Steinway & Sons bauen die teuersten Flügel der Welt und erobern Märkte in Asien. China ist der größte Abnehmer der deutschen Instrumente.

Hamburg. Wenn ein Chinese mit viel Geld einen Ferrari kauft, bekommt er den Schlüssel vom Verkäufer überreicht, fährt los und der Spaß kann beginnen. Wenn ein Chinese mit viel Geld einen Steinway kauft, wird der Flügel ins Wohnzimmer geliefert, - und? "Dann kommen Freunde, sehen das Instrument und sagen, na klar: ,Spiel mal was vor!'", sagt Werner Husmann, Geschäftsführer von Steinway & Sons in Europa und Asien, und nun kann es etwas peinlich für den Neukunden werden: wenn das Können des Hausherrn nicht einmal für den Flohwalzer reicht und die Gäste erleichtert aufatmen, sobald der letzte Ton verklingt.

Steinway baut die teuersten Flügel der Welt und ist bei den bedeutendsten Orchestern der Erde zu Hause - und hat sich nun zum Ziel gesetzt, dem Milliardenvolk der Chinesen das Klavierspielen beizubringen. In diesem Jahr ist China erstmals zum wichtigsten Markt des Hamburger Instrumentenbauers aufgestiegen. Die Volksrepublik verdrängt Europa auf Platz zwei, deshalb hat die Bildungsoffensive mit Blick auf die Asiaten einen durchaus handfesten wirtschaftlichen Hintergedanken. "Es lernen bereits viele Chinesen Klavier, aber die Erfolge stellen sich bei dem Instrument nicht so schnell ein, wie junge Leute das heute erwarten", sagt Husmann. Daher wagt der Hersteller eine Marketingstrategie, die in der Klassikwelt eine kleine Revolution auslösen kann: "Wir wollen die Musiklehrer und Dozenten dazu bringen, andere Lehrmethoden einzusetzen", sagt Husmann. Schon nach einem halben Jahr soll jeder ein Stück spielen können, ohne langweilige Fingerübungen. Kürzlich hat Steinway die Pädagogen aller wichtigen Konservatorien in China zusammengebracht, um diese Frage zu diskutieren. "Manche waren für unsere Ideen sehr aufgeschlossen", hat Husmann bei dem Erfahrungsaustausch erlebt.

Gerade für Steinway ist dieser Schritt eine Gradwanderung, gilt der Flügel, in dem 125 Patente eingeflossen sind, in der Fachwelt doch quasi als Heiligtum, als unantastbar. Ein Hersteller, der seit mehr als 150 Jahren höchste Handwerkskunst pflegt, dessen Instrumente Genies wie Arthur Rubinstein, Cole Porter und Martha Argerich spielten und spielen, will die ebenfalls traditionsreichen Lehrmethoden der klassischen Musik aufweichen? Husmann kennt die Bedenken und antwortet schlagfertig: "Aber die meisten Heiligen leben eben auch nicht mehr."

Die Bildungsoffensive sei eine Investition in die Zukunft, sagt der Hamburger, der bereits seit 45 Jahren bei Steinway arbeitet und die Philosophie des Hauses bestens kennt. "Wir werden nicht von unserer Qualität ablassen, keinesfalls, aber müssen uns auf die Rahmenbedingungen einstellen, damit wir auch in den nächsten Jahrzehnten noch genügend Kunden haben." Immerhin ist die Fabrik in Hamburg auf gut 1000 Flügel im Jahr ausgelegt. Aber der europäische Markt schrumpft. "Die Nachfrage ist in den vergangenen Monaten um zehn bis zwölf Prozent zurückgegangen", sagt Husmann. Die Kaufzurückhaltung spüren vor allem aber die etwas weniger teuren Marken wie Schimmel oder Bechstein.

Während in China inzwischen bis zu 65 Prozent Privatkunden einen Steinway-Flügel kaufen, kommt der Hersteller in Europa nur auf 40 Prozent privater Musikliebhaber. Der Großteil der Kunden sind Profis wie Musikprofessoren oder Solisten. "Und eine Menge Leute haben hier auch bereits einen Flügel", sagt Husmann zu den Sättigungseffekten des europäischen Marktes, in dem sich schon länger als in den Schwellenländern eine Oberschicht gebildet hat. "In Europa versuchen wir, den Absatz stabil zu halten."

Aktuell hat Steinway nun auch noch mit Negativschlagzeilen aus der Schweiz zu kämpfen. Dort hat die Wettbewerbskommission eine Untersuchung gegen einen Vertriebspartner und den Hersteller wegen angeblich wettbewerbswidriger Verhaltensweisen in Zusammenhang mit dem Vertrieb von Klavieren und Flügeln eröffnet. "Wir wissen aber noch gar nicht genau, was uns vorgeworfen wird", sagt Husmann. Anzeichen für einen Verstoß seien dem Unternehmen nicht bekannt. Steinway steuert von der Hamburger Produktion aus den Verkauf in Europa und Asien, während die New Yorker Fabrik der Firma den amerikanischen Markt beliefert.

Neben China gelten für die 360 Hamburger Steinway-Mitarbeiter die arabischen Emirate als besonders chancenreicher Wachstumsmarkt. Aber auch im Mittleren Osten verlangt der Klavierverkauf für die Verkäufer vor Ort oft Pionierarbeit. "Bring den Katari hinters Klavier", hat sich ein Vertriebler von Steinway in dem Emirat auf die Fahnen geschrieben. Hier gibt es sogar schon einen Vier-Stunden-Crash-Kurs, der die Araber, die sonst eher eine Art Laute spielen, an das exotische Instrument heranführen soll.

In den Emiraten gilt ein Steinway-Flügel letztlich genauso wie in China als Ausdruck eines gehobenen Lebensstils, der als erstrebenswert angesehen wird. "Wir konkurrieren daher immer mit anderen Luxusgütern um die Gunst der wohlhabenden Kunden", sagt Husmann. Ein Selbstläufer sei der Flügel dabei auch in den verwöhnten Ölstaaten nicht. Und auch hier gilt, wie bei den statusbewussten Chinesen, ein wichtiger Unterschied zwischen Flügel und Ferrari: "Sie können unser Instrument eben leider nicht mit auf die Straße nehmen."