Die Schuldenkrise in Europa und den USA lässt die Börsenkurse fallen. Das Abendblatt fragte Experten, wie es an den Finanzmärkten weitergeht.

Hamburg. Die Schuldenkrise auf beiden Seiten des Atlantiks hält die Anleger auch zu Beginn der neuen Woche weiter in ihrem Bann. Der Aktienmarkt litt - wie erwartet - unter der am Freitagabend nach Börsenschluss verkündeten Entscheidung der Rating-Agentur Standard & Poor's, den USA die Bonitätsbestnote abzuerkennen.

In Europa hofft man auf eine Beruhigung der Situation durch die verstärkten Sparbemühungen in Spanien und Italien. "Diese Entscheidu88ngen werden zur finanziellen Stabilität in der Euro-Zone beitragen", lobte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy die beiden Länder. Auch der jüngste Entschluss der Europäischen Zentralbank (EZB) führe zu mehr Beständigkeit.

Die Notenbank hatte Marktteilnehmern zufolge gestern damit begonnen, italienische und spanische Staatsanleihen zu kaufen, um damit ein Übergreifen der Krise auf die beiden Euro-Länder zu verhindern.

Dagegen hält der Chefökonom des Ifo-Instituts den Feuerwehreinsatz der EZB für die beiden Schuldenstaaten für ein gewagtes Manöver. "Das ist zwar momentan hilfreich, sendet über die kurze Sicht hinaus aber ein falsches Signal", sagte Kai Carstensen der Nachrichtenagentur Reuters. Die Notenbank spiele für die Politik den Nothelfer, womit ihre Unabhängigkeit weiter Schaden nehme. "Die Politik lässt alles immer so lange anköcheln, bis es anbrennt. Dann kommt die EZB."

Vor dem Hintergrund der Turbulenzen an den Märkten beantwortet das Abendblatt die wichtigsten aktuellen Fragen zur Schuldenkrise.

Welche Folgen hat die Rating-Herabstufung der USA für den Anleihemarkt?

"Zumindest theoretisch müsste die Herabstufung der US-Anleihen zu einer Flucht in die Bundesanleihen führen", sagte der Kapitalmarktexperte Matthias Thiel vom Hamburger Privatbankhaus M.M.Warburg. Dies würde die Rendite der deutschen Papiere senken - und damit den Bund bei den Zinszahlungen entlasten. Thiel bezweifelt allerdings, dass die Auswirkungen auf den Markt tatsächlich gravierend sein werden: "Der Verlust der AAA-Einstufung wird nicht bedeuten, dass die Investoren sich in großem Stil von amerikanischen Staatsanleihen trennen", erwartet der Experte. "Der US-Anleihemarkt ist wegen seiner Größe und Liquidität alternativlos." Zudem hätten sich zahlreiche Anleger schon seit einiger Zeit gefragt, ob das AAA für die USA noch gerechtfertigt ist. Auch Ralph Solveen, Volkswirt bei der Commerzbank, geht davon aus, dass sich die Folgen für den Anleihemarkt in Grenzen halten: "Zwar gibt es US-Pensionsfonds, die gesetzlich verpflichtet sind, nur in Papiere mit der Rating-Bestnote zu investieren", erklärte Solveen. Doch schon seit Längerem werde überlegt, diese Bestimmungen zu ändern: "Die Politik wird kein Interesse daran haben, diese großen Fonds zum Kauf ausländischer Anleihen mit den damit verbundenen Währungskursrisiken zu zwingen."

Verlieren bald noch weitere Staaten die Rating-Bestnote?

"Vieles deutet darauf hin, dass der Zyklus der Herabstufungen anhält", sagte Thiel. "Als nächster unter den derzeit noch mit AAA beurteilten Staaten dürfte Frankreich in den Fokus geraten." Aktuell sei der Risikoaufschlag auf die Rendite französischer Staatsanleihen im Vergleich zu entsprechenden Bundesanleihen auf den höchsten Stand seit 1995 geklettert.

Besteht Gefahr für deutsche Banken?

"Die aktuellen Turbulenzen am Aktienmarkt sind für die Banken relativ unproblematisch", sagte Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management, dem Abendblatt. Die Geldhäuser seien viel stärker am Anleihemarkt engagiert. Doch auch die Herabstufung der US-Staatsanleihen durch die Rating-Agentur Standard & Poor's habe kurzfristig nur geringe Auswirkungen auf die Anlagebestände der Banken, denn die Zinsen und Tilgungen auf die US-Papiere kämen unverändert weiter herein. Auf mittlere Sicht könne es jedoch für die Banken enger werden, wenn es auch in anderen Ländern Umschuldungen nach dem Muster Griechenlands geben sollte und sich die privaten Investoren etwa an der Sanierung der Staatsschulden Portugals, Irlands oder Spaniens beteiligen müssten.

Lohnt es sich jetzt noch, in Gold oder in Fremdwährungen zu investieren?

Im frühen Handel erreichte der Goldpreis mit 1715 Dollar je Feinunze (31 Gramm) ein neues Allzeithoch. "Für sehr sicherheitsorientierte Anleger hat Gold seine Berechtigung, aber auf dem jetzigen Niveau schwindet unser Optimismus für die weitere Preisentwicklung des Metalls", sagte Bernd Schimmer, Leiter der Wertpapieranalyse bei der Haspa. Eine weitere Möglichkeit, sich von einer Geldanlage in Euro abzukoppeln, sei der Kauf von Staatsanleihen von Ländern außerhalb der Euro-Zone wie etwa der Schweiz oder Norwegen in der jeweiligen Landeswährung. Doch diesen Weg sind schon viele Investoren gegangen - und haben die Kurse hochgetrieben. "Hinzu kommt, dass Staaten mit sehr harter Währung in der Regel ein sehr niedriges Zinsniveau haben", so Schimmer. Bei einem etwas längeren Anlagehorizont könne es sinnvoller sein, zum Beispiel Aktien von Schweizer Unternehmen in der Landeswährung zu erwerben. Schimmers Fazit: "Wer von einem Zerfall des Euro ausgeht und seine Anlageentscheidungen danach ausrichtet, darf dann nicht täglich auf die Wertentwicklung schauen, so wie man das beim Eigenheim ja auch nicht täte."