Das Unternehmen eröffnet eine Filiale auf Sylt und ist auch in Hamburg auf Expansionskurs. Im Hanse-Viertel hat Leysieffer 200.000 Euro investiert, um den dortigen Auftritt zu vergrößern.

Osnabrück. Vorsichtig nähert sich die Mitarbeiterin der blonden Frau, die vor ihr auf dem Tisch liegt. Mit einer Metallspitze zielt sie auf ihre Mitte, piekt einmal, fertig ist der Bauchnabel. Die so traktierte Dame verzieht keine Miene. Sie besteht zu 100 Prozent aus Marzipan. "Das ist unsere Badenixe", sagt Jan Leysieffer, während seine Mitarbeiterin der Strandschönheit schnell noch eine Badehose aus grüner Marzipanmasse formt, bevor es zu freizügig wird.

"Besonders beliebt ist die Dame auf Sylt", sagt der Inhaber der Confiseriekette in der nach Zucker und Butter duftenden Manufaktur am Firmensitz in Osnabrück lachend, und schon ist der leidenschaftliche Tennis- und Golfspieler bei einem seiner persönlichen Lieblingsthemen. Schon als kleiner Junge fuhr Leysieffer regelmäßig mit seinen Eltern auf die Nordseeinsel, heute hat er ein Haus in Morsum gemietet und verbringt beruflich und privat, mit Familie und Hund, viel Zeit auf der Insel.

Gerade hat Leysieffer auch ein neues Bistro und Café in Keitum eröffnet. 800.000 Euro hat er hier investiert, 15 neue Mitarbeiter eingestellt. "Keitum ist wunderschön und exklusiv, das passt zu uns", sagt der Unternehmer. Immerhin kostet ein Beutelchen der Himmlischen, Sahnepralinen mit einem Zuckerüberzug, denen die Osnabrücker ihre Prominenz zu verdanken haben, knapp sechs Euro. Auch in Westerland und Kampen betreibt der Spezialitätenhersteller seit Jahrzehnten seine Läden und gehört für die meisten Sylt-Fans mit dem hausgemachten Eis, den Shrimps-Nudeln oder einem leckeren Stück Baumkuchen genauso zum Urlaub am Meer wie Gastronom Jürgen Gosch mit seinen Fischimbissen.

Ebenso wie der König der Fischbrötchen, der gerade an der Reeperbahn einen neuen Standort eröffnet hat, ist Leysieffer auch in Hamburg auf Expansionskurs. Im Hanse-Viertel hat der gelernte Konditormeister gerade 200.000 Euro investiert, um den dortigen Auftritt mit bisher zwei kleinen Läden zu vergrößern. Er sei auch als möglicher Betreiber des ehemaligen Mövenpick-Restaurants im Hanse-Viertel angesprochen worden, sagt Leysieffer, habe aber abgelehnt. "Wir sind eine Confiserie, keine Gastronomen."

Auch in der Heimat, in Osnabrück, gibt der Urenkel des Firmengründers einiges Geld aus, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. In den nächsten zwei Jahren soll die Produktion mit derzeit gut 100 Mitarbeitern für drei Millionen Euro ausgebaut werden.

Die Warenvielfalt macht diese Investition notwendig. "Früher hatten wir 1000 verschiedene Produkte, heute sind es gut 1500", sagt Leysieffer. Nebenan rühren Männer in weißen Kitteln Konfitüre in dampfenden Kupferkesseln, wegen des Geschmacks lediglich in Drei-Liter-Portionen. Dereinst beschränkten sie sich auf Sorten wie Himbeere oder Orange, heute erwarten Kunden auch exotische Geschmacksrichtungen wie Erdbeerchili. Allein bei der Konfitüre kommt Leysieffer inzwischen auf mehr als 17 Sorten, bei den Schokoladentafeln auf 70 Geschmacksrichtungen wie halbherbe Schokolade mit Zitrone oder Vollmilch mit Holunder. "Bei den ganzen Lebensmittelskandalen haben wir große Chancen mit ehrlichen Produkten", nennt Leysieffer einen weiteren Grund für die Expansion. Immerhin setzt der Inhaber auf natürliche Zutaten, wo immer dies möglich ist. Als Mittel zur Konservierung kommen bei ihm nur Wärme, Kühlung, Salz oder Alkohol an oder ins Produkt. "Im Supermarkt findet man heute kaum noch frische Vollmilch, das ist doch erschreckend", findet Leysieffer. Der Handel setze auf immer längere Haltbarkeit, auf Kosten der Natürlichkeit der Lebensmittel.

Mit dieser Tradition bewahrenden Philosophie betreibt Jan Leysieffer auch die Manufaktur. So penibel wie die Badenixe in Form gebracht wird, packen die Mitarbeiterinnen die Pralinen von Hand ein. Maschinen sind in der Fabrik Mangelware und höchstens beim Schlagen von Eiweiß anzutreffen. "Die Pralinen sind sehr empfindlich", begründet Leysieffer die aufwendige Prozedur. Aber nicht nur die Herstellung der süßen Verführungen, sondern auch die Verpackungen sind ausschließlich "made by Leysieffer".

Jans Frau Sylvia designt die Tüten, Schachteln und Dosen, sie arbeitet mit ihrem Mann schon seit 15 Jahren in der Firma. Auch Seniorchef Axel Leysieffer kommt mit seinen 69 Jahren noch regelmäßig ins Unternehmen. Es gehört auch heute noch vollständig der Familie, mehr als 100 Jahre nach der Gründung: 1909 startete Ulrich Leysieffer mit seiner Frau Emilie in einem Konditoreicafé in der Innenstadt von Osnabrück und begann 1936 mit der Pralinenherstellung. 1950 eröffneten Karl und Ursula Leysieffer das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Geschäft neu und stellten die ersten "Himmlischen" her. 1960 expandierte die Firma so sprunghaft, dass ab 1964 der Versandhandel begann. 1967 stieg mit Axel Leysieffer die dritte Generation ins Unternehmen ein, 1993 folgte ihm dann Sohn Jan.

Der 45-Jährige stellt die Weichen für die nächsten Jahrzehnte, indem er den Onlinehandel forciert. Dank des Internets kommen die Kunden inzwischen nicht selten aus Japan, der Karibik oder Australien. Aber nicht nur mit neuen Technologien rüstet Jan Leysieffer die Firma für die Zukunft, sondern auch mit der Familienplanung: Sein Sohn Laurin ist zwar noch im Teenageralter, er kann sich aber durchaus vorstellen, das Unternehmen eines Tages zu übernehmen.