Das Land braucht Kohle, Wind und Wasserkraft, um seinen Ressourcenhunger zu stillen. Es holt aber auch auf bei den erneuerbaren Energien.

Geht es um Klimafragen, hält China gleich mehrere Weltrekorde. Es entlässt am meisten Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre, hat den höchsten Energieverbrauch. Jährlich wächst die chinesische Wirtschaft um zehn Prozent und mit ihr der Energiehunger des Landes, in dem 1,3 Milliarden Menschen leben, fast doppelt so viele wie in Europa. China führt aber auch bei Investitionen in erneuerbare Energien. "Ohne China lässt sich beim globalen Klimaschutz nicht viel erreichen", urteilt Martin Kaiser. Er beobachtet für Greenpeace den Uno-Klimagipfel, der heute in Durban (Südafrika) beginnt.

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Das Riesenreich hat zwei Seiten: Im östlichen Teil sind glitzernde Metropolen mit westlichem Lebensstandard und moderner Energieversorgung herangewachsen. In Shanghai etwa sollen Gaskraftwerke die Stadtluft schonen. Diesem Fortschritt steht die ländliche Armut gegenüber, in Regionen, die bis heute vom Wirtschaftsboom weitgehend abgekoppelt sind. Hier ist Kohle oft ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Sie wird in Tausenden kleinen Bergwerken unter prekären Bedingungen abgebaut.

"In diesen Minen arbeiten ungelernte oder angelernte Kumpel, zumeist Bauern aus der Region, die von den vergleichsweise hohen Löhnen angezogen werden", sagt Dr. Steffen Bukold, Gründer des Deutsch-Chinesischen Energiebüros in Hamburg. Immerhin habe Peking viele kleine Minen schließen lassen und favorisiere die großen staatlichen Kohlekonzerne, die höhere Effizienz- und Sicherheitsstandards einhalten. Das reduzierte die tödlichen Unfälle: Vor zehn Jahren wurden knapp 7000 Tote pro Jahr im Kohlenbergbau gemeldet. 2010 waren es 2433.

Kohle dominiert immer noch die Energieversorgung in China. Kohlekraftwerke erzeugen 79 Prozent des Stroms, die Schwerindustrie (Stahl, Zement, Aluminium) basiert auf ihr. Das Schienennetz ist fast zur Hälfte damit ausgelastet, Kohle zu transportieren. Zwar soll ihr Anteil am Strommix bis 2020 auf 65 Prozent sinken. Dennoch geht derzeit jede Woche ein Kohlekraftwerk ans Netz.

Immerhin werden Altanlagen mit extrem niedrigem Wirkungsgrad, die teilweise nicht einmal 20 Prozent der eingesetzten Energie in Strom umgewandelt haben, vom Netz genommen, sagt Sven Teske, Energieexperte von Greenpeace International: "Alte Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 50 000 Megawatt wurden eingemottet." Zum Vergleich: Das Kraftwerk Moorburg wird eine Leistung von 1640 Megawatt (MW) haben.

Nicht nur bei der Kohle, auch bei den grünen Energien steckt China die restliche Welt in die Tasche. Teske: "2010 entstanden Anlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 18 000 MW, dieses Jahr werden es wohl 20 000 MW werden. Das Land baut in eineinhalb Jahren dieselben Kapazitäten auf, die heute in Deutschland stehen und hier seit Mitte der 1990er-Jahre errichtet wurden."

Tausende Windrotoren, die jährlich aus dem chinesischen Boden wachsen, machen das Land zum weltweit führenden Investor in Ökostrom. Den wichtigsten Anschub habe ein Konzept aus Deutschland gegeben, sagt Steffen Bukold: "China hat das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz weitgehend übernommen, ebenso wie weitere 60 Länder. Das deutsche Modell ist zu einem weltweiten Exportschlager geworden."

Dennoch produzieren die Windrotoren nur ein Prozent des chinesischen Stroms. Den größten Anteil unter den erneuerbaren Energien hat die Wasserkraft (17 Prozent), erzeugt von Großanlagen. Absoluter Spitzenreiter ist der Drei-Schluchten-Staudamm. Der Kraftwerksverbund wird in einigen Jahren, im Endausbau, eine Kapazität von 22 500 Megawatt haben und ist heute schon das größte Kraftwerk der Welt. Die Kehrseite: Für das Mammutprojekt am Jangtse mussten rund 1,3 Millionen Menschen weichen.

Mit gut zwei Prozent trägt die Kernenergie zur Stromversorgung bei. "14 Reaktoren sind derzeit in Betrieb, sie haben etwa dieselbe Kapazität wie die acht deutschen Kraftwerke, die nach Fukushima abgeschaltet wurden", sagt Dr. Eva Sternfeld, Leiterin der China-Arbeitsstelle der Technischen Universität Berlin. China betreibe das größte Zubauprogramm der Welt, 25 Reaktoren seien derzeit in Bau, so Sternfeld. Nach dem japanischen Atomunfall wurden die Arbeiten gestoppt, man suchte nach potenziellen Sicherheitsdefiziten. "Im September waren die Prüfungen abgeschlossen und zeigten keine größeren Mängel", sagt Sternfeld. "Dennoch ist eine Diskussion unter chinesischen Kernkraftexperten in Gang gekommen."

Noch seien die Arbeiten an den Atommeilern nicht wieder aufgenommen worden, sagt Steffen Bukold. Doch selbst wenn alle gebaut werden, können sie den Trend der wachsenden CO2-Emissionen kaum bremsen. Derzeit entlässt China 7,5 der weltweit 30,6 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) CO2 in die Atmosphäre.

"China ist wirtschaftlich längst zum Global Player geworden. Es muss Verantwortung übernehmen für diejenigen, die besonders unter den Folgen des Wandels leiden werde, etwa die kleinen Inselstaaten oder afrikanische Länder", fordert Martin Kaiser von Greenpeace. Im Vorfeld des Uno-Gipfels veröffentlichte China ein "Weißbuch Klimaschutz", um Bereitschaft zur Mitarbeit zu signalisieren. Gleichzeitig bleibt das Land bei seiner Position, es werde keine verbindlichen Reduktionsziele für Treibhausgase akzeptieren.

Peking halte an dem Prinzip der "gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung" im Kampf gegen den Klimawandel fest, zitiert die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua den Leiter der chinesischen Delegation in Durban. Seit Jahren zeigt China mit dem Finger auf die westlichen Industriestaaten, allen voran die USA. Steffen Bukold hält das für gerechtfertigt: "Der CO2-Ausstoß pro Kopf ist in Deutschland immer noch 50 Prozent höher als in China, in den USA liegt er sogar mehr als doppelt so hoch. Zudem sind die Treibhausgase, die sich über die letzten 100 Jahre zusätzlich in der Atmosphäre angesammelt haben, ganz überwiegend das Erbe der westlichen Industriestaaten."

Unabhängig vom Uno-Gipfel sieht Bukold das Riesenreich in einer Schlüsselposition: "Unsere zukünftigen Energiekosten und unser energiepolitischer Spielraum hängen immer stärker von den Weichenstellungen in Peking ab."