Nach drei Monaten Ausstand sollen heute 100 Beschäftigte wieder bei Neupack anfangen. Konflikt mit Leiharbeitern droht.

Hamburg. Der seit fast drei Monaten andauernde Streik der Beschäftigten der Hamburger Verpackungsfirma Neupack wird von heute an ausgesetzt. Das kündigte Jan Eulen an, Chef der Hamburger Gewerkschaft IG BCE. "Wir wollen damit ermöglichen, dass wir gemeinsam mit Neupack einen Weg finden, bei dem die Firma mit ihren Beschäftigten weiter wirtschaftlich arbeiten kann", so Eulen. Man habe kein Interesse daran, Neupack in den Ruin zu treiben. Knapp 100 streikende Mitarbeiter treten nun in den Werken Hamburg und Rotenburg/Wümme ihre Jobs wieder an. Mit dem Arbeitskampf wollte die IG BCE erreichen, dass das Unternehmen seine Blockade gegen einen Haustarifvertrag mit der Gewerkschaft aufgibt. Das ging jedoch bislang schief. Das Stellinger Unternehmen bot im Gegenzug den verbliebenen Mitarbeitern eine Gehaltserhöhung an. Eine Aussetzung eines Streiks bei laufenden Tarifkämpfen hat es in Deutschland noch nie gegeben. "Ich kann mich nicht an so einen Vorgang erinnern", sagte Eulen.

Das Unternehmen zeigte sich am Mittwoch überrascht. "Wir sind von der Gewerkschaft bis 17 Uhr noch nicht informiert worden", sagte Mitgesellschafter Lars Krüger. Er hat nun ein Problem. Wegen des Streiks heuerte die Firma in den vergangenen drei Monaten einige Dutzend Beschäftigte an, darunter 29 polnische Mitarbeiter.

Wenn jetzt die knapp 100 Streikenden zurück zu ihrem Arbeitsplatz wollen, ist der Personalstand wesentlich höher als vor dem Arbeitskampf mit damals insgesamt 200 Mitarbeitern. "Wir werden in der gebotenen Zeit genau prüfen, wie wir auf die überraschende Nachricht reagieren", so Krüger. "Eine Aussperrung der Streikenden kommt für uns aber nicht in Betracht."

"Mit Stärke" will der Betriebsratsvorsitzende Murat Günes wieder zurück an seinen Arbeitsplatz in Hamburg, obwohl er gerade von Neupack "die fünfte oder sechste" Kündigung erhalten hat. Bislang konnten alle Kündigungen noch nicht wirksam werden. Überschattet wird die Streikaussetzung von einer brutalen Gewalttat am 16. Januar. Damals drangen offenbar drei Streikende in die Wohnung eines Streikbrechers in Rotenburg/Wümme ein und schlugen ihn so lange, bis er einen Schädelbruch erlitt. Der Mann musste operiert werden.

"Wir bedauern dies zutiefst und verurteilen jede Form der Gewalt", sagte Eulen. Die neue Taktik der Gewerkschaft, den Streik zu unterbrechen, habe nichts mit dem Vorfall zu tun. Schon am 15. Januar hat Ralf Becker, Landesbezirksleiter Nord der IG BCE, einen Brief an Krüger geschrieben und um Kontaktaufnahme gebeten, um den Konflikt zu befrieden. Danach hat auch der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis seine Bereitschaft zu einem Spitzentreffen mit den Neupack-Eigentümern erklärt. Zudem will Vassiliadis einen Schlichter vorschlagen. Neupack hat sich wegen des Überfalls auf den Mitarbeiter nicht gemeldet, und versucht derzeit vor dem Arbeitsgericht Verden den Streik ganz verbieten zu lassen. Als Begründung gibt das Unternehmen an, die Gewerkschaft habe den Streik nicht mehr im Griff. Das weist Eulen von sich: "Wir können die gegen uns erhobenen Vorwürfe von Neupack durch Zeugenaussagen entkräften."

Eulen ist weiterhin zuversichtlich, dass er mit Neupack ins Gespräch kommen wird. "Die Führungsverantwortlichen des Unternehmens müssen ihrer Verantwortung gerecht werden", forderte er. Nur ein Tarifvertrag könne Frieden in den Betrieb bringen, in dem es über Jahre untransparente Gehaltsstrukturen gegeben habe. Die Gewerkschaft will verhandeln. Falls dies jedoch wieder nicht gelingt, "werden wir wieder streiken. Wir haben bereits viele Ideen und einen großen Unterstützerkreis", sagte Rajko Pientka, Verhandlungsführer der Gewerkschaft.