Engpässe bei Kölln und Brüggen. Energiepflanzen verdrängen Getreide für Ernährung

Hamburg. Wer morgens statt des Buttercroissants mit Marmelade brav sein Müsli mit Milch löffelt, tut sich und seiner Gesundheit einen großen Gefallen: Vollkorngetreide und besonders der Hafer in der Schüssel gelten als wertvolle Lebensmittel, bestens geeignet für den stärkenden Start in den Tag.

Doch so selbstverständlich und vor allem so günstig wie bisher können die Verbraucher ihr Müsli wohl schon bald nicht mehr genießen. Die beiden großen Hersteller im Norden, Kölln in Elmshorn und Brüggen in Lübeck, melden Probleme bei der Versorgung mit Hafer. "Wir haben Engpässe, der Nachschub an Hafer droht auszugehen", sagte Firmenchef Jochen Brüggen. Die Firma produziert Müsli und Cerealien vor allem für die führenden europäischen Supermarktketten als Handelsmarken, also unter fremdem Namen. Aber auch die Marke Brüggen Gourmet-Müsli kommt aus der Stadt an der Trave.

Auch bei Peter Kölln, dem Haferflockenspezialisten aus Elmshorn, bereitet der Nachschub an Getreide einige Sorgen. Das Unternehmen hat zwar durch langfristige Kontrakte bis zur neuen Ernte derzeit noch genug Hafer zur Verfügung. "Allerdings wird die Versorgung mittel- und langfristig immer schwieriger werden", sagte eine Unternehmenssprecherin. Neben einer hohen Nachfrage sorge der Wettbewerb zu nachwachsenden Rohstoffen wie Mais und Raps insbesondere in Deutschland für eine erhebliche Reduzierung der Anbaufläche. "Und dies führt zu hohen Preisen", heißt es von Kölln.

Der Engpass bei Hafer ist eine typische Folge des sich immer weiter ausdehnenden Anbaus von Energiepflanzen. So werden in den USA bereits 40 Prozent der gesamten Maisernte zu Ethanol für Autos verarbeitet. Diese Quote ist staatlich verordnet. "Auch in Skandinavien, einem wichtigen Lieferland für uns, ist die Umwidmung der Flächen ein Problem", ergänzt Brüggen.

Das Thema wird derzeit unter dem Stichwort "Tank oder Teller" in der Landwirtschaft, der Politik und unter Umweltexperten erbittert diskutiert. Denn sogar in von Hungernöten bedrohten Regionen der Erde nehmen Zuckerrohr- und Palmenplantagen das Ackerland in Beschlag, das eigentlich der Versorgung der Menschen dienen sollte. Haben Klimaschutzziele eine höhere Priorität als eine sichere und erschwingliche Produktion von Nahrungsmitteln für die wachsende Weltbevölkerung? Und ist der Anbau von Raps für den Biosprit oder Mais für Biogasanlagen überhaupt umweltverträglich, wenn dadurch immer mehr Monokulturen auf unseren Feldern entstehen? Je engagierter die Landwirte derzeit ihre Flächen für Biokraftstoffe umwidmen, weil diese Produktion ihnen mehr Geld einbringt, desto lauter wird die Kritik an diesem Trend.

Die Erfahrungen des Müslianbieters Brüggen verdeutlichen das Problem: "Noch in den 90er-Jahren hat unser Unternehmen beinahe seinen gesamten Bedarf an Hafer in Deutschland gedeckt, heute sind es gerade mal zehn Prozent", sagte Jochen Brüggen. Die aktuelle Verteilung der Flächen spricht für sich: Inzwischen bauen Deutschlands Bauern auf rund zwei Millionen Hektar Boden Energiepflanzen an. Die benötigte Fläche ist so groß wie das Bundesland Rheinland-Pfalz und entspricht einem Sechstel aller deutschen Äcker. Auf knapp einer Million Hektar wächst Raps für Biodiesel, auf 250.000 Hektar bauen die Landwirte Pflanzen für die Ethanolherstellung an. Gut 800.000 Hektar werden als Maisfelder für Biogasanlagen genutzt. Längst hat das Wort "Vermaisung" der Äcker in den Wortschatz der Deutschen Einzug gehalten.

Zwischenzeitilich forderte die EU sogar, dass sich die Relation zwischen Energieäckern und Lebensmittelproduktion weiter verschieben sollte. Demnach wären bis 2020 noch einmal 69.000 Quadratkilometer neue Energieäcker benötigt worden. Kritiker hatten angesichts dieser Pläne errechnet, dass die Menge der dann in der EU vermarkteten Biokraftstoffe das Klima mehr belastet hätte als fossile Kraftstoffe. Nun sind die Pläne vor einigen Wochen korrigiert worden. Danach dürfen künftig nur noch fünf Prozent der im Verkehr genutzten Kraftstoffe aus Nahrungspflanzen wie Raps, Mais oder Weizen gewonnen werden. In Zukunft will Brüssel zudem die Erzeugung von Energie aus Algen, landwirtschaftlichen Abfällen oder Klärschlamm fördern.

Neben der Frage nach der Klimafreundlichkeit der alternativ erzeugten Kraftstoffe betonen Kritiker immer wieder das Risiko, das die Umwidmung der Flächen für die Ernährung darstellt. Schließlich schwankt die Produktion von Lebensmitteln durch Witterungseinflüsse, von den sieben mageren und sieben fetten Jahren ist bereits in der Bibel die Rede. Derzeit sorgen knappe Ernten auf der Südhalbkugel für hohe Getreidepreise. Australiens Farmer etwa rechnen in der laufenden Saison wegen Trockenheit mit einer Einbuße beim Weizen von über einem Viertel gegenüber dem Vorjahr, auch in Südafrika geht die Weizenproduktion zurück. Das US-Agrarministerium erwartet ein globales Angebotsdefizit von 24 Millionen Tonnen im laufenden Erntejahr. Zugleich wird aber die Nachfrage in Asien und anderen Wachstumsregionen eher steigen als sinken.

Auch wenn die EU bei der Bioenergieproduktion inzwischen wieder etwas auf die Bremse tritt, ein Kostentreiber der Haferanbieter wird wohl bestehen bleiben: "Die für Hafer existierenden hohen Einfuhrzölle für Ware aus Drittländern verschärfen die Situation nochmals", heißt es bei Kölln. 90 Euro pro Tonne müssen die Importeure als Schutzzoll für Hafer zahlen, und das, obgleich sie wegen der schrumpfenden Inlandsproduktion keine Alternative zu der Einfuhr haben. Auch hier steht die EU als verantwortliche Institution für die Abgabe in der Kritik: Der Getreidenährmittelverband bemüht sich in Brüssel derzeit um eine Abschaffung dieser Importzölle.