Eine Bundestagsstudie belegt, dass private Sicherheitsdienste an Bord von Handelsschiffen nicht die Lösung im Kampf gegen Piraten sind.

Hamburg. Bei der Abwehr von Piratenangriffen sind sie im Augenblick die größte Hoffnung deutscher Reeder: bewaffnete Sicherheitsleute, die an Bord von Handelsschiffen mitfahren und mögliche Angreifer abwehren sollen. Doch diese Söldnerdienste in Anspruch zu nehmen könnte für die Kapitäne der jeweiligen Schiffe heikel werden. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags warnt nun davor, dass vor allem Kapitäne bei einem Waffeneinsatz ihrer Wachleute vor Gericht landen könnten.

In dem Gutachten, das von der Grünen-Bundestagsabgeordneten Valerie Wilms in Auftrag gegeben wurde und dem Hamburger Abendblatt vorliegt, heißt es, eine Strafbarkeit könne sich unter anderem dann ergeben, wenn der Kapitän die nötigen Abwehrmaßnahmen fahrlässig falsch einschätze und dementsprechend unangemessene Anweisungen an die Sicherheitskräfte erteile. "Hierdurch könnte sich ein Kapitän wegen fahrlässiger Körperverletzung beziehungsweise Tötung strafbar machen."

Eine zivilrechtliche Haftung des Kapitäns für Schäden, die seine Sicherheitskräfte verursacht hätten, sei ebenfalls denkbar. Laut Studie müssten aber die genauen Umstände des jeweiligen Einzelfalls geprüft werden.

Auch die Sicherheitsleute selbst könnten sich in einem Gerichtsverfahren in Deutschland wiederfinden: "Überschreiten die Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste bewusst die Grenzen des Notwehrrechts, kommt eine Strafbarkeit wegen Körperverletzungs- beziehungsweise Tötungsdelikten in Betracht." Hätten die Wachkräfte sich über das Vorliegen einer Notwehrlage geirrt, komme eine Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeit in Betracht. Die Wachleute stecken noch in einem weiteren Dilemma: Sie dürfen laut Gutachten zwar Schusswaffen nach dem Waffengesetz mit sich führen, "es stellt sich aber die Frage, ob diese Art der Bewaffnung zur Piratenabwehr geeignet ist". Gleichzeitig sei es rechtlich problematisch, die Söldner mit Kriegswaffen - also beispielsweise Maschinengewehren oder Handgranaten - auszustatten.

Eine Schwierigkeit stellen nach Einschätzung des Wissenschaftsdienstes die unterschiedlichen gesetzlichen Befugnisse an Bord dar. So dürfe nach dem Gesetz allein der Kapitän Maßnahmen zur Gefahrenabwehr anordnen - eine möglicherweise schwierige Anforderung während eines Überraschungsangriffs von Seeräubern. Dieses Risiko erkennt auch die Studie: "In der Praxis könnten Konflikte entstehen, wenn Kapitän und Sicherheitsdienst die Gefährdungslage und die erforderlichen Maßnahmen unterschiedlich einschätzen."

Die Bundesregierung hatte zuletzt auf Druck der deutschen Reeder zugesagt, eine gesetzliche Absicherung der Arbeit von Sicherheitskräften an Bord zu prüfen. Außerdem will sie ihre Beteiligung an der Antipiratenmission "Atalanta" verstärken, deren Führung Deutschland am Sonnabend übernommen hat. Forderungen, Polizisten oder Soldaten auf Handelsschiffen mitfahren zu lassen, erteilte sie eine Absage.

Grünen-Politikerin Wilms kritisierte das Vorgehen der Bundesregierung. "Mit der Verweigerung der Hilfe durch Militär oder Polizei drängt man die Reedereien geradezu zum Ausflaggen. Für die Besatzungen muss der Eindruck stehen bleiben, dass sie von der Politik alleinegelassen werden", sagte Wilms dem Abendblatt. Die Bundesregierung setze an der falschen Stelle an. Der Schutz vor Piraten sei eine staatliche Aufgabe, die als Erstes eine politische Lösung in Somalia brauche. "Es fehlen jegliche Vorschläge, wie die Ursachen der Piraterie bekämpft werden können. Stattdessen wird eine Lösung mittels privater Sicherheitsdienste vorgegaukelt, die es so nicht geben kann - und die eine weitere Eskalation der Gewalt bedeuten", kritisierte Wilms.