Der Lübecker Verlag Kalimedia hat sich auf spezielle Themen wie Bier, die Hanse und ungewöhnliche Namen spezialisiert.

Hamburg. Vor ein paar Jahrhunderten sah die Welt ein wenig anders aus: Hamburg war im Mittelalter zum Brauhaus der Hanse aufgestiegen, mehr als 600 Brauereien warben in der kleinen Siedlung an der Elbe um die durstigen Kunden und exportierten das Getränk bis nach Indien. Und gut 60 Kilometer Richtung Nordosten, in Lübeck, handelten die Kaufleute schon seit der Gründung der Stadt 1143, dem Jahr, das als Geburtsstunde der Hanse in die Geschichte einging, mit Getreide, Wachs, Pelzen und Holz. Später wurde Lübeck zum Zentrum des Salz- und Weinhandels, und die stolzen Händler errichteten mit dem mächtigen Holstentor in der Stadtmauer nicht nur ein Zeichen ihrer Verteidigungsbereitschaft, sondern schworen die Bevölkerung auf die hanseatische Gemeinschaft ein.

Dass nicht nur Lübeck und Hamburg, sondern zeitweise beinahe 300 See- und Binnenstädte des nördlichen Europas in der Städtehanse zusammengeschlossen waren, zeigt die erste Hansekarte, die jetzt vom Lübecker Verlag Kalimedia herausgegeben wurde. Sie präsentiert die angeschlossenen Städte, die Handelswege, aber auch die wichtigsten Waren wie Fische, Gold oder Kohle und weist auf Gefahren durch Piraten hin.

Die Hansekarte ist das neueste Produkt des kleinen Verlags, und sie ist ebenso originell und detailverliebt wie alle ihre Vorgänger: Schließlich ist Kalimedia Erfinder und Herausgeber so erfolgreicher Karten wie des Atlanten der wahren Namen, der Karte der ungewöhnlichen Ortsnamen, der Pilgerkarte oder dem Atlas der Weinkulturen. "Wir müssen erfinderisch sein, um überleben zu können in der digitalen Welt", sagt Firmengründer Stephan Hormes mit Blick auf das Internet, wo heute viele Karten kostenlos verfügbar sind. Damit sitzen die Kartenverlage im gleichen Boot wie etliche Zeitungen und Zeitschriften, die wegen der Gratisartikel im Internet in immer größere finanzielle Schwierigkeiten geraten.

Viele kleine Herausgeber von Kartenmaterial haben schon aufgeben müssen, und als fast einziger Anbieter hat MairDumont überlebt. Zu dem Unternehmen gehören inzwischen Marken wie Falk, die ADAC- sowie die Shell-Kartografie und Baedeker Allianz.

Der 47-jährige Hormes arbeitet zusammen mit seiner Frau Silke Peust, 44, in dem gemeinsamen Kartenverlag. Ihre Produkte vertreiben die Eheleute bundesweit in Buchhandlungen und in Hamburg zusätzlich auch beim Kartenspezialisten Dr. Goetze Land und Karte. Dank vieler Wochenend- und Nachtschichten der beiden und geringer Kosten ist das kleine Familienunternehmen trotz der schwierigen Branchenumfelds profitabel.

Ihr Büro ist zugleich die Wohnung der Familie mit fünf Kindern, sie liegt in der Lübecker Altstadt in einem alten Kontorhaus, "praktischerweise direkt gegenüber der Stadtbibliothek", sagt Silke Peust. Schließlich benötigen die beiden Kartenproduzenten eine Menge Informationen, um sich das Wissen für ihre Werke anzueignen.

Bei der Weinkarte, die alle 13 Anbaugebiete aufzeigt inklusive der Standorte von Weinmuseen, ging die Recherche bei der studierten Musikwissenschaftlerin Silke Peust besonders weit: Sie absolvierte einen Kurs als Sommelière und gibt ihr Wissen nun auch beim renommierten Lübecker Weinhändler von Melle in Seminaren rund um die feinen Tropfen weiter.

Begonnen hatte die Leidenschaft für Landkarten bei Stephan Hormes während seines Studiums der Geografie. Er spezialisierte sich auf die Kartografie und meldete bereits in jungen Jahren ein Patent für ein polares Koordinatensystem auf Karten an, bei dem beispielsweise Städte so dargestellt werden, dass die Entwicklung vom Stadtkern als Pol in der Mitte bis zu den Randlagen sichtbar wird.

So hat Hormes gleichzeitig die historische Entwicklung und die Entfernungen vom Zentrum aus in die später besiedelten Außenbezirke sichtbar gemacht. Eine solche Karte gab beispielsweise der Zitty-Verlag für Berlin heraus, die Innovation war sogar Ausstellungsthema auf der Expo in Hannover.

Ein weltweites Medienereignis schufen die beiden Unternehmer mit dem Atlas der wahren Namen. In diesem Werk werden geografische Namen in die deutsche Sprache übersetzt. Deren wahre (etymologische) Bedeutung wird also anstelle des allgemein bekannten Namens in die Karte eingetragen. Beispiel: Statt Sahara steht in der Karte "Sandmeer", zu arabisch es-sahra "Wüste, Sandmeer". "Mit dem Atlas sind wir in die ,New York Times' und den ,Daily Telegraph' gekommen", sagt Hormes stolz. Er wurde in mehrere Sprachen übersetzt und selbst in Indien verkauft.

Auch die Karte der seltsamen Ortsnamen war so ein Unikat, mit dem der Kalimedia-Verlag einen Bestseller landete. Hierbei kann der Betrachter eine ungewöhnliche Reise von Posemuckel über Hundeluft nach Blödesheim unternehmen. Oder er sieht, dass die Gemeinden Kalifornien und Brasilien in Wahrheit nebeneinander an der deutschen Ostseeküste liegen.

Bisher haben die Kalimedia-Gründer rund 100.000 Karten verkauft, und sie wollen nun mit großen Schritten auch die digitale Welt erobern. "Wir denken an begehbare Karten im Internet, in denen sich auf einen Klick weitere Infos verbergen, etwa dreidimensionale Darstellungen oder Fotos", sagt Hormes. Weitere Details will der gebürtige Wuppertaler nicht verraten, und eine zündende Idee für einen weiteren Bestseller suchen die Lübecker derzeit auch noch.

Vermutlich wird die nächste Reise der Familie für den rettenden Einfall sorgen, denn das war bisher auch immer so. "Wir sind mit unserem Bus unterwegs, denn für uns ist der Weg das Ziel", sagt Silke Peust. Außerdem dürfte ihre Heimatstadt demnächst noch einmal für einen ordentlichen Verkaufserfolg einer Kalimedia-Karte sorgen: Ende des nächsten Jahres eröffnet in Lübeck das Hanse-Museum. Dort werden die Besucher nicht nur die Vergangenheit der Hansestadt Lübeck, sondern auch die früheren Kontore Bergen, Brügge, London und Nowgorod erleben können. Und den Überblick über diesen Ort gibt - die Hansekarte.