Bank kann keine Pflichtverletzung nachgewiesen werden. Gericht hob zwei Urteile auf. Jetzt entscheidet der Bundesgerichtshof.

Hamburg. Vor der Urteilsverkündung ließen sie noch einmal richtig Dampf ab: Knapp 50 Lehman-Geschädigte demonstrierten mit Trillerpfeifen, Rasseln und Plakaten vor dem Eingang des Oberlandesgerichtes Hamburg. "Wir wollen unser Geld zurück", "Bankberater - Lumpenpack" skandieren die überwiegend älteren Opfer.

Denn nach ihrer Einschätzung wurden sie von den Geldinstituten falsch beraten und haben durch die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers ihre Ersparnisse verloren, weil die Banken ihnen Lehman-Zertifikate verkauft hatten. Deshalb ziehen sie regelmäßig in der Hamburger Innenstadt von Bankfiliale zu Bankfiliale - schon seit über einem Jahr. Teils bestaunt, teils belächelt, aber immer in der Überzeugung, ihr Geld noch zurück zu bekommen. Mehrere Urteile des Landgerichts Hamburg, die Banken zu Schadenersatz verpflichteten, stärken ihre Hoffnung.

Doch jetzt der Rückschlag: Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg hob am Freitag zwei dieser Urteile, die gegen die Hamburger Sparkasse ergangen waren, auf. Die Klagen auf Schadenersatz über jeweils 10.000 Euro wurden abgewiesen. Das dürfte auch viele Geschädigte abschrecken, die noch nicht geklagt haben.

Das OLG schloss eine Pflichtverletzung der Hamburger Sparkasse aus (Az.: 13 U 117/09 und 13 U 118/09). Folglich gibt es keinen Anspruch auf Schadenersatz. Dagegen hatte das Landgericht ein grundsätzliches Fehlverhalten der Haspa erkannt, weil sie die Kunden nicht über ihre Gewinnspanne beim Verkauf der Zertifikate informiert hatte. Auch hätte über die fehlende Einlagensicherung der Papiere aufgeklärt werden müssen, da das Geld vorher in einer abgesicherten Anlage wie einem Sparbrief investiert war. Bei dieser Entscheidung stützte sich das Landgericht auf Urteile des Bundesgerichtshofes (BGH), die es auf die aktuelle Fallkonstellation erweiterte.

"Diesen weitgehenden Ansatz können wir nicht teilen, denn er hätte es vielen Anlegern erlaubt, ihre Schadenersatzansprüche weitgehend einfach durchzusetzen", sagte der Vorsitzende Richter Ralph Panten bei der Urteilsbegründung. Die BGH-Rechtssprechung zur Offenlegung von Provisionen sei auf diese Fälle nicht anwendbar, argumentierte Panten. Es fehlt dafür nach seiner Auffassung an dem klassischen Dreiecksverhältnis zwischen der Bank, dem Kunde und einem Emittenten, der an die Bank für den Verkauf seiner Produkte wiederum eine Provision zahlt.

Die Haspa hatte die Zertifikate von Lehman Brothers im Paket erworben und dann an die Kunden weiterverkauft. Das ist ein sogenanntes Festpreisgeschäft. Es sei offenkundig, dass die Bank bei diesen Geschäften einen Gewinn erziele, sagte Panten. Dabei handele sich um eine qualifizierte Dienstleistung, die bezahlt werden müsse, sagte Panten und handelt sich damit Unmutsbekundungen von den Zuschauerbänken ein. Während der Urteilsbegründung kam es noch mehrfach zu Unmutsbekundungen im Saal, die Panten ohne Ordnungsrufe überging.

Das Gericht stärkte die Position der Banken: "Die Bekanntgabe von Gewinnmargen würde dazu führen, dass die Ertrags- und Kostenstrukturen der Bank auf den offenen Markt gelangen", sagte Panten. "Das ist mit unserem Wirtschaftssystem nicht zu vereinbaren."

Der Senat sah es als erwiesen an, dass die Anleger über die Risiken der Anlage aufgeklärt wurden. Deshalb sei eine zusätzliche Aufklärung über eine fehlende Einlagensicherung nicht notwendig. Zum Zeitpunkt des Erwerbs 2006 und 2007 sei ein Lehman-Zertifikat eine weitgehend sichere Geldanlage gewesen.

Wenig Verständnis von dem Richter bekamen die Kläger zu spüren, weil sie vorher nicht nur in Sparbriefe und Festgeld investiert hatten. Dem Kläger Bernd Krupsky wurde eine Währungsanleihe in ungarischen Forint vorgehalten. Die andere Klägerin tadelte der Richter, weil sie Kauffrau ist. "Sie haben sich hier ein bisschen sehr unbedarft dargestellt. Wenn Sie sagen, Sie hätten das Produkt nicht verstanden, dann frage ich mich, warum Sie es gekauft haben", sagte Panten.

Kläger-Anwalt Ulrich Husack kündigte an, Revision gegen mindestens ein Urteil beim BGH einzulegen. Er hat bundesweit rund 100 Lehman-Klagen gegen Banken anhängig. "Ich bin überzeugt, dass der BGH mit Blick auf die Margen anders urteilen wird, denn seit dem Jahr 2000 mahnen die obersten Richter diese Pflicht an", sagte Husack dem Abendblatt. Im Fall der Haspa sei die Offenlegung wichtig, denn nicht verkaufte Lehman-Papiere hätte sie nur mit Verlust an die Investmentbank zurückgeben können.

Die Haspa sieht ihre Rechtsauffassung bestätigt. "Es wäre für uns nicht akzeptabel gewesen, wenn uns nachträglich Pflichten auferlegt worden wären, für die es in der Rechtsprechung bisher keinen Anhaltspunkt gab", sagte Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg. Inzwischen klärt die Sparkasse in der Beratung über Margen bei Festpreisgeschäften und eine fehlende Einlagensicherung auf, versicherte sie.