“Gute Leute bleiben heiß begehrt“ - manche Kräfte kann die Arbeitsagentur innerhalb eines Tages vermitteln. Bei vielen Stellen hapert es aber an der Qualifikation der Bewerber.

Hamburg. Trotz Krise und knapp 80 000 Arbeitslosen in Hamburg sind noch immer 14 100 Stellen nicht besetzt. In einigen Berufen gibt es sogar mehr offene Stellen als vor Jahresfrist, wie aus der Statistik der Agentur für Arbeit hervorgeht. Als Grund sehen vom Abendblatt befragte Experten die mangelnde Qualifikation der Bewerber.

Beispiel Alten- und Krankenpflege. Hier liegt die Zahl der offenen Stellen mit insgesamt 1058 um zehn Prozent höher als vor einem Jahr. "Der Markt wächst, weil es immer mehr alte Menschen gibt", sagte Arbeitsagentur-Chef Rolf Steil dem Abendblatt. "Der Mangel bei den Arbeitskräften hat sogar zugenommen", bestätigt Marion Goldschmidt, Geschäftsführerin bei Pflegen und Wohnen, dem größten privaten Hamburger Träger in der Altenpflege. Das Unternehmen, das rund 600 Pflegekräfte beschäftigt, sucht 30 Mitarbeiter. "Die Anforderungen an unser Personal sind hoch", so Goldschmidt. So müssten Pfleger Mitarbeiter anleiten, die Qualität der Arbeit kontrollieren und seien Ansprechpartner für Ärzte und die Familien der Bewohner.

Bisher jedoch würden sich zu wenige junge Menschen für den Beruf entscheiden, der als "unattraktiv" gelte. "Wir brauchten gute Realschüler, die Bewerber haben aber eher schlechtere Zeugnisse", so Goldschmidt. Derzeit behilft sich Pflegen und Wohnen mit Zeitarbeitern. "Wir hätten gern eigene Leute."

Auf die geforderte hohe Qualifikation von Mitarbeitern verweist auch der Hamburger Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). "Gerade in den Luxushotels und höherpreisigen Restaurants gehört auch die Ansprache der Gäste sowie Zuverlässigkeit und die Bereitschaft zu langen Arbeitszeiten dazu", sagt Dehoga-Geschäftsführerin Ulrike von Albedyll. Dagegen seien die Fähigkeiten der Bewerber in der Kommunikation sowie beim Rechnen eher gesunken. Dazu kommt, dass in Hamburg allein 2008 mehrere Hotels eröffneten, die alle Personal aufbauen mussten. So werden in Hamburg derzeit 379 Köche gegenüber 296 im Mai 2008 gesucht - ein Plus von 28 Prozent. Dazu liegt die Zahl der offenen Stellen bei Kellnern und Stewards mit 377 um 35,6 Prozent höher als im Vorjahr. "Gute Leute bleiben heiß begehrt", sagt von Albedyll.

Mangel an Fachverkäufern gerade für teure Möbel, Textilien oder auch Schmuck gebe es auch im Einzelhandel, versichert Ulf Kalkmann, Sprecher des Hamburger Einzelhandels. "Teure Artikel können nur Fachleute verkaufen, die die Kunden entsprechend beraten können." Diese fehlten der Branche aber zunehmend, weil sie häufig in für sie lukrativere Branchen wie etwa den Immobilienbereich wechselten. "Die Inhaber übernehmen den Verkauf dann selber, melden ihren Bedarf bei der Arbeitsagentur aber weiter an." Die Folge: Hamburgs Arbeitsagentur hat unter den Ballungszentren das derzeit größte Angebot an unbesetzten Stellen.

"Auch im Handwerk sind die Anforderungen und die Spezialisierung gestiegen", ergänzt der Sprecher der Handwerkskammer, Heinz Oberlach. "Wenn die Bewerber körperlichen Anforderungen nicht gewachsen sind oder sie die Kundenfragen nicht ausreichend beantworten können, weil sie die deutsche Sprache nicht beherrschen, bleiben Arbeitsplätze unbesetzt." Eine "Qualifizierungsscheu" sieht Heinz-Gerhard Wilkens, Sprecher der Hanse-Merkur, in der Versicherungsbranche. Vor den Handelskammer-Prüfungen als Voraussetzung für gesuchte Außendienstler schreckten wohl viele zurück.

Immerhin: "Die Vermittlung von Arbeitskräften ist nicht zum Stillstand gekommen", versichert Steil. "Allein im Mai wurden uns mehr als 3700 Stellen gemeldet und eben so viele wurden wieder besetzt." Dazu wurden für Köche, Altenpfleger und Steuerfachangestellte in der Agentur Anlaufstellen eingerichtet. Dort können Bewerber, die sich melden, am selben Tag einen Vermittlungsvorschlag erhalten.