In ihrem Unternehmen Auerbach Schifffahrt setzen Lucius Bunk und Alexander Tebbe auf das Geschäft mit klassischen Stückgutfrachtern.

Hamburg. Wahrscheinlich wird man später einmal erzählen, dass Lucius Bunk, 33, und Alexander Tebbe, 30, eine Art Garagenfirma gegründet haben. Das klingt einfach gut. Die Adresse der Reederei Auerbach Schifffahrt am Ballindamm 17 allerdings lässt etwas anderes vermuten. Im Kontor nebenan auf derselben Etage hängt das Schild der Firma Walter Hinneberg, eines der renommiertesten Schiffsmaklerbüros der Welt. Und wenige Hausnummern entfernt, am Ballindamm 25, hat die Reederei Hapag-Lloyd ihren Konzernsitz. Viel weiter kann man in der Hamburger Schifffahrt nicht aufsteigen. Jedenfalls nicht im Adressverzeichnis.

Über die Anschrift freuen sich Bunk und Tebbe auch mehr als ein Jahr nach Gründung ihres Unternehmens im Oktober 2010. Pflichtschuldig betonen sie die "große Ehre", die der symbolträchtige Ort bedeute. Die Zentrale ihrer Reederei vermittelt ein Bild von Kreativität und Aufbruch. Sie besteht aus einem einzelnen Raum in einer Bürogemeinschaft verschiedener Schifffahrtsunternehmen. Computer stehen, Akten liegen herum, an der Wand hängt eine markante blaue Fahne mit einem weißen Ahornblatt in der Mitte. Es ist die vertraute Kulisse eines Start-up-Unternehmens junger Dynamiker, die es in der Wirtschaft auf eigene Rechnung zu etwas bringen wollen.

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Typisch aber ist nichts an diesem Unternehmen, weder die Gründungsgeschichte noch der Firmenzweck. Bunk und Tebbe suchen den unternehmerischen Aufstieg in einer Branche, die aus einer gerade überstandenen Krise fast nahtlos in die nächste hineinfährt. In einem Wirtschaftszweig, in dem Abermilliarden Dollar oder Euro an Kapital bewegt werden und den die Anleger derzeit mit tiefem Misstrauen betrachten. In einem höchst diskreten Gewerbe, das geprägt wird von Patriarchen fortgeschrittenen Alters.

"Wir fanden den Zeitpunkt im Herbst 2010 ideal", sagt Tebbe mit strahlendem Gesicht. "Es war auf dem Höhepunkt der letzten Schifffahrtskrise. Wann soll man sonst in so einen Markt einsteigen?" Mit ihren Ersparnissen gründeten sie das Unternehmen, einige Monate später kauften sie ihr erstes eigenes Schiff, die "Maple Ingrid". Zehn Millionen Euro kostete der 120 Meter lange Mehrzweckfrachter. Vier Millionen Euro steuerten acht Hamburger Kaufleute bei, den übrigen Kaufpreis finanzierte eine "regionale Hamburger Bank", sagt Bunk, ohne deren Namen zu nennen.

Mit der "Maple Ingrid" wollten sie das Fundament zu einer eigenen Flotte von Stückgutfrachtern legen. "Das Schiff ist eine Art ,Cap San Diego' in Modern", sagt Tebbe. Bis zu zehn Mehrzweckfrachter vergleichbarer Leistungsfähigkeit sollen es bei Auerbach Schifffahrt in den kommenden Jahren werden. Mit zwei bordeigenen Kränen lädt die "Maple Ingrid" alles, was man früher auch an den Kais im Hamburger Hafen sah: Kästen, Kisten, Säcke, Gebinde, Stahlschienen für Bahngleise, Baumaterial oder auch mal Container. Das Schiff habe seit der Übernahme im März bereits einmal die Welt umrundet und insgesamt 30 Häfen angelaufen, berichten die Jungreeder stolz. Derzeit sei die "Maple Ingrid" auf dem Weg von Singapur nach Rio de Janeiro.

Vorerst fährt der Frachter in Charter für die dänische Reederei Thorco. Bunk und Tebbe wollen Zeit gewinnen, um die eigene Flotte aufzubauen. An der Übernahme eines zweiten Schiffes arbeiten sie derzeit. Die Kapitalerhöhung für dessen Finanzierung laufe erfolgreich. Unter anderen hätten sich daran der Hamburger Kaufmann und frühere Wirtschaftssenator Ian Karan und seine Frau Barbara beteiligt.

