Hohe Terminalgebühren und Kosten für den Nord-Ostsee-Kanal schwächen die Position der Hansestadt Hamburg im europäischen Wettbewerb.

Hamburg. Man ist vorsichtig geworden bei der Planung des Hamburger Hafens - geradezu bescheiden. Wirtschaftssenator Axel Gedaschko, Hafenchef Jens Meier und zwei weitere Teilnehmer präsentierten in der Zentrale der Port Authority in der Speicherstadt gestern die Vorgehensweise für den Bau des geplanten neuen Terminals. Vor nicht allzu langer Zeit kalkulierte man im Rathaus und in der Hafenwirtschaft noch damit, den Containerumschlag in Hamburg bis zum Jahr 2015 auf 18 Millionen Containereinheiten (TEU) zu verdoppeln. Seit der Weltwirtschaftskrise ist das Makulatur. Von 9,7 Millionen TEU im vergangenen Jahr dürfte der Umschlag 2009 auf nur noch sieben bis acht Millionen TEU einbrechen.

"Ich vermute, dass ich die Einweihung des neuen Terminals politisch nicht mehr erleben werde", sagte Gedaschko. Der CDU-Politiker rechnet nicht mit seinem baldigen Sturz. Aber damit, dass der neuerdings sogenannte Central Terminal Steinwerder erst zum Ende des kommenden Jahrzehnts gebaut wird. Bis dahin, sagte Gedaschko, werde er sich wohl "anderen Aufgaben" widmen.

Noch bis ins vergangene Jahr hinein schien festzustehen, dass das Terminal im, wie es damals noch hieß, Mittleren Freihafen, eine reine Umschlagfläche für Container wird. Mittlerweile lassen die städtischen Planer offen, wie die Anlage letztlich genutzt wird. "Es gibt keine Vorentscheidung", sagte Gedaschko. "Wir wollen die Chancen nutzen, die sich vielleicht auch aus einem Mix ergeben." Denkbar seien ebenso der Umschlag von Schwergut oder Massengut.

Kein Wunder, denn die große Containerstory in Hamburg ist vorerst zu Ende. Nicht nur die Krise hinterlässt tiefe Spuren auf den Hamburger Terminals, sondern auch der Konkurrenzkampf speziell mit Europas größtem Hafen Rotterdam. Allein eine Million TEU aus den Zubringerdiensten - den sogenannten Feederverkehren - in die Ostsee könnte der Hafen in diesem Jahr verlieren. "Die Hälfte davon ist schon weg", sagte ein Experte dem Abendblatt. Kurs Rotterdam.

Die größte Feederreederei der Region, Unifeeder, rechnet für dieses Jahr mit einem zweistelligen Minus bei der Zahl der Schiffsanläufe in Hamburg, sagte Geschäftsführer Bernd Bertram dem Abendblatt. Das wiegt umso schwerer, weil die Reederei mit zuletzt 1560 Anläufen "größter Einzelkunde" des Hafens ist.

Als Ursache für den schweren Aderlass des Hamburger Hafens sehen Großreedereien vor allem die hohen Kosten des Umschlags. Das Verladen vom Überseefrachter an Land und vom Land wieder auf das Feederschiff kostet je Container in Hamburg rund 60 Euro mehr als in Rotterdam.

"Hamburg ist der teuerste Hafen in der Nordrange", sagte ein Reedereimanager dem Abendblatt. Zahlreiche Großreedereien verlegen ihre Zubringerverkehre von der Elbe an die Maas. In Rotterdam betreiben fast alle international führenden Reedereien - vor allem aus Asien - eigene Terminals. "Die Reedereien lasten in der Krise lieber ihre eigenen Terminals aus", bestätigte Florian Marten, Sprecher des führenden Hamburger Hafenunternehmens HHLA. Der Zubringerverkehr in die Ostsee sei deshalb auf den HHLA-Terminals zuletzt "deutlich stärker" zurückgegangen als der gesamte Containerverkehr.

Hinzu kommt, dass für den Zubringerverkehr in die Ostsee immer größere Schiffe eingesetzt werden. Damit lohnt es sich, direkt von Rotterdam aus um die Nordspitze Dänemarks bei Skagen zu fahren - vor allem in Zeiten relativ niedriger Brennstoffkosten. Hamburg und der Nord-Ostsee-Kanal, lange die favorisierte Route für die Anbindung Skandinaviens, Russlands, der baltischen Staaten und Polen, bleiben zunehmend außen vor.

Ein wesentlicher Faktor für die Reedereien ist dabei auch, dass sie die teure Passage durch den Nord-Ostsee-Kanal von Brunsbüttel nach Kiel und retour vermeiden können. "Eine Kanalpassage kostet für ein 800-TEU-Schiff rund 5000 Euro", weiß Egmont Piepiorka, Prokurist bei Unifeeder. "Die Kanallotsen haben den Preis zum 1. Februar 2009 um 9,17 Prozent erhöht, die Lotsen in der Kieler Förde um neun Prozent." Im ersten Halbjahr ist die Zahl der Fahrten durch den Kanal um mehr als ein Drittel auf 14 600 gesunken.

Rotterdam nutzt die Gunst der Stunde. Der Anteil der Zubringerverkehre war in den vergangenen Jahren gestiegen - zuletzt auch auf Kosten von Hamburg. "Wir wollen diesen Anteil weiter ausbauen, von zuletzt 28 auf bis zu 45 Prozent", sagte Minco van Heezen, Sprecher des Hafenbetreibers Port of Rotterdam, dem Abendblatt. Zu diesem Zweck hat Rotterdam im Juli unter anderem sein Gebührensystem für die Frachtschiffe umgestellt und vereinfacht. Bezahlt wird jetzt nicht mehr nach der Zahl der Anläufe - die bei Feederschiffen besonders zahlreich sind - sondern nach Frachtmengen.

Zwar hat auch Rotterdam durch die Weltwirtschaftskrise teils erhebliche Gütermengen verloren. Dennoch wird die Erweiterung des Hafens auf dem neuen Areal Maasvlakte 2 direkt an der Nordsee wie geplant fortgesetzt. Schon 2013 soll dort das erste der neuen Containerterminals in Betrieb gehen - Kapazität auch für mehr Wettbewerb mit Hamburg.

Im Hamburger Senat ist man sich der prekären Lage bewusst, ohne jedoch durchzugreifen. Umständlich schob Wirtschaftssenator Gedaschko bei der gestrigen Pressekonferenz die Verantwortung an die Wirtschaft weiter: "Man muss fragen, wie bestimmte Hafenunternehmen mit den Preisen umgehen." Das richtete sich an Eurogate - vor allem aber an die HHLA, die zu 70 Prozent der Stadt gehört und die zwei Drittel des Containerverkehrs in Hamburg kontrolliert.

Druck der Stadt auf die HHLA würde zwar deren Gewinn schmälern und damit auch die Einkünfte der städtischen Beteiligungsgesellschaft, auf der anderen Seite aber vermutlich den Verlust von Marktanteilen im Konkurrenzkampf mit Rotterdam stoppen. "Das ist wie bei er Tarifautonomie", sagte Gedaschko. "Selbst wenn ich eingreifen könnte, würde ich es nicht öffentlich tun." Deutlicher konnte sein Hinweis an den HHLA-Vorstand nicht sein.

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