Banken gewähren Hamburger Immobilienkäufern großzügige Kredite - auch Geringverdienern, die sich die Finanzierung eigentlich nicht leisten können

Hamburg. Die drei Jahre alte Dreizimmerwohnung mit 96 Quadratmetern in Hoheluft-West soll 520.000 Euro kosten. Großzügig geschnittene Räume, zwei Balkone, Gästebad, Parkett und Fußbodenheizung haben ihren Preis: Gut 5000 Euro pro Quadratmeter werden gefordert. Doch viele Kaufwillige in Hamburg schreckt das nicht mehr ab. Mit den stetig sinkenden Zinsen lassen sich immer höhere Kaufpreise finanzieren. Eine zehnjährige Baufinanzierung kostet im Schnitt nur noch 2,50 Prozent. Selbst eine 15-jährige Zinsbindung gibt es bei einigen Instituten inzwischen für unter drei Prozent. Vor fünf Jahren war der Zinssatz noch doppelt so hoch.

"Die niedrigen Baugeldzinsen verleiten auch Haushalte mit geringerem Einkommen und wenig Ersparnissen zum Immobilienkauf", sagt Ralf Weitz, Geschäftsleiter Baufinanzierung bei Immobilienscout24. "Das birgt hohe Risiken, denn wenn das Zinsniveau wieder ansteigt, gerät die Anschlussfinanzierung für diese Niedrigverdiener in Gefahr." Im schlimmsten Fall droht eine Welle von Zwangsversteigerungen wie in den USA, Irland oder Spanien. Auch dort hatte der Preisanstieg bis 2007 immer mehr Käufer mit geringen Ersparnissen in den Markt gelockt. Später konnten sie ihre Finanzierungen nicht mehr bedienen.

Der durchschnittliche Kaufpreis Hamburger Immobilien stieg von 2009 bis November 2012 um 33 Prozent auf 314.554 Euro. Noch stärker nahm die Darlehensumme zu, mit denen die Immobilien finanziert wurden. Sie stieg im gleichen Zeitraum um 45 Prozent auf 262.187 Euro. Als Folge reduzierte sich die Eigenkapitalquote der Hamburger Immobilienkäufer von 24 auf 16,6 Prozent. Diese Zahlen ermittelte der Baufinanzierungsvermittler Baufi24 für das Abendblatt. Sie beruhen auf Anfragen von Kunden, die nach einer Baufinanzierung suchen. Dafür müssen sie entsprechende Daten in das Vergleichsportal eingeben, die ausgewertet wurden.

Seit 2007 steigen die Immobilienpreise. Innerhalb eines Jahres verteuerten sich Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser in Hamburg um 13 Prozent. Ein Ende der Preisspirale ist nicht abzusehen. So erwartet Konstantin Kholodilin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), dass die Preise für Eigentumswohnungen bis 2013 noch mal um 10,7 Prozent steigen.

Käufer schreckt das nicht ab. "Ratsuchende, die wenig oder gar kein Eigenkapital haben, nehmen zu", bestätigt Christian Schmid-Burgk von der Verbraucherzentrale Hamburg. Nach seiner Einschätzung haben die Leute, die viel Eigenkapital mitbringen, in den vergangenen Jahren bereits gekauft. Steigende Preise wie in Hamburg kann es nur geben, wenn immer neue Käuferschichten in den Markt drängen. "Es gibt Käufer, die sich bisher nicht für die eigenen vier Wände interessiert haben, und manche überschätzen sich auch bei einer Finanzierung", sagt Christoph Doebbelin von der PSD Bank Nord.

Mithilfe der Wohnungsbaukreditanstalt Hamburg (WK) und der Investitionsbank Schleswig-Holstein gelingt es zudem, die Finanzierungen in den Büchern der Banken besser aussehen zu lassen, als sie tatsächlich sind. Angenommen die Wohnung in Hamburg kostet 400.000 Euro, und es ist kein Eigenkapital vorhanden. Dann gewährt die Bank einen Kredit über 300.000 Euro. Das sind 75 Prozent des Kaufpreises und gilt als solide Baufinanzierung.

