Das neue Quartier lockt immer mehr Firmen an. Auch Mineralölmulti BP zieht nun dorthin. Langfristig sollen 45.000 Arbeitsplätze entstehen.

Hamburg. Es war Hamburgs Jahrtausendidee. Als der damalige Bürgermeister Henning Voscherau 1997 im Überseeclub seine Visionen über einen neuen Stadtteil im Hafen vorstellte. Das Gebiet an der Elbe sollte zum weiteren Stadtteil der Hansestadt werden mit Wohnungen für Tausende Menschen, Büro- und Gewerbeflächen. Die Idee gab es zwar schon einige Jahre, aber mit Voscheraus Rede kam Dynamik in den einst so kühnen Plan.

Heute zieht die HafenCity immer mehr Firmen an. Nach der kürzlichen Inbetriebnahme der U 4 will jetzt auch der Mineralölkonzern BP seinen Standort von Bahrenfeld dorthin verlagern, wie das Abendblatt erfuhr. Angemietet wurden 4000 Quadratmeter Fläche im Sumatrakontor. Das ist der bislang größte Neuabschluss in dem Kontor, meldete der Makler HIH Hamburgische Immobilien Handlung. "Unser Mietvertrag am derzeitigen Bürostandort in Bahrenfeld läuft zum 31.März 2014 aus. Wir haben deshalb nach Alternativen in Hamburg gesucht, die den heutigen Anforderungen an einen modernen Bürostandort unter Berücksichtigung von Faktoren wie Erreichbarkeit, Attraktivität und Infrastruktur in möglichst idealer Weise entsprechen", sagte BP-Sprecher Tobias Wolny dem Abendblatt. Der Umzug soll noch in diesem Jahr stattfinden. "Wir sind überzeugt, mit der Entscheidung für das Sumatrakontor die richtig Wahl für die nächsten Jahre getroffen zu haben." Wie viele der derzeit 466 Mitarbeiter in Hamburg in die neue BP-Niederlassung ziehen, ist noch nicht bekannt. Es dürften aber mehr als 300 sein.

Auch die koreanische Reederei Hanjin Shipping rückt noch näher an die Elbe. Das Unternehmen aus Seoul, das derzeit in der Admiralitätsstraße sitzt, geht in die Coffee Plaza am Sandtorkai. Vor allem für Reedereien und hafennahe Dienstleistungen wird ein Standort in der HafenCity offenbar immer attraktiver. "Das Gebäude ist neu, und es sind bereits viele Unternehmen unserer Branche dort", sagt Oliver Becker, der den Umzug von Hanjin managt. Im April sollen die rund 200 Mitarbeiter die neuen Räume beziehen. Die Kühne Logistics University (KLU) hingegen geht in das frühere SAP-Gebäude am Großen Grasbrook. Zudem hat der Logistikkonzern Kühne + Nagel seine weltweite IT-Abteilung in dem neuen Stadtteil angesiedelt.

Auch die Anwaltsgemeinschaft Esche Schümann Commichau setzt auf den neuen Stadtteil. Die Sozietät ist im November in das Haus Java an den Sandtorkai gezogen. 6690 Quadratmeter wurden angemietet. Die Kanzlei besteht aus 35 Partnern und hat rund 160 Mitarbeiter, davon etwa 90 Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Das Hamburger Immobilienunternehmen Engel & Völkers hat - wie berichtet - für seine geplante neue Firmenzentrale sogar ein städtisches Baugrundstück an Hand gegeben bekommen, also das Recht, das Grundstück zu bebauen und später auch von der Stadt selbst zu erwerben oder einen Investor dafür zu beauftragen.

Die Nachfrage nach Flächen in Hamburgs neuestem Stadtteil wächst so stark, dass Jürgen Bruns-Berentelg, Vorsitzender der Geschäftsführung der städtischen HafenCity GmbH, weitere große Mietinteressenten bereits auf die kommenden Jahre vertröstet. "Wir sind mit unserem jetzigen Angebot an der unteren Grenze. Die Leerstandsrate an Büroflächen liegt bereits unter dem städtischen Durchschnitt", sagt er. Die Miethöhe in der HafenCity liegt zwischen 17 und 24 Euro pro Quadratmeter. Ein hoher Wert angesichts 14,30 Euro Durchschnittsmiete auf dem gesamten Hamburger Büromarkt.

Während Büroflächen knapp werden, können größere Firmen, die ein eigenes Gebäude errichten und überwiegend selbst nutzen wollen, ein Grundstück bekommen. Wie etwa der Duty-free-Betreiber Gebr. Heinemann, der seine bisherige Unternehmenszentrale vergrößert, oder auch Engel & Völkers und der Mineralölkonzern Marquard & Bahls, der in diesem Jahr in der Shanghaiallee mit dem Bau eines neuen Headquarters beginnt. 700 Mitarbeiter sollen in dem Gebäude Platz finden. Im Erdgeschoss sollen Einzelhandel und Gastronomie angesiedelt werden.

Vor allem die kürzlich erfolgte Anbindung des Quartiers an die Stadtmitte durch die U-Bahn steigert laut Bruns-Berentelg die Attraktivität der HafenCity. Mitarbeiter von den dort ansässigen Firmen kommen jetzt schneller an ihren Arbeitsplatz oder auch zum Flughafen. "Es ist für die HafenCity wichtig, dass die U 4, wie vom Senat beschlossen, nach Osten weitergeführt werden soll", sagt Bruns-Berentelg. Damit könne die U-Bahn mit der S-Bahn verbunden werden. "Größere Unternehmen suchen heute nach Standorten, die perfekt mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind. Durch die Inbetriebnahme der U 4 spüren wir ein sehr großes Interesse am Standort HafenCity", sagt auch Jutta Ludwig, Chefin der Hamburgischen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (HWF).

Während sich BP und Co. bereits in Richtung HafenCity bewegen, verhandelt Bruns-Berentelg aktuell mit "zwei bis drei großen Kandidaten", die in drei bis vier Jahren in die dann neu errichteten Gebäude einziehen wollen. Namen nennt er nicht. "Es handelt sich nicht nur um Verlagerungen innerhalb der Stadt, sondern auch um Neuansiedlungen oder die Vergrößerung von Unternehmen." 45.000 Arbeitsplätze sollen insgesamt in der HafenCity bis zum Ende der Entwicklung 2025 entstehen, davon 35.000 Büroarbeitsplätze. Derzeit sind es 9000 Jobs in 450 Firmen, von der Anwaltskanzlei über den Supermarkt bis zum international aktiven Konsumgüterkonzern Unilever.

Der HafenCity-Manager ist zuversichtlich, dass die Nachfrage nach neuen Büroflächen auch in einigen Jahren noch vorhanden sein wird, vielleicht sogar noch zulegt. Die HafenCity habe sich international bereits ein Image als moderner Standort aufgebaut, der nachhaltig sei und hoch qualifizierte Arbeitskräfte anlocke. "Gerade vor dem demografischen Hintergrund ist es für Unternehmen, die die klügsten Köpfe gewinnen wollen, wichtig, an einem modernen Standort präsent zu sein", so Bruns-Berentelg. Denn mit der HafenCity stärke der Standort Hamburg seine Wettbewerbsfähigkeit.