Die Aufregung um den Biokraftstoff hat sich inzwischen gelegt, doch die Akzeptanz ist kaum gestiegen. 85 Prozent der Autofahrer lehnen E10 ab.

Hamburg. Neben den steigenden Kraftstoffpreisen war der Biosprit E10 der größte Aufreger für Deutschlands Autofahrer in diesem Jahr. Die Einführung des neuen Benzins mit einem höheren Anteil an Ethanol von bis zu zehn Prozent zwang die Regierung im März zu einem "Benzin-Gipfel". Aus Angst um ihre Motoren boykottierten die meisten Autofahrer den neuen Kraftstoff und wichen auf fünf bis acht Cent teurere Alternativen wie Super Plus aus. Denn an manchen Zapfsäulen wurde das bisherige Super mit einem Ethanolanteil von bis zu fünf Prozent gar nicht mehr angeboten. Norddeutschland kam in diesem Chaos noch glimpflich davon, denn Mineralölkonzerne wie Shell oder Esso starteten mit der Umrüstung ihrer Tankstellen im Süden und Osten der Republik.

Obwohl für 90 Prozent der benzinbetriebenen Pkw E10 verträglich sein soll, stand der neue Kraftstoff von Anfang an unter dem Verdacht, gefährlich für den Motor zu sein. 85 Prozent der Autofahrer lehnten das Biobenzin ab. In Baden-Württemberg klebte ein Esso-Pächter Totenkopf-Symbole auf die E10-Zapfsäulen, um sich vor Beschwerden zu schützen. Das schleswig-holsteinische Landespolizeiamt in Kiel wies seine Beamten an, kein E10 in die Tanks der Streifenwagen zu füllen. "Da wurden von Anfang an schwerwiegende Kommunikationsfehler von der Mineralölindustrie gemacht, indem über die Verträglichkeit nicht richtig informiert wurde", sagt Christian Buric vom ADAC. "Wenn das Fahrzeug für E10 geeignet ist, besteht kein Grund zur Angst vor Schäden", sagt Buric. Doch selbst die Fürsprache des ADAC überzeugt die Autofahrer nicht. Die Aufregung hat sich gelegt, doch die Akzeptanz ist kaum gestiegen.

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Zielsicher greift der Autofahrer eines blauen Ford zur rechten Zapfpistole an der Jet-Tankstelle in Neu Wulmstorf. Kein E10? "Lieber nicht", sagt er und bezahlt damit drei Cent mehr pro Liter für Super. Eine ganze Reihe von E10-Zapfsäulen sind an der Tankstelle ohnehin außer Betrieb. "Ein technisches Problem, aber wir haben E10 im Angebot", sagt die Verkäuferin im Shop. Doch tanken will es kaum einer. Ob Jet-Tankstelle, Star-Station oder Shell: die meisten Autofahrer tanken Super, ergab gestern eine Stichprobe des Abendblatts. "Solange ich es mir leisten kann, kommt mir kein E10 in den Tank", sagt eine Autofahrerin. Das bestätigen auch die Zahlen des Mineralölwirtschaftsverbandes. Der Anteil des Biokraftstoffs am gesamten Benzinverkauf stieg seit Februar 2011, dem ersten Verkaufsmonat, bis zum Oktober nur um drei Prozentpunkte. E10 hat inzwischen einen Anteil von elf Prozent am gesamten Benzinabsatz. "Bei der absoluten Menge verzeichnen wir jedoch eine deutliche Steigerung", sagt Karin Retzlaff vom Mineralölwirtschaftverband. Auch die Mineralölkonzerne setzen darauf, dass sich die Kunden doch noch mit dem ungeliebten Kraftstoff anfreunden. "Wir haben inzwischen E10 auch an jenen Stationen im Norden und Westen Deutschlands eingeführt, die bisher diesen Kraftstoff nicht angeboten haben", sagt Shell-Sprecherin Cornelia Wolber. Jeder Dritte tanke inzwischen E10, "aber es ist bei Weitem nicht in dem Umfang, wie wir uns das vorstellen", sagt Wolber. In der Stadt sei die Akzeptanz höher als auf dem Land.

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Auch Aral spricht von einem leichten Aufwärtstrend bei der Akzeptanz. Seit August wird E10 an den 1200 Tankstellen im Norden angeboten. "Wir sind auch darauf angewiesen, um die Quote von 6,25 Prozent am Kraftstoffabsatz aus nachwachsenden Rohstoffen zu erfüllen", sagt Detlef Brandenburg von Aral. Sonst drohen den Mineralölkonzernen Strafzahlungen. Lediglich Esso hat keine Eile, die Stationen in Hamburg auf E10 umzurüsten. "Der Bedarf hält sich ja in Grenzen", sagt Unternehmenssprecherin Gabriele Radke. "Wir hatten in einigen Regionen frühzeitig umgerüstet und waren dann mit den gesamten Akzeptanzproblemen und dem Ärger der Kunden konfrontiert."

Inzwischen steht den Kunden zumindest an Tankstellen, die E10 anbieten, Super E5 als Alternative zur Verfügung. Der ADAC hatte Aral, BP, Jet, OMV und Shell angezeigt, weil sie an einem Teil der Stationen nur das teure Super Plus alternativ angeboten hatten. "Die Anzeige ist zwar nicht weiter verfolgt worden, aber wir haben eine Verbesserung der Situation für die Autofahrer erreicht", sagt Andreas Hölzel vom ADAC. Den Preisunterschied von drei Cent zwischen beiden Sorten hält der ADAC für gerechtfertigt. "Sonst würden noch weniger Menschen E10 tanken", sagt Hölzel. Da der Energiegehalt von E10 auch um zwei Prozent geringer ist, sei das in Ordnung.

"Wir stehen zu E10, um die Abhängigkeit vom Erdöl zu verringern und den CO2-Ausstoß zu verringern", sagt Hölzel. Doch auch das sehen viele Autofahrer anders, denn sie fürchten, dass die Produktion von Bioethanol zulasten des Anbaus von Nahrungsmitteln geht, wenn nicht in Deutschland dann zumindest weltweit. Nur in einem Punkt gibt es Gewissheit. "Bis heute sind uns keine Schäden durch E10-Betankung bekannt", sagt Ulrich Köster vom Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes. Doch neun Monate reichen den meisten Autofahrern als überzeugender Beweis für die Verträglichkeit von E10 nicht aus. Sie warten weiter ab.