Sie heißen Tedi, Schum Euroshop oder Mäc Geiz. Ein-Euro-Shops expandieren in Hamburg. Doch wirklich preiswert sind sie nicht immer.

Der Einkaufskorb von Stephan Schmidt ist gut gefüllt. Mehrere schwarz-weiße Wollknäuel, einen Aschenbecher, Latte-Macchiato-Gläser und Frischhaltebeutel hat der 23-Jährige eingepackt. "Ich muss aufs Geld achten", sagt der Bäckereifachverkäufer, während er durch die Gänge des Ein-Euro-Shops in Ottensen schlendert. "Daher kaufe ich hier regelmäßig ein."

Alles, was in dem Laden mit dem rot-weißen Logo zu bekommen ist, kostet einen Euro. Handschuhe und warme Mützen ebenso wie Schreibblöcke, Schraubenzieher, Klebeband, Shampoos, Backpapier oder Snacks für den Wellensittich. Mehr als 1000 Artikel, säuberlich in Drahtkörbe einsortiert und nach Warengruppen geordnet. Ein vermeintliches Paradies für Schnäppchenjäger.

Vor gut einem Monat hat das Geschäft an der Bahrenfelder Straße eröffnet. Es ist die mittlerweile zwölfte Filiale, die die Kette Schum Euroshop aus Dettelbach bei Würzburg in der Hansestadt betreibt. Vor fünf Jahren waren es gerade einmal vier Läden. "Wir planen jährlich weitere Eröffnungen in guten Innenstadtlagen mit Flächen ab 120 Quadratmetern", sagt Unternehmenssprecher Andreas Häußner.

Ursprünglich hervorgegangen aus einem 1877 gegründeten Eisenwarenladen hat sich die Familie Schum heute ein Billigimperium mit Großhandel und bundesweit 200 eigenen Geschäften aufgebaut - Tendenz steigend. "Unser Ziel, mit Euroshop flächendeckend in Deutschland vertreten zu sein, ist noch nicht erreicht", so der Sprecher.

Die Kette Schum Euroshop gehört zu jener neuen Form von Billigläden, die zentral gemanagt werden und über die Bündelung einer großen Einkaufsmacht enorme Kostenvorteile erzielen. Sie ersetzen zunehmend die klassischen, rumpeligen Restpostengeschäfte von Einzelunternehmern. Dabei profitieren die Ketten nicht nur von der Schnäppchenmentalität der Deutschen, sondern auch davon, dass bestimmte Sortimente wie etwa Haushalts- oder Kurzwaren (Nähgarn, Knöpfe oder Reißverschlüsse) in anderen Geschäften kaum noch zu bekommen sind und beispielsweise in großen Warenhäusern zugunsten von Mode aus den Regalen verschwinden.

"Wir beobachten eine zunehmende Professionalisierung bei den Ein-Euro-Shops", sagt Wolfgang Fritz, Professor für Marketing an der TU Braunschweig. Dies gelte sowohl für die sorgfältige Standortwahl als auch für das Marketing. Genaue Statistiken über die Branche gibt es nicht. Nach Fritz' Schätzung hat sich die Zahl der Shops aber allein zwischen den Jahren 2007 und 2011 von 1500 auf bis zu 2500 erhöht.

Drei Ketten teilen sich den deutschen Markt heute weitgehend untereinander auf. Neben Schum Euroshop und dem ostdeutschen Unternehmen Mäc Geiz ist es vor allem der Marktführer Tedi, der mit einem aggressiven Expansionstempo die Konkurrenz unter Druck setzt. Die heute schon 13 Hamburger Tedi-Filialen liegen überwiegend in den sozial schwachen Teilen der Hansestadt, in Wilhelmsburg oder in der Lüneburger Straße in Harburg - dort, wo die Mieten günstig sind, das Umfeld für andere Einzelhändler aufgrund der niedrigen Kaufkraft aber schwierig ist.

An der Fuhlsbüttler Straße in Barmbek führt eine Rolltreppe vorbei an einem Edeka-Markt in den Tedi-Shop, in dem wie bei den Wettbewerbern die großen Ein-Euro-Schilder dominieren. Nur sind sie hier nicht in Knallrot, sondern in marktschreierischem Gelb gehalten. Und lediglich 60 Prozent der Artikel vom Waschmittel über Handseife bis zu Geschenkbändern sind tatsächlich für einen Euro zu haben. Einzelne Stücke wie ein Schaukelpferd können hingegen auch schon mal 40 Euro bei dem Discounter kosten.

