Ökonom Straubhaar kann sich gemeinsame Anleihen unter bestimmten Bedingungen vorstellen. Furcht vor höherer Zinslast in Deutschland.

Hamburg. Heute suchen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nach Auswegen aus der Staatsschuldenkrise - und die Erwartungen an das Treffen sind hoch. Auch an gut gemeinten Vorschlägen an die Adresse der Teilnehmer fehlt es nicht. Immer häufiger kommen dabei die sogenannten Euro-Bonds, also gemeinsam von den Mitgliedern der Währungsunion herausgegebene Anleihen, ins Gespräch.

Am besten sollten die Kanzlerin und Sarkozy schon heute bei ihrer Zusammenkunft den Weg für dieses Instrument freimachen, sagte der Präsident des Außenhandelsverbandes (BGA), Anton Börner, der Nachrichtenagentur Reuters. Mit der Einführung von Euro-Bonds müsse die Politik die Märkte in die Defensive drängen. Ohne diese Anleihen würde früher oder später selbst Deutschland sein Top-Rating verlieren, so Börner.

Auf europäischer Ebene hatte sich zuletzt auch der italienische Finanzminister Giulio Tremonti für die Euro-Bonds ausgesprochen. Die Bundesregierung sträubt sich allerdings dagegen. Vor dem Hintergrund dieser Diskussion beantwortet das Abendblatt die wichtigsten Fragen zu diesem Vorschlag.

Welche Vorteile haben Euro-Bonds?

Gemeinsame Anleihen würden der Spekulation gegen einzelne Länder weitgehend die Grundlage entziehen. "Außerdem böte sich die Chance, einen großen europäischen Anleihemarkt zu entwickeln, der von den Investoren begrüßt würde", sagte Bernd Schimmer, Leiter der Wertpapieranalyse bei der Haspa. Dieser Markt wäre im Hinblick auf die Liquidität mit dem US-amerikanischen Anleihemarkt vergleichbar, erklärt Christoph Weil, Analyst bei der Commerzbank: Derzeit hätten die Euro-Länder Papiere im Umfang von etwa sechs Billionen Euro oder umgerechnet 8,5 Billionen Dollar ausgegeben. Das Volumen der ausstehenden US-Staatsanleihen betrage 9,4 Billionen Dollar. Durch den gemeinsamen Markt "würde der Euro als Weltreservewährung gefördert", so Weil.

Welche Gefahren sind damit verbunden?

"Mit den Euro-Bonds allein löst man nicht das Schuldenproblem der Staaten", gibt Schimmer zu bedenken. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), geht noch weiter: Würden die regulären Staatshaushalte über gemeinsame Anleihen finanziert, wäre das "fatal", weil dies einzelnen Ländern durch niedrigere Zinsen erlaube, weiter Schulden zu machen. So argumentiert auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler: "Euro-Bonds würden bedeuten, dass die Zinslast für alle gleich wäre, das würde gute Staaten bestrafen", sagte er.

Laut einer Beispielrechnung des Münchner Ifo-Instituts müsste Deutschland für die Staatsschuld von 2,1 Billionen Euro um 2,3 Prozentpunkte erhöhte Zinsen zahlen. Damit müssten Bund, Länder und Kommunen jährlich knapp 47 Milliarden Euro mehr für den Schuldendienst aufbringen.

Welche Voraussetzungen müssten geschaffen werden?

"Für die Ausgabe gemeinsamer Anleihen müsste man das, was bei der Euro-Einführung versäumt wurde, nämlich eine koordinierte Finanzpolitik, beschleunigt nachholen", so Schimmer. Börner nannte vier Bedingungen, die die Euro-Bonds-Teilnehmer zu erfüllen hätten: Sie müssten eine Schuldenbremse in die Verfassung aufnehmen, ihre Arbeitsmärkte flexibilisieren, die Verwaltung modernisieren sowie massiv in Ausbildung und Bildung investierten. Bei Verstößen müsse ein Stimmrechtsentzug in Brüssel drohen.

Würden sich die Staaten komplett über Euro-Bonds finanzieren?

Wohl nicht. Nach den Vorstellungen von SPD-Chef Sigmar Gabriel sollten die Länder höchstens 60 Prozent ihrer Schulden über Euro-Bonds aufnehmen dürfen - dies entspricht der im Maastricht-Vertrag vorgesehenen Obergrenze für den Schuldenstand. Für darüber hinausgehende Beträge müssten sie in eigener Regie aufkommen. Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), macht einen genau entgegengesetzten Vorschlag: "Euro-Bonds halte ich unter der Einschränkung für eine gute Lösung, dass man sie nicht für die reguläre Staatsfinanzierung, sondern nur im Notfall, anstelle der heutigen Rettungsschirme, einsetzt", sagte Straubhaar dem Abendblatt. Außerdem sollten die gemeinsamen Anleihen nur zeitlich befristet ausgegeben werden, zum Beispiel für fünf Jahre.

Straubhaar glaubt nicht, dass die Zinsdifferenz zu deutschen Staatsanleihen so groß wäre, wie dies jetzt spekuliert wird: "Ich halte es für möglich, dass der Zins nach einer Anfangsphase nur noch bei drei bis vier Prozent liegt. Außerdem würde Deutschland selbst diesen Topf wohl kaum benötigen und könnte sich auch weiterhin selber die Kredite günstiger holen."

Gibt es schon so etwas wie Euro-Bonds?

Eine ähnliche Konstruktion gibt es tatsächlich schon heute: Der europäische Rettungsschirm EFSF (European Financial Stability Facility) gibt zur Finanzierung seiner Finanzhilfen an Irland und Portugal Anleihen aus, die von den Euro-Ländern garantiert werden. EFSF-Chef Klaus Regling sprach daher scherzhaft von der "ersten Euro-Anleihe". Ende Januar 2011 ging der Fonds, der von den Rating-Agenturen die beste Bonitätsnote hielt, erstmals an den Markt. Er sammelte dabei fünf Milliarden Euro zu 2,89 Prozent für ein fünfjähriges Papier ein. Dabei betrug der Risikoaufschlag gegenüber einer vergleichbaren Bundesanleihe nur knapp einen halben Prozentpunkt.

"Das ist ein Vorläufer der Euro-Bonds, wenn es auch nur um einen begrenzten Umfang geht", so Schimmer.