Weitere 100.000 Euro kommen nicht aus den Ersparnissen des Käufers, sondern werden über KfW-Förderkredite finanziert, die über die Hamburger oder Kieler Förderinstitute beantragt werden. Die Zinssätze der KfW-Programme sind zum Teil noch weit günstiger und liegen bei nur einem Prozent. Die landeseigenen Institute geben sich mit Eintragungen im zweiten Rang im Grundbuch als Sicherheit zufrieden und haften bei Ausfall gegenüber der KfW mit dem Geld der Steuerzahler. Beide Förderbanken bestätigen dem Abendblatt diese Praxis. "Als Förderbank gehen wir im zweiten Rang ein höheres, aber vertretbares Risiko ein", sagt WK-Sprecher Torsten Fragel. "Wir erstellen aber ein eigenes Wertgutachten und prüfen die Bonität der Kreditnehmer sorgfältig." Ähnlich argumentiert die Investitionsbank Schleswig-Holstein. "Das gehört zu unserem Förderauftrag, sonst wären bestimmte Finanzierungen gar nicht möglich", sagt deren Sprecherin Birgit Rapior. Im ersten Rang steht das Institut, das den Hauptkredit vergibt. Damit ist die Bank bei Zahlungsausfall des Kreditnehmers gut abgesichert. Für die Förderbanken steigt dagegen bei einer Zwangsversteigerung das Risiko, ihr Geld nicht vollständig wiederzubekommen.

Zu den Banken, die für diese Finanzierungsmodelle zur Verfügung stehen, gehören die Commerzbank in Hamburg und die Volksbank Stormarn. "Wir raten aber den Kunden in diesen Fällen zu einer Zinsbindung von bis zu 30 Jahren", sagt Hans-Heinrich Twesten von der Volksbank Stormarn. Sonst könne die Finanzierung zu einem Problem werden, wenn die Zinsen nach zehn Jahren gestiegen sind. "Wir beraten den Kunden umfassend, und eine solche Finanzierung ist abhängig von Lebenssituation und sicherem Einkommen", sagt Volkmar Brembach von der Commerzbank. Voraussetzung sei, dass wenigstens die Erwerbsnebenkosten vom Kreditnehmer getragen werden.

Es gibt aber auch Banken, die Immobilien zu 100 Prozent finanzieren. "Eine gute Adresse dafür ist die Hamburger Sparkasse", sagt Schmid-Burgk. Sie biete attraktive Konditionen, weil die Zinsaufschläge im Vergleich zu einer Finanzierung mit 20 Prozent Eigenkapital relativ gering seien. Wie hoch der Anteil der 100-Prozent-Finanzierungen ist, kann die Haspa nicht sagen. "Der Eigenkapitaleinsatz wird kundenindividuell vereinbart. Entscheidend ist der Blick auf die Gesamtfinanzierung des Kunden", sagt Ulrike Hansen, Baufinanzierungsexpertin der Sparkasse. Die Sparkasse Harburg-Buxtehude finanziert Immobilien sogar bis zu 110 Prozent ihres Wertes.

Generelle Vorbehalte gegen einen Immobilienkauf ganz auf Kredit gibt es selbst unter Verbraucherschützern nicht mehr. "Es ist schwer, potenzielle Immobilienkäufer ohne Eigenkapital von ihren Vorhaben abzubringen", sagt Schmid-Burgk. Wegen der niedrigen Sparzinsen lohne auch das Ansparen nicht, weil gleichzeitig der Preis und die Mieten weiter stiegen. "Selbst bei einer 100-Prozent-Finanzierung ist die monatliche Belastung meist nicht viel höher als die Miete."

Für einen 300.000-Euro-Kredit betragen die monatlichen Aufwendungen bei einer anfänglichen Tilgung von einem Prozent nur 875 Euro. Allerdings verbleibt nach zehn Jahren noch eine Restschuld von 266.000 Euro. Müssten dann fünf Prozent Zinsen gezahlt werden, steigt die monatliche Belastung um 52 Prozent auf 1330 Euro.

Deshalb raten alle Experten zu einer höheren Tilgung als nur ein Prozent. "Wenn man sich die Baufinanzierung nur mit einem Prozent Tilgung leisten kann, ist es unverantwortlich, in ein solches Abenteuer zu starten", sagt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung. Bei drei Prozent Tilgung steigt die Monatsrate im vorherigen Beispiel auf 1375 Euro. Die Restschuld fällt auf 198.000 Euro, und selbst eine Verdoppelung des Zinses nach zehn Jahren würde die monatliche Belastung dann nicht mehr erhöhen.

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