Expertengruppe fordert eine Abtrennung des Investmentbankings. Institute, die sich verzockt haben, könnten dann pleitegehen.

Berlin/Frankfurt. Europas Banken sollen künftig weniger riskant arbeiten, um milliardenschwere Rettungsaktionen zu verhindern. Eine Expertengruppe, die der für Finanzmarktregulierung zuständige EU-Kommissar Michel Barnier eingesetzt hatte, empfiehlt eine Isolierung bestimmter Geschäftsbereiche einer Bank: Das Investmentbanking soll künftig unabhängig vom Kredit- und Einlagengeschäft sein.

"Es ist nötig, die rechtliche Trennung von gewissen besonders riskanten Aktivitäten von Einlagenbanken innerhalb einer Bankengruppe zu verlangen", schreibt der Vorsitzende der Expertengruppe, der finnische Zentralbankchef Erkki Liikannen. Demnach sollen beide Bereiche weiter unter dem Dach eines einzigen Finanzkonzerns weitergeführt werden. Die Häuser müssten nicht zerschlagen werden. Recht ähnlich hatte dies SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in der vergangenen Woche gefordert.

Hinter den Vorschlägen steht jeweils der Versuch, das Übergreifen einer Bankenkrise auf die Wirtschaft und auf die Staatshaushalte der Euro-Länder künftig zu verhindern. Sind riskante Teile des Bankgeschäfts isoliert, so die Überlegung, kann man diese Sparten im Fall der Fälle pleitegehen lassen, ohne dass der Rest des Finanzsystems und ganze Volkswirtschaften betroffen sind. In Irland und in Spanien waren und sind marode Banken der Grund für die Probleme der Länder, was zu Milliardenkosten für die europäischen Steuerzahler führt.

Das Modell der Liikanen-Gruppe hätte zur Folge, dass Banken die Einlagen von Sparern nicht mehr benutzen dürften, um "die risikoreichsten Teile des Anlagegeschäfts", wie Liikanen es nennt, zu finanzieren oder abzusichern. Dazu soll der Eigenhandel der Banken mit Wertpapieren und Derivaten gehören. Seine Ausgliederung in eine juristisch eigenständige Einheit sei der "direkteste Weg, die Komplexität und Vernetzung anzugehen", so die Arbeitsgruppe. "Da diese Trennung Bankengruppen einfacher und transparenter machen würde, fielen auch die Marktdisziplin, Überwachung und schließlich auch Rekapitalisierung und Abwicklung leichter." Die EU-Kommission hat in diesem Jahr einen Vorschlag zur Rekapitalisierung und Abwicklung von Banken gemacht. So soll es in jedem EU-Land einen Bankenrettungsfonds nach deutschem Vorbild geben. Künftig sollen nicht mehr Steuerzahler, sondern zunächst vor allem die Aktionäre einer Bank zur Rekapitalisierung herangezogen werden. Die Liikanen-Gruppe nannte die Vorschläge einen "bedeutenden Schritt", um das Risiko des Steuerzahlers zu mindern. Ob und wann die Vorschläge von der EU-Kommission aufgenommen werden und in Gesetze fließen, ist offen.

Zu den Vorschlägen beantwortet das Abendblatt wichtige Fragen:

Warum stellen Universalbanken ein Risiko dar?

Wie der Name sagt, bieten sie die gesamte Bandbreite von Bank- und Finanzgeschäften an. Das reicht vom Handel mit Wertpapieren bis hin zum klassischen Bankbereich mit Krediten, Spareinlagen und Bargeld. In der Finanzkrise ist das Konzept in die Kritik geraten, weil Verluste im risikoreichen Investmentbanking manch eine Bank als Ganzes in die Pleite stürzten - und der Staat sie mit Steuergeldern retten musste. Viele Banken sind so groß, dass der Staat sie nicht pleitegehen lassen kann ("too big to fail").

Was schlagen die EU-Experten vor?

Die Fachleute - Ökonomen, Banker und Branchenvertreter - empfehlen, Großbanken in rechtlich separate Einheiten aufzuteilen - man spricht von einem Trennbankensystem. Riskante Geschäftszweige müssten abgespalten werden, wenn sie mindestens 15 Prozent der Bilanzsumme einer Bank ausmachen. In der Praxis würde dies nur wenige Institute betreffen - in Deutschland etwa den Branchenprimus Deutsche Bank, aber laut Experten schon nicht mehr die Commerzbank.

Wie lautet das Ziel?

Banken sollen Spareinlagen nicht verzocken dürfen. Künftig wäre verboten, dass Banken die Einlagen von Sparern heranziehen, um riskante Geschäfte zu finanzieren. Der Staat könnte Investmentbanken, die sich verzockt haben, pleitegehen lassen, ohne dass das gesamte System in die Krise geriete. Einige Anbieter würden das Geschäft wohl aufgeben - der Markt würde bereinigt.

Würde dies das Ende der Universalbanken einläuten?

Keineswegs. Sie könnten ihre Geschäfte weiterführen, nur eben in getrennten Sparten unter dem Dach einer Holding. Der Leiter der Expertengruppe, Erkki Liikanen, sagt: "Das langjährige und bewährte Universalbankensystem wird bestehen bleiben."