter selbst machen, damit ein Geschäft zustande kommt, desto geringer ist die Provision, die Verkaufsagenten am Ende bekommen. „Die Provision variiert je nachdem über welche Vertriebskanäle sich der Kunde mit uns in Verbindung setzt“, sagt Ahrweiler. Die Händler seien aber immer „im Boot“.

Um das Vertrauen der Deutschen in das reine Elektroauto zu schaffen, braucht es eine Infrastruktur an Stromtankstellen. Derzeit soll es rund 4500 Ladesäulen in Deutschland geben. BMW trägt dazu bei, weitere zu errichten. So baut BMW mit Partnern an der A9 zwischen München und Berlin Stromtankstellen auf sowie vor den Werkstoren.

Es braucht auch ein Netz an Werkstätten, die sich im Schadensfall um die Elektrowagen kümmern. Demnächst werden Schulungen für die autorisierten Werkstätten anlaufen, die im ganzen Land verteilt sind. Die werden das Stromsystem reparieren können. Sollte es einmal zu einem Schaden an der Karbonhülle kommen, wird es komplizierter. Dann werden die Fahrzeuge zu einer von vier Werkstätten in Deutschland gebracht, die diese Schäden ausbessern können.

Ob der BMW i3 also zum Erfolg wird? Die Manager geben sich optimistisch. Vom IAA-Auftritt erwartet sich Ahrweiler einen „Riesenknall“, also noch viel mehr Nachfragen im Call Center und über den Internetauftritt nach Probefahrten. Schon jetzt ist die Nachfrage nach den Elektrofahrzeugen so groß, dass es schwierig werden dürfte, sich im November einen Wagen zu bestellen, der dann unterm Weihnachtsbaum stehen wird. Ahrweiler und seine Mitarbeiter dürften das zu spüren kriegen: Gerne nämlich würden sie selbst den i3 als Dienstfahrzeug fahren. Doch auch sie müssen sich hinten anstellen. Zuerst werden nämlich die Kunden bedient, dann die BMW-Mitarbeiter.