Auch an der Finanzierung der "Maple Ingrid" waren Profis mit Erfahrung in der Schifffahrt beteiligt, darunter der Reeder Matthias Ruttmann, der auch Mitglied des Beirats bei Auerbach Schifffahrt ist. "Wir kümmern uns um das Tagesgeschäft und um die operativen Belange. Unser Beirat - vergleichbar mit einem Aufsichtsrat - hat ein starkes Gewicht bei den strategischen Entscheidungen", sagt Bunk.

Die beiden Gründer wollten die Schifffahrt nicht neu erfinden, sondern zu den Wurzeln des Geschäfts zurückkehren. Insbesondere in Hamburg wurde die traditionsreiche Branche seit vielen Jahren immer weiter segmentiert. Emissionshäuser sammelten Kapital von Anlegern ein. Damit und mit Bankkrediten kauften Reedereien wie Claus-Peter Offen oder das Unternehmen E.R. Schiffahrt von Erck Rickmers Frachter, vor allem Containerschiffe. Die vercharterten sie zumeist für mehrere Jahre an Linienreedereien. Oft wirken dabei noch eine Reihe anderer Dienstleister mit, etwa Unternehmen, die sich um die Besatzungen für die Schiffe kümmern. Die Finanzmarktkrise zeigte seit 2008 die Grenzen dieses hochgradig kapitalgetriebenen Geschäfts.

Bunk und Tebbe wollten zurück zum alten Modell der integrierten Schifffahrt. Ihre Kapitalgeber werden gleichzeitig Mitgesellschafter bei Auerbach Schifffahrt, sie sind mitverantwortlich für das Gesamtgeschäft und nicht nur Anteilseigner an einem oder mehreren Schiffen wie im vertrauten deutschen KG-Modell. "Der Schwerpunkt unseres Geschäfts und unserer Erfahrung ist der direkte Zugang zu Fracht und Ladung", sagt Bunk.

Mehrzweckfrachter sind ein Teil der Schifffahrt, den man in Deutschland und Nordeuropa kaum mehr kennt. Der Container hat das alte Stückgutgeschäft hier weitgehend verdrängt. In Asien, Afrika oder Südamerika aber sind die vielseitigen Schiffe noch immer sehr gefragt. Die "Maple Ingrid" fährt nach dem Prinzip der Trampreederei von Hafen zu Hafen und nimmt an Bord, was sich stauen lässt und zu einem bestimmten Ziel gebracht werden soll.

Die Idee, eine eigene Reederei zu gründen, entwickelten Bunk und Tebbe vor einiger Zeit, als sie gemeinsam als Schifffahrtskaufleute beim Hamburger Unternehmen Ernst Russ arbeiteten. Bunk, aufgewachsen in Bad Homburg, war für die Reederei fünf Jahre in Asien. Seine chinesischen Sprachkenntnisse und sein Wissen über den boomenden asiatischen Markt gaben ihm Zuversicht, es als Unternehmer schaffen zu können - gemeinsam mit Tebbe, der die Seefahrt in Haren an der Ems bereits als Kind kennengelernt hatte. Sein Großvater war Kapitän mit einem eigenen Frachter. "Unsere Überzeugung, dass man ein Unternehmen im Team besser aufbauen kann als allein, hat sich bislang bestätigt", sagt Bunk.

Schon vor der Gründung der Reederei spielten sie sich die Ideen zu. Der Name Auerbach Schifffahrt entstammt den Erinnerungen an die Schulstunden mit Goethes "Faust" und der berühmten Szene in Auerbachs Keller in Leipzig. "Auerbach Schifffahrt klingt tradiert und seriös, und das auch in Süddeutschland", sagt Tebbe. Allerdings brauchten sie zur Gründung der Firma tatsächlich einen Mitgesellschafter, der Auerbach heißt. Sie wälzten das Telefonbuch und riefen etwa 30 Menschen mit diesem Namen in Norddeutschland an. Die meisten hielten sie für Spinner. Einer aber machte mit, ein Herr kurz vor dem Rentenalter. "Er meinte, dass er uns sympathisch fände", sagt Tebbe, "und dass er schon immer mal eine Reederei gründen wollte."