Traditionsmarke ist 150 Jahre alt geworden und leidet erneut unter erheblichen Überkapazitäten. Neue Modelle sollen Absatz ankurbeln

Rüsselsheim. So gut ist die Stimmung am Opel-Stammsitz Rüsselsheim selten: Die Bänder laufen auf Hochtouren, eine Liveband spielt Oldies, Kinder fahren begeistert Kart, und Tausende Opel-Fans testen ihre Lieblingsautos. Zum 150. Firmenjubiläum gönnt sich der Autobauer eine Auszeit von der Krise.

Auch Interimschef Thomas Sedran, der einen Knochenjob hat und vor schmerzhaften Entscheidungen steht, ließ sich an diesem Wochenende die gute Laune nicht nehmen: "Wir alle bei Opel können stolz sein auf unser Unternehmen und unsere Autos."

Doch im Tagesgeschäft gibt es wenig Anlass für Feststimmung. Denn die Krise in Südeuropa hat den ohnehin seit Jahren defizitären Autobauer erneut auf Talfahrt geschickt. So leidet Opel schon wieder unter Überkapazitäten - obwohl die Rüsselsheimer vor nicht einmal zwei Jahren ein Werk geschlossen und 8000 Stellen abgebaut haben. Längst feilt das Management am Zukunftsplan "Drive Opel 2022", der Wachstum fördern und Kosten senken soll. Doch so einfach ist das nicht. Denn um etwa die Personalkosten zu drücken, muss sich das Management mit der mächtigen Gewerkschaft und dem Betriebsrat einigen. Dabei geht es auch um die Zukunft des Werks Bochum, für dessen Fortbestand der Betriebsrat mit aller Macht kämpfen wird.

Zwar soll auch die Verwaltung verschlankt werden, Experten sind aber davon überzeugt, dass das nicht reichen wird. Opel müsse die Kraft haben, unschöne Entscheidungen zu treffen, um langfristig überleben zu können, sagt Autoexperte Stefan Bratzel. Er schätzt, dass die Firma mindestens ein, eher zwei Werke schließen müsste, um die Kapazitäten der Nachfrage anzupassen.

Die herausragende Rolle auf dem Weg "zurück in die Champions League" soll eine Produktoffensive spielen, betont Sedran: "Große Chancen sehen wir bei Kleinwagen - wir werden unter dem Adam noch ein echtes Citycar bringen. Ein Cabrio namens Cascada wird im März 2013 in den Verkauf kommen." Der Kleinwagen Adam wird kommende Woche auf dem Pariser Autosalon vorgestellt. Analyst Ian Fletcher von IHS Automotive erwartet, dass Opel mit dem Adam den Modellen Citroën DS3 oder Fiat 500 Konkurrenz machen will.

Der Adam ist ein Anfang, aber der Befreiungsschlag kann der Lifestyle-Stadtflitzer allein nicht sein, glaubt Bratzel: "Der Adam wird natürlich ein bisschen helfen. Aber ich glaube, es wäre ein Erfolg, wenn Opel im kommenden Jahr nicht weiter verliert, sondern seine aktuellen Marktanteile halten könnte." Der Autobauer müsse wie Peugeot oder Ford in diesem Jahr mit einem Milliardenverlust in Europa rechnen. Auch Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht den Adam nur als ersten Baustein: "Der Adam hat sicher seinen Markt, er ist aber ein Nischenobjekt und bringt nicht das ganz große Geschäft. Er hilft aber, die Marke werthaltiger zu machen."

Bis dahin kann Opel nicht warten, das würden auch die Manager bei der Mutter General Motors nicht gerne sehen - geschweige denn deren Aktionäre, zu denen im Wahljahr auch noch immer der Staat gehört.