Für Transparenz in dem neuen Gebäude in der Hafen City stehen Glas und Folie. Großraumbüros sollen die Kommunikation verbessern.

Hamburg. Manchmal hilft es weiter, ein Schwergewicht zu sein, auch in diesen schlanken Zeiten. Wie sonst bekommt man das schönste Grundstück in der HafenCity, den Logenplatz im größten Städtebautheater Europas? Der niederländisch-britische Konzern Unilever, einer der führenden Hersteller von Nahrungsmitteln, von Reinigungs- und Körperpflegeartikeln, hat sich die Trophäe in Toplage gesichert.

Michael von Rudloff, Mitglied der Geschäftsführung von Unilever Deutschland, steht auf einem Steg, der in 15 Meter Höhe durch den Innenraum der neuen Regionalzentrale führt. Unter ihm öffnet sich ein Atrium, an drei Seiten bieten Großraumbüros Einblicke in den Alltag des Unternehmens. Durch das Glasdach fällt Oktobersonne in den Bau. Dieses asymmetrische Haus mit seinen Kurven und Kanten, Stahlträgern und Spanten, Galerien und Glasflächen wirkt wie eine Mischung aus Schiff und Raumschiff, aus Fußballstadion und Flughafenhalle. "Das Haus soll ein kommunikatives Zentrum sein, für die Mitarbeiter wie auch für die Kunden", sagt von Rudloff. "Wir öffnen uns damit zur Stadt hin."

Umzug als "Nebenjob"

Vier Jahre lang hat er an dem Projekt dieses energieeffizienten Hauses gearbeitet, vom Beginn im August 2005 bis zum Umzug im September. Er hat die Fäden in der Hand gehalten zwischen Baubehörde, Architekten und Baukonzern, hat die Planung, Entwicklung, den Bau und die Ausstattung Schritt für Schritt begleitet, hat schließlich den Umzug aus der alten Unilever-Zentrale an der Caffamacherreihe zur neuen Adresse Strandkai 1 organisiert, mit "600 Lastwagenladungen" Mobiliar, Akten und Zubehör, wie er sagt. Das alles tat er im Nebenjob; hauptamtlich ist von Rudloff für Planung, Logistik und Qualitätssicherung im operativen Geschäft bei der Unilever-Einheit für Deutschland, Österreich und der Schweiz zuständig. "Ich habe dieses Projekt zu meinem Hobby gemacht", sagt er.

Für die Mitarbeiter bedeutete der Umzug einen radikalen Kulturbruch. Das Unternehmen folgte dem Trend zu großen Büroeinheiten, und auch der feste Arbeitsplatz im wörtlichen Sinne steht hier infrage. Projektteams werden neu kombiniert, Mitarbeiter wechseln bei Bedarf kurzfristig den Standort innerhalb des Hauses. Der "Schreibtisch als Bleibtisch" sei passé, heißt es im Handbuch "Unter neuem Dach": "Gefragt sind Flexibilitäter, die sich jeder neuen Herausforderung in neuen Teamkonstellationen problemlos anpassen."

Kultur des offenen Hauses

Die Öffnung von Arbeitsräumen setzt sich in den Unternehmenskulturen vor allem aus den USA und von Skandinavien her immer mehr auch in Deutschland durch. Mit der Öffnung des Unternehmens zur Stadt hin allerdings setzt Unilever einen neuen und bislang eigenen Akzent: "Im Vergleich großer Unternehmen fällt mir für Hamburg zurzeit kein anderes Beispiel ein", sagt Oberbaudirektor Professor Jörn Walter. "Ein so offenes Haus ist ein Gewinn für beide Seiten, für das Unternehmen wie auch für die Stadt, und hier besonders für die HafenCity."

In der Halle flanieren am Mittag bereits viele Passanten: Touristen, Bewohner der HafenCity, Mitarbeiter aus umliegenden Unternehmen. In Läden wie dem "Dove Spa" oder dem "Unilever-Shop" bietet das Unternehmen seine Produkte an. Der Elbblick auf den Strandkai am Hinterausgang ist gratis. Hier trifft die HafenCity den Hafen, trifft die Stadt den Fluss. "Wir wollen dazu beitragen, dass sich in der HafenCity Arbeit, Freizeit und Wohnen mischen", sagt von Rudloff.

Blickfang und Anziehungspunkt sind auch andere Firmengebäude in der Hamburger Innenstadt, vor allem jene in der Nähe des Hafens: das spektakuläre Dockland-Bürohaus des Architekten Hadi Teherani in Neumühlen zum Beispiel, das einer stilisierten Yacht nachempfunden ist, oder die Verlagszentrale von Gruner + Jahr am Baumwall, die bereits Ende der 80er-Jahre ebenfalls mit Grundmotiven aus der Hafen- und Schifffahrtswelt entworfen worden war.

So nah wie bei Unilever kommt man dem Inneren anderer Unternehmen allerdings nicht. "Es gibt durchaus den Trend, dass sich Unternehmen wieder stärker in den Innenstädten platzieren", sagt Martin Haas von Behnisch Architekten in Stuttgart, der das neue Unilever-Haus entworfen hat. "Dass Unilever so weit geht, liegt sicher auch daran, dass sich das Unternehmen mit seinen Konsumgütern besonders gut positionieren kann. Wir haben zurzeit jedenfalls kein anderes Projekt, das so mit dem Thema Öffentlichkeit spielt wie die Hamburger Unilever-Zentrale."

Atrium als Auditorium

Die Transparenz allerdings stößt auch an Grenzen. Immer dienstags um 9.15 Uhr stellt sich einer der Geschäftsführer auf einen der Stege oberhalb des Atriums und bringt die Belegschaft mit allgemein wichtigen Informationen auf den neuesten Stand. Von den Galerien und den Treffpunkten an den Außenseiten der Büros aus können die Mitarbeiter zuhören. "Innerhalb weniger Minuten sind alle da", sagt Michael von Rudloff. Allerdings muss dann der Sicherheitsdienst darauf achten, dass im Atrium kein Spaziergänger mit großen Ohren am Eingangsbereich zu Unilever herumflaniert, um Interna über das Unternehmen mitzuhören.

Die Grenzen der Küche sind aus Glas. Draußen drücken schon die ersten Passanten die Nase an die Scheiben zur Betriebskantine, die mit ihren 240 Innenplätzen großzügig gestaltet ist. Küchenchef Wolfgang Helm, seit 28 Jahren bei Unilever, bereitet mit seiner Mannschaft täglich rund 650 Gerichte zu. Die Kantine ist, anders als das "Langnese-Café" gegenüber, nicht öffentlich, und das findet Helm auch in Ordnung: "Wenn das in dieser Lage ein öffentlicher Bereich wäre", sagt er, "bekämen die Mitarbeiter hier mittags keinen Platz mehr."