Die Schifffahrtsgruppe Rickmers gibt Anleihen heraus. Eine Rendite von neun Prozent lockt Anleger. Wichtige Fragen und Antworten.

Hamburg. Die niedrigen Zinsen treiben Anleger um, nach attraktiveren Anlagemöglichkeiten Ausschau zu halten. Denn ein einjähriges Festgeld bringt im Durchschnitt gerade noch 0,8 Prozent Zinsen, bei vielen Banken noch weniger. Selbst wer sein Geld für fünf Jahre anlegt, bekommt nur 1,4 Prozent. Das deckt gerade die aktuelle Inflationsrate ab. In einem solchen Umfeld ist der neuen Anleihe des Schifffahrtkonzerns Rickmers mit einer Laufzeit von fünf Jahren und jährlichen Zinsen von bis zu 9,125 Prozent hohe Aufmerksamkeit gewiss, weil dahinter auch ein bekannter Hamburger Name steht. Bis zu 200 Millionen Euro will das Unternehmen so bei Anlegern einsammeln, wie bereits am Dienstag berichtet. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu dieser spektakulären Emission.

Was ist eine Anleihe?

Mit einer Anleihe wird ein Kredit am Kapitalmarkt aufgenommen. In der Regel sind Zinssatz und Laufzeit festgelegt. Am Ende der Laufzeit wird das Kapital zu 100 Prozent zurückgezahlt, wenn es nicht zu einer Insolvenz kommt. Während der Laufzeit schwankt der Kurs einer an der Börse gehandelten Anleihe. Er kann auch unter den Ausgabekurs, in der Regel sind das 100 Prozent, sinken.

Welche Faktoren beeinflussen den Kurs einer Anleihe?

"Bei einer Unternehmensanleihe wird der Kurs von Firmen- und Branchennachrichten stark beeinflusst", sagt Christian Hamann von der Haspa. Auch das allgemeine Zinsniveau am Markt spielt eine Rolle. Würden die Zinsen am Markt wieder steigen, dann muss der Anleger mit Kursrückgängen rechnen. "Die Firmenanleihen sind davon aber nicht so stark betroffen wie Bundesanleihen", sagt Hamann.

Wo werden Anleihen gehandelt?

Anleihen werden wie Aktien an der Börse gehandelt. Das Rickmers-Papier soll an der Frankfurter Börse notiert werden. Damit ist auch ein jederzeitiger Verkauf vor Ende der Laufzeit möglich. Die Zeichnungsfrist für die Anleihe soll am 27. Mai 2013 beginnen.

Warum lockt Rickmers mit einem so hohen Zins?

Die Zinsspanne bewegt sich zwischen 8,5 und 9,125 Prozent. Die genaue Höhe soll spätestens am 24. Mai festgelegt werden. "Die Branche hat einen Malus, und Anleger mit Schiffen haben schon viel Geld verloren", sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). "Die Zinshöhe entspricht sicher dem Risiko." Im Verkaufsprospekt sind auf vielen Seiten die Risiken aufgelistet. Der Durchschnittszins für Mittelstandsanleihen liegt bei 7,8 Prozent.

Warum gilt die Schifffahrt als besonders risikoreiche Branche?

Die Schifffahrtkrise dauert bereits seit fünf Jahren an. Der Markt leidet unter zu vielen Schiffen, zu wenig Ladung und sinkenden Transportpreisen. Die HSH Nordbank erwartet, dass in der Containerschifffahrt mindestens bis Ende 2014 keine auskömmlichen Charterraten zu erzielen sein werden. Rund 140 Schifffahrtsgesellschaften sind bereits in der Insolvenz. Das Geschäft mit Schiffsfonds und privaten Anlegern ist völlig ausgetrocknet. Die Commerzbank hat sich komplett aus der Schiffsfinanzierung zurückgezogen. Die HSH Nordbank will ihr Schiffskreditportfolio in Höhe von 26 Milliarden Euro drastisch reduzieren. Deshalb müssen die Reeder nach neuen Finanzierungsquellen suchen.

Was hat Rickmers mit dem Geld der Anleger vor?

Zu etwa gleichen Teilen sollen die Gelder aus der Anleihe in Wachstum und Refinanzierung des Unternehmens fließen. Die Rickmers Gruppe betreibt eine Flotte von 109 Schiffen mit 3000 Seeleuten und 480 Mitarbeitern an Land. "Die Schifffahrtsbranche befindet sich in einer Konsolidierungsphase, und wir wollen eine aktive Rolle in dieser Marktkonsolidierung spielen", sagt Bertram Rickmers, Gründer und alleiniger Gesellschafter der Rickmers Gruppe. Das Unternehmen hat Nettoschulden in Höhe von rund 1,8 Milliarden Euro. Die Eigenkapitalquote beträgt 26 Prozent. Das operative Ergebnis lag 2012 bei 114,7 Millionen Euro.

Werden andere deutsche Reedereien diesem Beispiel folgen?

"Nur ganz wenige Reedereien in Deutschland kommen für so ein Modell infrage, wenn sie dafür die organisatorischen und strukturellen Ansprüche erfüllt haben", sagt der Branchenexperte Jürgen Dobert. Das sieht auch Claus Brandt, Schifffahrtsexperte bei der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers, so: "Es muss ein umfassendes Informations- und Kontrollsystem geschaffen werden, um die Anleger zeitnah über die Geschäftslage zu informieren." In Deutschland hat Hapag-Lloyd bereits im Oktober 2010 zwei Anleihen begeben. Der Zinssatz lag bei rund neun Prozent. International hat bereits jede zweite der 30 größten Reedereien diesen Finanzierungsweg gewählt.

Eignet sich die Rickmers-Anleihe auch für Privatanleger?

Mit einer Stückelung von 1000 Euro kann das Papier auch gut von Privatanlegern erworben werden. "Doch die Zinshöhe steht auch immer für das Risiko", sagt Kurz. Wichtig sei, die Risiken im Prospekt genau zu lesen. "Wer keine Beziehung zur Schifffahrt hat, sollte ganz die Finger davon lassen", rät Kurz. Außerdem sollten solche risikoreiche Anleihen im Depot immer nur eine Beimischung sein. Anders als bei einem Schiffsfonds, aus dem Anleger nicht wieder herauskommen, kann die Anleihe bei einer Verschlechterung der Lage jederzeit wieder verkauft werden. "Dann gibt es zwar Kursverluste, aber der Anleger kommt mit einem blauen Auge davon", sagt Kurz. Auf alle Fälle ist das Papier kein Ersatz für einen sicheren Sparbrief.