Der Abschluss zwischen GM und Magna wurde nicht wie geplant vollzogen: Der Notar muss einen Kaufvertrag über 800 Seiten vorlesen.

Frankfurt/Hamburg. Die Nerven der Opelaner werden weiter strapaziert. Gestern wollten die Vertreter von Magna und General Motors (GM) endlich ihre Unterschrift unter den Vertrag zum Verkauf des Autobauers setzen, nachdem das Gezerre um den Traditionskonzern schon etliche Monate angedauert hatte. Doch der Kontrakt, den die Amerikaner und der österreichisch-kanadische Autozulieferer bei einem Notar durcharbeiten wollten, überforderte die Parteien: Grund für die Verzögerung sei die Komplexität des immerhin 800 Seiten starken Schriftstücks, sagte gestern eine mit den Planungen vertraute Person. Das komplette Dokument muss zunächst vom Notar verlesen werden. Das kann noch Tage dauern.

Zur Unterzeichnung stehen Pläne, wonach an Magna und deren Partner, die russische Sberbank, 55 Prozent von Opel gehen sollen. Die bisherige Konzernmutter GM will 35 Prozent behalten. Mit zehn Prozent soll sich die Opel-Belegschaft beteiligen.

Da bei der Rettung nicht nur das Unternehmen, sondern auch die Politik und die Beschäftigten an den unterschiedlichen Opel-Standorten in Europa ein Wörtchen mitzureden haben, spielte sich das Tauziehen um Opel gestern längst nicht nur in dem Notarbüro in Frankfurt ab. Auch bei der EU, im Werk des Herstellers in Spanien, bei den Opel-Beschäftigten in Deutschland sowie bei Magna in Österreich sind noch zum Teil schwerwiegende Einwände gegen den Rettungsplan für Opel zu beseitigen.

Bei Gesprächen in Deutschland geht es um die Mitbestimmungsrechte für die Arbeitnehmer, die auf 265 Millionen Euro Lohn im Jahr verzichten sollen. Die Beschäftigten sind verunsichert und wollen ihre Mitsprache frühzeitig sichern. Schließlich stehen in dem Konzern auch nach der Rettung etliche Bereiche auf dem Prüfstand: Magna will 10 500 der 50 000 Stellen bei Opel und der Schwestermarke Vauxhall streichen. Und die derzeitige Auftragsflaute in der Autoindustrie nach Auslaufen der Abwrackprämie macht die Ausgangssituation für Opel nicht gerade komfortabler.

An den Arbeitsplatzverhandlungen hängt auch die Bereitschaft der Regierungen der Länder mit Opel-Standorten, sich an dem 4,5 Milliarden Euro schweren Hilfspaket aus Deutschland für Opel zu beteiligen. Mehrere europäische Länder, darunter Belgien, hatten bereits in Brüssel gegen eine aus ihrer Sicht unfaire Bevorzugung deutscher Jobs protestiert. Die Bundesregierung hatte aber erklärt, die Hilfen notfalls zunächst allein zu stemmen. Allerdings sind die Subventionen noch bei der europäischen Kommission umstritten: Die EU-Kommission wies gestern auf eine fehlende Rechtssicherheit hin. EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, die gestern Opel-Betriebsratschef Klaus Franz zu einer Klärung der Detailfragen eingeladen hatte, habe weiter keine genauen Informationen über das Finanzpaket, das den Verkauf begleiten soll, sagte Kroes' Sprecher in Brüssel. Falls die Verkaufsabmachung ohne Unterrichtung der Kommission über das Finanzpaket unterschrieben werde, geschehe dies auf "eigenes Risiko". Und wenn die Kommission herausfinden sollte, dass die EU-Regeln nicht eingehalten werden, "kann das Geld nicht ausgezahlt oder muss zurückgezahlt werden", sagte der Sprecher.

Zudem haben auch die spanischen Betriebsräte noch nicht zugestimmt, einen Anteil an dem erforderlichen Lohnverzicht zu leisten. Der GM-Verwaltungsrat hatte vor dem Geschäftsabschluss eine schriftliche Bestätigung der Arbeitnehmervertretungen gefordert, dass sie die Kostensenkungen unterstützen.

Unruhe gibt es auch bei Magna in Graz: "Es muss eine klare Trennung beibehalten werden", forderte Betriebsratschef Günther Pepper von Magna gegenüber dem Abendblatt. New Opel dürfe auf keinen Fall auf eine Weise mit dem Zulieferer in Verbindung gebracht werden, dass Auftraggeber befürchten könnten, dass Magna bei Entwicklungen Know-how an Opel weitergibt. Die Sorge ist berechtigt: Fiat, BMW und Volkswagen sollen bereits weitere Aufträge für Magna infrage gestellt haben. "Wir können aber schließlich nicht darauf setzen, in den nächsten Jahren Aufträge von Opel zu bekommen", sagte Pepper.

Auch wenn der Vertrag zwischen Magna und GM heute unterzeichnet werden sollte, wie GM-Chef Fritz Henderson gestern andeutete, wäre das Geschäft noch nicht in trockenen Tüchern. Denn neben der Zustimmung aus Brüssel stehen weiter harte Verhandlungen zwischen Magna und den Opel-Betriebsräten zum Stellenabbau und möglichen Werkschließungen an. Schließlich ist auch das Werk im belgischen Antwerpen noch bedroht. Wie es hieß, werde die Übernahme erst Ende November endgültig abgeschlossen.