Der Hamburger Senat erwägt, seine Vorhersagen zurückzuschrauben. Bauvorhaben stehen somit auf der Kippe

Hamburg. Hafenplaner haben es schwer. Sie müssen über Jahre, manchmal Jahrzehnte hinaus voraussagen, ob sich der Bau neuer Hafenbecken lohnt – oder ob künftig deutlich weniger Schiffe ankommen, sodass man bis dahin einige Becken schon wieder zuschütten kann, um Wohnungen darauf zu bauen. Für ihre Prognosen verlassen sich Hafenentwickler nicht auf den Blick in die Glaskugel, sondern lassen fundierte Gutachten von anerkannten Fachleuten erstellen. Und manchmal müssen sie daraufhin ihre Erwartungen an das Umschlagspotenzial zurückschrauben.

Dieser Zeitpunkt ist jetzt gekommen. Zumindest denkt der Senat darüber nach, wie eine Sprecherin der Wirtschaftsbehörde am Montag einräumte. Grund ist eine neue Hafenentwicklungsprognose des Bundes, die unter den Erwartungen Hamburgs liegt. „Selbstverständlich müssen bei langfristigen Planungen Prognosen ab und zu angepasst werden, doch dazu müssen wir erst einmal die Ergebnisse des Bundes prüfen“, sagte die Sprecherin.

Das Bundesverkehrsministerium sieht für das Jahr 2030 einen möglichen Umschlag von 16,3 Millionen Standardcontainern (TEU) an Hamburgs Kaikanten voraus. Der Senat rechnet hingegen bereits für das Jahr 2025 mit einem Umschlagspotenzial von 25,3 Millionen TEU – und er hat seine Planung für den Hafenausbau an diese Entwicklungsperspektive geknüpft. So heißt es im Hafenentwicklungsplan, der vor einem Dreivierteljahr erstellt wurde: „Dieses Szenario legen Senat und Hamburg Port Authority (HPA) ihren Planungen von Investitionen in die Infrastruktur und für die Kalkulation der erforderlichen Umschlagkapazitäten zugrunde.“

Für den hafenpolitischen Sprecher der Grünen-Bürgerschaftsfraktion Anjes Tjarks steht fest, dass die Wirtschaftsbehörde ihre Zahlen – und damit die Basis für die weitere Hafenentwicklung – korrigieren will. Er bezieht sich dabei auf die Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der Grünen: Darin heißt es, dass die Wirtschaftsbehörde und die HPA derzeit die Ergebnisse der Seeverkehrsprognose des Bundes bewertet und Überlegungen zur „Fortschreibung der Umschlagspotenzialprognose für den Hamburger Hafen“ anstellt. Diese Überlegungen seien allerdings noch nicht abgeschlossen.

„Es war höchste Zeit, dass die Umschlagsprognosen für den Hamburger Hafen der Realität angepasst werden“, sagt Tjarks. Denn nur auf dieser Grundlage lassen sich die Hafeninvestitionen neu priorisieren.“ Er begrüße, „dass die Schönfärberei in der Wirtschaftsbehörde jetzt ein Ende hat “, fügte der Hafenexperte hinzu. Zugleich fordert er einen Kurswechsel bei der Hafenentwicklung: „Für Deutschlands größten Seehafen hätte diese Korrektur massive Auswirkungen auf die Planung von Baumaßnahmen und Investitionen.“ Er plädiert dafür, die Westerweiterung bei Eurogate auf Eis zu legen.

Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) will erst einmal sehen, was an der Studie des Bundes überhaupt dran ist. Deren methodische Vorgehensweise sei noch gar nicht veröffentlicht, klagt er. Nur weil Experten in den nächsten Jahren keine zweistelligen Wachstumsraten vorhersehen, lasse sich nicht schlussfolgern, „dass wir nicht an unserem Wachstumskurs festhalten werden“. Zudem sei eine Reihe von Maßnahmen schon aufgrund der bestehenden verkehrlichen Situation im Hafen notwendig. Er räumte aber ein, dass man sich bei der bisherigen Potenzialprognose für einen „optimistischen Pfad“ entschieden habe, aber dafür sei die Hafenentwicklungsplanung auch flexibel vorgenommen worden.