Aida und Becker Marine Systems setzen ein schwimmendes Gaskraftwerk in den Hafen zur Energieversorgung der Schiffe. Die Luft wird von Ruß und Schwefel befreit.

Hamburg. Seit mehr als fünf Jahren wird in Hamburg über den Einsatz von Landstrom zur Versorgung großer Schiffe diskutiert. Jetzt haben zwei bekannte Unternehmen einen wichtigen Schritt dorthin gemacht: Aida Cruises und der angesehene Hamburger Spezialist für Schiffsantriebe Becker Marine Systems haben mit dem Bau eines schwimmenden Gaskraftwerks für eine umweltfreundliche Energieversorgung von Kreuzfahrtschiffen während ihrer Liegezeit im Hafen begonnen. Wie Aida mitteilte, seien inzwischen die notwendigen Motoren bestellt worden.

Diese werden auf einen antriebslosen Kahn montiert. Die Motoren dieser sogenannten LNG Hybrid Barge verbrennen Flüssigerdgas (LNG) und produzieren dabei Strom. Wird die Barge über ein Kabel mit einem Kreuzfahrtschiff verbunden, übernimmt sie dessen Energieversorgung. Das Schiff kann seine Dieselmotoren, deren Abgase die Luft wesentlich mehr verschmutzen als das Flüssigerdgas, dann abschalten. Im Vergleich zur Nutzung von herkömmlichem Marinediesel mit 0,1 Prozent Schwefelanteil werden die Emissionen bei der Energieerzeugung mittels Flüssiggas auf der LNG Hybrid Barge erheblich gesenkt, verspricht Aida: Der Ausstoß von Schwefeloxiden und Rußpartikeln wird gänzlich vermieden. Die Emission von Stickoxiden (NO{-x}) verringert sich um bis zu 80 Prozent, der Ausstoß von Kohlendioxid um weitere 30 Prozent.

"Wir haben mit der LNG Hybrid Barge ein zukunftsweisendes Konzept für die umweltfreundliche Energieversorgung von Kreuzfahrtschiffen auf den Weg gebracht. Mit der Motorenbestellung haben wir die Phase der Planung hinter uns gelassen und beginnen nun mit der konkreten Umsetzung des Projekts", sagte Dirk Lehmann, Geschäftsführer von Becker Marine Systems. Die fünf Motoren haben insgesamt eine Leistung von 7,5 Megawatt. Das entspreche der Versorgung von insgesamt 12.000 Vier-Personen-Haushalten. Das Flüssiggas dazu soll auf Schuten aus Brunsbüttel nach Hamburg kommen, wo das norwegische Unternehmen Gasnor eine Bunkerstation für Flüssigerdgas errichtet.

Die Nachfrage nach der Barge dürfte groß sein, auch Kiel, Rostock und Venedig haben inzwischen Interesse an der LNG Hybrid Barge angemeldet. Der Grund ist, dass insbesondere Kreuzfahrtschiffe auch im Hafen einen riesigen Energiehunger haben und während ihrer Liegezeit ihre Hilfsdiesel laufen lassen. Die Abgase des im Vergleich zum Auto um ein Vielfaches schwefelhaltigeren Treibstoffs werden nahezu ungefiltert in die Luft gepustet. Wie Siemens für den Hamburger Hafen errechnete, sind insbesondere die Stickoxide, die dabei freigesetzt werden, stark umweltbelastend. Der Jahresausstoß liegt bei etwa 54 Tonnen. "Die Verringerung von Emissionen während der Hafenliegezeiten ist für alle Reedereien eine Herausforderung. Wir haben mit unseren Partnern eine Lösung entwickelt, mit der wir die Emissionen unserer Schiffe ganz erheblich verringern werden. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz in Hamburg", sagte Monika Griefahn, Direktorin für Umwelt und Gesellschaft bei Aida Cruises.

Die LNG Hybrid Barge soll künftig je nach Bedarf an jedem Hamburger Kreuzfahrtterminal eingesetzt werden. Als erstes Schiff wird die "AIDAsol" im zweiten Quartal 2014 an das schwimmende Gaskraftwerk andocken. Die Umrüstung des Schiffes werde Mitte 2013 abgeschlossen sein, sagte Aida. Schon im kommenden Jahr werde das nächste Schiff folgen. "Wir wollen schrittweise die gesamte Flotte umrüsten", sagte Aida-Sprecher Hansjörg Kunze. Zu den Umbaukosten wollte Kunze sich nicht äußern. Experten schätzen sie auf rund eine Million Euro pro Schiff.

Mit dem Vorstoß für die neue LNG Hybrid Barge setzen Aida Cruises und Becker Marine Systems den Hamburger Senat unter Druck. Der wurde nämlich bereits im Oktober 2011 von der Bürgerschaft dazu aufgefordert, ein Konzept für einen Landstromanschluss für Kreuzfahrtschiffe zu entwickeln. Die entsprechende Drucksache wird nach der Sommerpause dem Senat und der Bürgerschaft vorgelegt. Am Kreuzfahrtterminal Altona soll erst 2015 der Landstromanschluss entstehen. Dazu muss ein Transformator gebaut werden, der den Strom aus dem allgemeinen Netz für Schiffe umregelt. Insgesamt 9,7 Millionen Euro hat die Behörde dafür eingeplant. Die LNG Hybrid Barge soll 15 Millionen Euro kosten, ist aber überall einsetzbar. Und für Becker Marine Systems könnte sie sogar zum Kassenschlager werden. "Wir haben 15 weitere Bestellungen für die kommenden fünf Jahre", sagte Geschäftsführer Lehmann. Auch im Winter, wenn die Kreuzfahrtsaison vorbei ist, wird die Barge genutzt: Dann soll sie im Köhlbrand liegen und Strom für das allgemeine Netz des Energieversorgers E.on Hanse produzieren.