Belgische Regierung empört über Schließung des Werkes in Antwerpen. Jede fünfte Stelle in Europa fällt weg.

Hamburg. Der Verkauf des Autobauers Opel an Magna und russische Investoren ist noch lange nicht unter Dach und Fach. Bund und Länder ringen mit dem bisherigen US-Mutterkonzern General Motors (GM) über die endgültige Finanzierung. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte in Berlin, dennoch sei eine "zügige Lösung noch vor Jahresende" möglich.

Auch zwischen GM und Magna sind Details offen. In den anderen EU-Staaten mit Opel-Standorten wurde teils deutliche Kritik am Vorgehen der Bundesregierung laut. Dort wird befürchtet, dass die vier deutschen Opel-Werke wegen der Milliardenhilfen des Staates bei der Sanierung geschont werden.


Tausende Stellen sind bedroht

Bei Opel in Deutschland sollen nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ deutlich mehr Arbeitsplätze wegfallen als bisher bekannt. Neben den 3000 Jobs in der Produktion würden noch einmal 1100 Stellen in der Verwaltung gestrichen, schreibt das Blatt in seiner aktuellen Ausgabe unter Berufung auf Pläne des künftigen Opel-Mehrheitseigners Magna.

In Europa arbeiten 50 000 Menschen bei Opel. Nicht nur in Deutschland, auch in Spanien, Großbritannien, Belgien, Polen und Österreich. Nach dem Sanierungskonzept von Magna sollen zehntausend davon abgebaut werden. Dreitausend Mitarbeiter sollen in Deutschland ihren Job verlieren, Magna will hier jedoch keines der vier Werke schließen. IG-Metall-Chef Berthold Huber sagte im ZDF, man wolle den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen. "Und wir wollen, dass die Standorte sicher bleiben."

Die Risiken für Opel

Selbst der Vertreter der Bundesregierung bei der Opel-Treuhand, Manfred Wennemer, erneuerte am Freitag seine Skepsis über die Überlebenschancen des Autobauers. "Die (Opel) verlieren Milliarden pro Jahr, das kriegen sie nicht einfach so schnell weg", sagte der Ex-Conti-Chef. Er hatte als Einziger in der Treuhandgesellschaft gegen den Verkauf gestimmt. "Wenn sie alle ihre Pläne erreichen, werden sie 2010 überschuldet sein und zum Konkursrichter gehen müssen." Es sei zu erwarten, dass die nächste Bundesregierung das Insolvenzrecht ändern werde, damit Opel länger am Leben gehalten werden könne. Analyst Frank Schwope von der NordLB warnte, der Verbund aus Magna und Opel sei zu klein. Auch Autofachmann Willi Diez betonte, Opel müsse den Absatz von 1,5 auf etwa drei Millionen Fahrzeuge verdoppeln. "In spätestens zwei bis drei Jahren werden wir wissen, ob Opel wettbewerbsfähig ist". Bisher schrieb Opel tiefrote Zahlen: 2008 hat der Hersteller fast drei Milliarden Dollar Verlust eingefahren.

Die Chancen der Fusion

Die größere Unabhängigkeit Opels von der Konzernmutter GM wertet Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen als positiv für die Überlebenschance des Herstellers. Allerdings beansprucht GM vier der acht Vorstandsposten bei "New Opel" für sich, darunter die beiden Ressorts Marketing/Vertrieb sowie Entwicklung. GM hat sich zudem ein Vorkaufsrecht gesichert: Falls einer der neuen Partner aussteigen will, hätte GM das Recht, das erste Angebot für die frei werdenden Anteile abzugeben.

Die große Hoffnung von Magna, den russischen Markt, sieht Dudenhöffer als Region mit Wachstumspotenzial: Auf 1000 Bewohner kommen nur 200 Autos, in Westeuropa sind es mehr als doppelt so viele. Das Ziel von Magna: Gemeinsam mit den russischen Partnern Sberbank und dem Autobauer Gaz will man dort im Jahr 500 000 Autos bauen. Magna investiere zudem intensiv in Zukunftstechnologie wie der Elektromobilität und Hybridfahrzeuge, sagte der Autoexperte.

Ohne Staatshilfen läuft nichts

Ende Mai haben Bund und Länder bereits einen Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro gewährt, jetzt sollen noch einmal 3,5 Milliarden Euro an Staatshilfen dazukommen. Und zwar in Form von Staatshaftungen für Kredite. Die Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums, Beatrix Brodkorb, teilte mit, es seien Gespräche mit Spanien, Polen und Großbritannien darüber geplant, wie die dem GM-Magna-Geschäft zugesicherten Finanzhilfen aufgeteilt werden können. Diese drei Länder sind Opel-Standorte und grundsätzlich zu finanziellen Hilfen bereit.

EU prüft Beihilfen

Die EU-Kommission will zum Fall Opel die Industrieminister der betroffenen EU-Staaten einberufen. "Es muss garantiert werden, dass das Unternehmen in Zukunft überlebensfähig ist", sagte ein Sprecher der Kommission. Die Kommission pocht zudem darauf, dass bei den Subventionen für Opel keine Standorte benachteiligt werden dürfen.

Die Behörde könnte die 4,5 Milliarden Euro Kredite und Bürgschaften für Opel sonst als unerlaubte Beihilfen ablehnen. Die Regierung in Belgien, wo das Werk in Antwerpen geschlossen werden soll, hat Deutschland wegen der Staatshilfen bereits Protektionismus vorgeworfen und eine Untersuchung durch die EU verlangt.

Die EU-Kommission hat laut "Spiegel" zudem bei der Prüfung von Unterlagen ein Detail entdeckt, das die Genehmigung gefährden könnte: Demnach arbeite das Werk in Antwerpen wirtschaftlicher als das in Bochum. Eine solche betriebswirtschaftlich unsinnige Entscheidung sei nach EU-Recht untersagt, wenn der Staat mit Bürgschaften hilft.

Kritik der Opposition

FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte im ZDF, dass die Vertragsbedingungen bislang "Geheimsache" seien. Westerwelle vermutete, "dass man der Regierung es noch kurz vor der Wahl gönnen wollte, eine solche Erfolgsmeldung in die Medien zu bringen". Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, sprach von einer "angeblichen Rettung".

Freude in Russland

Der russische Regierungschef Wladimir Putin hofft, dass die künftige Beteiligung der Sberbank und des russischen Automobilbauers Gaz an Opel "der erste Schritt zu einer wirklichen Integration Russlands in die europäische Wirtschaft" sei. Nach der Entscheidung zu dem Geschäft hat Gaz unterdessen Kurssprünge hingelegt. Die Aktien des Autobauers stiegen am Freitag um 26 Prozent auf 24 Dollar. Russlands größtes Geldhaus Sberbank indes musste im ersten Halbjahr einen schweren Gewinneinbruch hinnehmen. Nach Angaben der Bank schrumpfte der Überschuss um rund 90 Prozent auf sechs Milliarden Rubel (133,7 Millionen Euro).