Andreas Wente verlässt überraschend die Deutschland-Zentrale in Hamburg. Nun lenkt ein Niederländer das Geschäft übergangsweise.

Hamburg. Als Andreas Wente im Sommer 2009 zum ersten Mal sein neues Büro im 14. Stock des Philips-Hochhauses betrat, wird er sich wohl für eine Weile an die umlaufenden Panoramafenster gestellt und einfach nur nach unten geschaut haben. Der Blick aus dem gläsernen Bau des Elektronikkonzerns auf die Alster ist atemberaubend, die Spaziergänger sind nur noch als kleine Striche auszumachen, es stellt sich beinahe automatisch ein gewisses Hochgefühl ein.

Doch die Euphorie des Philips-Deutschland-Chefs, der diese Funktion im Jahr 2009 von Hans-Joachim Kamp übernommen hatte, dürfte inzwischen verflogen sein. Denn Wente wird schon bald, voraussichtlich in den kommenden Wochen, nicht mehr in der Führungsriege des Konzerns sein, der mit Medizintechnik, Leuchtmitteln und Haushaltsgeräten sein Geld verdient. Nach Abendblatt-Informationen soll es keine Einigung über einen neuen Vertrag für das Philips-Urgestein gegeben haben. Mit gerade einmal 58 Jahren wird Wente nun offiziell in den Ruhestand verabschiedet. Wente verlässt den Konzern zudem in einer ohnehin wirtschaftlich schwierigen Phase.

In dürren Worten, ohne die üblichen Floskeln à la "Wir danken Herrn xy für seine Verdienste bei ..." meldete die Firma aus den Niederlanden den Wechsel an der Spitze: "Andreas Wente, 58, Vorsitzender der Geschäftsführung der Philips Deutschland GmbH und Chairman von Philips DACH (Deutschland, Österreich und Schweiz), beendet nach 30 Jahren Unternehmenszugehörigkeit seine Tätigkeit für Philips und geht in den Ruhestand." Bis zur Neubesetzung der Funktion solle "Ronald de Jong, Mitglied des Executive Committees von Philips, ..., die Rolle ad interim übernehmen". Wente war während seiner beruflichen Laufbahn in zahlreichen leitenden Funktionen in Europa und Asien tätig und hat die PhilipsDACH-Organisation seit 2009 geleitet, heißt es in der Mitteilung für die Presse zudem abschließend.

In der im Betrieb verschickten Meldung wurde die Ursache für Wentes Ausscheiden lediglich mit den drei Worten "aus persönlichen Gründen" umschrieben, wie das Abendblatt erfuhr. Auch die Belegschaft habe die Nachricht überrascht, sagte ein Mitarbeiter. Die Beschäftigten im Verwaltungsgebäude am Lübeckertordamm, wo Verwaltung, Vertrieb und Marketing sitzen, und auch die 1000 Menschen, die in der Fabrik in Fuhlsbüttel Röntgenröhren und Nierensteinzertrümmerer herstellen, seien verunsichert. Auch in der Presseabteilung wollte sich selbst auf wiederholte Nachfrage des Abendblatts niemand zu den Ursachen des plötzlichen Machtvakuums äußern. Anrufe auf Wentes Handy blieben ebenfalls unbeantwortet.

Die Nervosität, die im Unternehmen mit weltweit 120.000 Beschäftigten herrschen muss, war auch schon in den vergangenen Wochen an einem anderen Fall deutlich geworden: Auf die bereits seit vielen Jahren übliche Umfrage des Abendblatts zur Zahl der Arbeitsplätze reagierte Philips zunächst gar nicht. Und erklärte dann auf erneutes Nachhaken, man wolle weder die Zahl der Mitarbeiter in der Hansestadt noch die Tendenz der Beschäftigung in den kommenden Monaten angeben. Im Vorjahr hatte Philips 2700 Jobs gemeldet und es damit unter die 30 größten Firmen der Stadt geschafft. 2010 hatten noch 3000 Mitarbeiter in Hamburg bei den Niederländern auf der Gehaltsliste gestanden. Die Beschäftigten haben bereits mehrere Wellen von Stellenstreichungen hinter sich und dabei so manche leidvolle Erfahrung gemacht, dass die Entscheidungen im fernen Amsterdam fallen und Hamburg am kürzeren Hebel sitzt.

Als Wente vor mehr als drei Jahren die neue Position übernommen und in sein Büro mit Alsterblick eingeladen hatte, sprach er noch mit Begeisterung über die Chancen der neuen Lichttechnologie LED. Der Manager, der in Hamburg Elektrotechnik studiert hatte, verglich die Erfindung gar mit einer Revolution. Die Lampen sparten Energie, enthielten kein Quecksilber und sollen 15 Jahre halten. "Wir gehen davon aus, dass sich die neuen Modelle vor 2012 durchsetzen", gab sich Wente damals siegessicher.

Immerhin ist Philips Pionier in Sachen Beleuchtung, produzierte schon im 19. Jahrhundert Kohlefadenlampen, setzt heute Fußballstadien und Konzerthallen ins richtige Licht, erhellt mit seinen Produkten Wohnzimmer und ganze Straßenzüge. Tatsächlich konnte Philips im Segment Lighting (Beleuchtung) bislang seine führende Stellung untermauern. "Doch dieser Bereich ist eben auch sehr kostenintensiv", gibt Haspa-Analyst Marco Günther zu bedenken. Der Konzern habe sich das Know-how in der Lichttechnik teuer erkaufen müssen und konkurriert gegen günstige Firmen aus Asien.

Angesichts der alternden Bevölkerung ist Philips mit seiner Medizintechnik vergleichsweise auf der sicheren Seite. Die Produktion von Röntgengeräten gilt als Wachstumstreiber, allerdings steht auch die Fabrik in Fuhlsbüttel im Wettbewerb mit Billiglohnländern: Einfache Geräte fertigt Philips inzwischen nicht mehr in der Hansestadt, sondern in Brasilien, Indien und China. Auch hier ist weiteres Sparen in Hamburg angesagt.

Neben der Lichttechnik und den Geräten für Krankenhäuser bleibt die wohl schwierigste Sparte die Konsumelektronik. Am Fernsehergeschäft hat Philips schon lange die Lust verloren, auch bei Hi-Fi-Geräten oder Küchenmaschinen sind die Margen gering. Noch im September kündigte Philips an, dass man im Rahmen des laufenden Effizienzprogramms zusätzliche Einsparmöglichkeiten identifiziert habe. Demnach will das Unternehmen nun 6700 statt der zuvor geplanten 4500 Stellen streichen und hat das Ziel für die kumulierten Einsparungen bis zum Jahr 2014 von bisher 800 Millionen Euro auf 1,1 Milliarden Euro angehoben. Das Forschungszentrum in Aachen wurde bereits vor einigen Jahren geschlossen. In Hamburg laufen derzeit Verhandlungen zum Interessenausgleich mit dem Betriebsrat über einen weiteren Abbau von Arbeitsplätzen. Ergebnisse wurden noch nicht veröffentlicht. "Die Restrukturierung geht zwar schnell voran", lobt Analyst Günther, aber der letzte Kursanstieg spiegele zugleich sehr hohe Erwartungen in die Zukunft wider. "Mir fehlt der nächste Kurstreiber." Der Marktbeobachter gibt für die Aktie des Konzerns eine Verkaufsempfehlung.