Die Dortmunder Kette, die teilweise zur Tengelmann-Gruppe (Obi, Kik) gehört, hat sich seit ihrer Gründung im Jahr 2004 sprunghaft in der Bundesrepublik ausgebreitet und kommt heute nach eigenen Angaben auf 1376 Märkte in Deutschland, Österreich und Slowenien. Der Umsatz im Geschäftsjahr 2010/2011 stieg wegen zahlreicher neuer Läden im Vergleich zum Vorjahr um 75,7 Millionen auf 380,36 Millionen Euro. "Für das Geschäftsjahr 2013/14 planen wir die Eröffnung von mehr als 100 Filialen europaweit", sagt ein Unternehmenssprecher. In Hamburg hat Tedi vier neue Geschäfte in den vergangenen zwei Jahren aufgemacht und ist derzeit auf der Suche nach neuen Flächen in Tonndorf, Wandsbek, Winterhude und Altona.

Die Beschaffungsstrategie der großen Ein-Euro-Läden ist grundsätzlich ähnlich. Den größten Teil ihrer Artikel beziehen Tedi oder Schum Euroshop aus asiatischen Billiglohnländern. "In China gibt es Hunderte von Firmen, die sich auf die Herstellung von billigen Plastikartikeln spezialisiert haben", sagt der Discountexperte Professor Thomas Roeb von der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg. Durch die Abnahme von großen Mengen an Handfegern, Besen, Bürsten oder Eierbechern gelingt es den Ketten, die Preise auf ein Minimum zu drücken.

Klassische Restposten spielen für die Billigläden hingegen eine eher untergeordnete Rolle, finden sich bei näherem Hinschauen aber ebenfalls. So liegen bei Schum Euroshop noch die letzten Hinterlassenschaften des pleite gegangenen Schlecker-Imperiums in den Regalen, die selbst im großen Ausverkauf offenbar nicht loszuschlagen waren. Fußpflegebalsam oder Hirschtalgcremes der Eigenmarke AS, die nun für einen Euro verramscht werden.

Darüber hinaus verstehen es die Billigheimer glänzend, sich als besonders günstig darzustellen, obwohl sie es gar nicht immer sind. Ein Trick sind beispielsweise ungewöhnlich kleine Verpackungsgrößen. Wer bei Schum Euroshop etwa eine Rolle Müllbeutel mit einem Fassungsvermögen von 120 Litern kauft, meint ein gutes Geschäft gemacht zu haben - bis er feststellt, dass die Rolle gerade acht Beutel statt der sonst üblichen 20 oder 30 enthält.

"Die Shops arbeiten mit einer Mischkalkulation und locken die Kunden mit einigen tatsächlich preisgünstigen Artikeln an", sagt Discountexperte Roeb. "Viele vermeintliche Schnäppchen sind aber gar keine." Auch die Qualität mancher Produkte lasse zu wünschen übrig.

Ein Testkauf des NDR-Magazins "Markt" bei Tedi kam im vergangenen Jahr ebenfalls zu einem wenig schmeichelhaften Ergebnis. Von zehn gekauften Produkten - unter anderem Gefrierbeutel, Taschentücher, Wattestäbchen und Alufolie - war keines günstiger als in einer benachbarten Drogerie. Die Reaktion des Discounters: Natürlich nehme man für sich nicht in Anspruch, bei jedem Produkt der günstigste Anbieter zu sein. "Verbraucher können aber sicher sein, immer wieder preiswerte Produkte bei uns zu finden", so der Sprecher.

Nach Einschätzung des Discountexperten Roeb könnte das stürmische Wachstum der Ein-Euro-Läden ohnehin schon bald ein jähes Ende finden. Im Billigsegment sei der Markt eigentlich schon gesättigt, nun komme es zum Verteilungskampf. "Große Ketten wie Tedi müssen aufpassen, dass sie die Expansion nicht übertreiben und am Ende ein ähnliches Schicksal wie Schlecker erleiden", warnt der Wirtschaftswissenschaftler.

Der einstige Drogeriekönig Anton Schlecker hatte so viele neue Läden aufgemacht, bis er den Überblick über sein Reich verlor. Und er hatte das Problem, dass seine Läden zwar billig wirkten, es aber nicht waren.