Menschen 2013: Benjamin Otto arbeitet seit Herbst für den gleichnamigen Familienkonzern. Jetzt ist er auf dem Sprung zum Vorstand.

Hamburg. Er ist ein Macher. Schon als Schüler und Student besserte sich Benjamin Otto sein Taschengeld mit Einsätzen als Discjockey auf. In den 90er-Jahren organisierte er Musikveranstaltungen in Hamburg und auf Sylt. Jetzt ist er 37 Jahre alt - und angekommen. In Hamburg, wo schon sein Vater und Großvater den gleichnamigen Versandhändler mit heute gut 53.000 Mitarbeitern und 11,4 Milliarden Euro Umsatz gegründet haben. Seit September ist der 37-Jährige im Familienkonzern aktiv und entwickelt ein IT-Projekt. Genaues will die Otto Group nicht sagen. Doch am Ende soll im Jahr 2014 dem Kunden eine "anspruchsvolle und völlig neue Form des Verkaufs" angeboten werden.

Es geht um viel. Im neuen Jahr muss Benjamin Otto mit seinen dann rund 50 Mitarbeitern den Grundstein für das neue Projekt legen und sicherstellen, dass es 2014 an den Start gehen kann. Wenn er Erfolg hat, dürfte ein Wechsel in den Vorstand des Familienkonzerns nicht lange auf sich warten lassen.

Vor seinem Job im Konzern studierte Benjamin Otto nach einer Lehre als Bankkaufmann bei der Berenberg Bank Wirtschaftswissenschaften an der European Business School in London. Bereits vor zehn Jahren gründete er ein Unternehmen für intelligente Haustechnik. Daraus ist die Intelligent Group entstanden, eine erfolgreiche Firmengruppe mit Sitz in Hamburg.

Das Unternehmen erwirtschaftet mit 80 Mitarbeitern in den Bereichen Immobilienentwicklung, Haustechnikplanung, Medientechnik und Finanzdienstleistungen einen Umsatz im hohen zweistelligen Millionenbereich. Otto hat nach seinem Wechsel zur Familienfirma die Geschäftsführung seinem Co-Vorstand Marius Marschall von Bieberstein übergeben.

Der Manager hat gezeigt, dass er das Unternehmertum beherrscht. Mit der Intelligent Group, die unter anderem auch Hotels mit Licht- oder Medientechnik ausrüstet, hat er sich von seiner Familiendynastie unabhängig gemacht. Er kann auch alleine. Doch das ist nicht das Ziel des Sohns von Michael Otto. Nach Jahren der Selbstständigkeit erfüllte er im vergangenen September seine Mission.

"Mir war schon vor längerer Zeit klar geworden, dass es mein Weg sein wird, in die Otto Group zu kommen", sagte er dem Mitarbeitermagazin des Konzerns. In dieser Sache ähneln sich Vater und Sohn. Auch Michael Otto war vor seiner Zeit in der Familienfirma selbstständig, war in Kanada als Projektentwickler für Immobilen aktiv, bevor er 1971 in den Vorstand der Familienfirma berufen wurde. Wie auch Michael Otto ist sein Sohn eher still und handelt besonnen, heißt es aus dem Umfeld des Unternehmens. Der Kronprinz der Traditionsfirma prescht nicht keck vor, sondern ist behutsam. Als Michael Otto 1971 in den Vorstand des Unternehmens kam, wartete er zehn Jahre, ehe er dann 1981 von einem familienfremden Manager den Vorsitz übernahm.

Auch heute wird der weltgrößte Versandhändler mit Hans-Otto Schrader von einem Manager dirigiert, der nicht zur Familie gehört. Doch irgendwann, in einigen Jahren, wird mit Benjamin Otto wieder ein Mitglied der Familie der Chef sein. Doch das dauert noch. Im Jahr 2016 wird Schrader zwar in den Ruhestand gehen.

Der Filius der Familie glaubt jedoch nicht, dass er den jetzigen Vorstandschef übergangslos beerben wird. "Das ist für mich selbstverständlich erst mal gar kein Thema", sagte er im Mitarbeiterinterview.

Otto gilt als bescheiden und eher introvertiert. Für ihn sei es weniger wichtig, wie man sich darstelle, so ein Vertrauter. Viel mehr zählten die eigenen Fähigkeiten und deren Umsetzung. "Benjamin hat das Otto-Gen", sagt ein Insider. Vielleicht hilft ihm dies bei seinem neuen Job.

Die Otto Group hatte zuletzt mit ihrem Onlinehandel kein geschicktes Händchen gehabt. IT-Projekte wurden angeschoben und dann wieder verworfen. Wettbewerber wie Zalando oder Amazon haben dem zweitgrößten Onlinehändler der Welt Kunden und damit auch Gewinne abgejagt. Wohl auch deshalb gab der Konzern im September bekannt, dass er bis zum Jahr 2015 bundesweit 760 der insgesamt rund 25 000 Stellen streichen will. Allein in Hamburg fallen 510 Jobs weg.

Benjamin Otto ist ein Kind der Internetgeneration. Möglicherweise kann dies bei der Restrukturierung des Unternehmens helfen. Zwar werden schon jetzt weit mehr als die Hälfte aller Otto-Produkte online verkauft. Die teuren Kataloge dienen vielen Kunden nur noch als Vorlage, um sich über den Preis ihrer Wunschartikel zu informieren.

Doch die Konkurrenz sitzt dem Unternehmen weiterhin im Nacken. Der Filius soll es nun richten mit seinem IT-Projekt. Nach der Gründung der Intelligent Group dürfte diese Aufgabe die bisher größte Herausforderung seines beruflichen Lebens werden.

Um Vorstandsvorsitzender zu werden, braucht er aber selbst im Erfolgsfall noch eine Menge Geduld. Die Ottos planen vorsichtig. Das zeigte sich schon bei Vater Michael Otto. Er wurde erst nach zehn Jahren im Konzern zum Vorstandschef gekürt.