Göppinger Traditionsunternehmen will nach Beinahe-Pleite verstärkt Kinder für sich begeistern. Skandinavien, USA und Asien gelten als die Absatzmärkte der Zukunft

Göppingen. Der Batterie-ICE rauscht durch moderne Bahnhöfe. Im Märklin-Werbevideo gibt es weder Zugverspätungen noch Bahnhofsgegner. Die traditionsreichen Modelleisenbahnen aus Göppingen sollen auch in der Realität wieder auf der richtigen Spur fahren: Der ICE mit Batterie könnte dazu beitragen, dass das Jahr eins nach der Fast-Pleite eine neue Zeitrechnung einläutet. Das Motto: Raus aus dem Hobbykeller - rein ins Kinderzimmer.

"My World" nennt sich die Serie der Batterie-Bahnen im klassischen H0-Maßstab 1:87. Die sehen zwar nicht haargenau wie die Originalzüge der Deutschen Bahn aus. Aber sie sind eben auch robuster und günstiger - ein Einsteigerset kostet hier um die 40 Euro, während es bei den digitalen Profibausätzen mit Stromanschluss mehrere Hundert Euro sind. "Märklin schafft das nicht in einem Jahr, das wäre ja vermessen. Aber wir haben doch die Tür jetzt schon einen Spalt weit aufgemacht", sagt Geschäftsführer Stefan Löbich. 23 000 Stück hat Märklin von der neuen Serie bis jetzt abgesetzt, doch mit einer konkreten Prognose fürs Gesamtjahr hält er sich zurück.

"Zufrieden kann man nie sein, aber ich denke, dass wir 2011 wieder ein sehr ordentliches Ergebnis abliefern werden - auch wenn der Endspurt jetzt noch vor uns liegt", sagt Löbich. Der Dezember hat enormen Einfluss auf Märklin: "Das Weihnachtsgeschäft macht knapp 20 Prozent unseres Gesamtumsatzes aus." 2010 hatte Märklin 105,7 Millionen Euro erlöst. Man will diesen Wert halten, ebenso das Ergebnis vor Zinsen und Steuern von 10,1 Millionen Euro.

Aus Sicht von Modelleisenbahnexperten ist die Weichenstellung vielversprechend. "Den Sammlern sind die sehr fein beschrifteten und dem Original nachempfundenen Modelleisenbahnen lieb und teuer", sagt Jürgen Jagoschinski vom Deutschen Verband der Spielwarenindustrie (DVSI), "Aber die Großmutter will vielleicht nicht so viel Geld für ihren Enkel ausgeben." Löbich will auch wieder auf vernachlässigte Märkte vorstoßen. "Wir werden uns Richtung Skandinavien orientieren. In den USA ist Märklin Inc. etabliert - das wollen wir reaktivieren", sagt er. Dabei setzt er auch auf die Tochtermarken Trix und LGB, die wieder eigenständige Geschäftseinheiten werden sollen. Gerade Letztere war früher in den Vereinigten Staaten präsent. Auch Asien hält Löbich längerfristig für attraktiv.

Löbich sieht den Fernen Osten allerdings nicht als Produktionsstandort. Selbst Märklins ungarische Produktion will er im Gleichgewicht mit Deutschland halten: "Ungarn kann ohne Göppingen nicht sein und auch umgekehrt", sagt er. Die beiden größten Märklin-Standorte mit 600 und 470 Beschäftigten blieben die wichtigsten. "In Göppingen haben wir aber auch eine Verpflichtung, hier haben wir auch in neue Produktionstechnologie investiert", so Löbich. 70 Prozent des Absatzes werde in Deutschland erzielt - da sei Märklin gut beraten, als einheimisches Unternehmen aufzutreten.