Reedereien planen riesige Frachter für bis zu 18.000 Containereinheiten mit 400 Metern Länge. Doch die Häfen wachsen kaum noch mit.

Hamburg. Der 4. Oktober ist für Hamburgs Traditionsreederei Hapag-Lloyd ein besonderer Tag. Dann werden die Schiffbauer auf der Hyundai-Werft in Südkorea die erste Stahlplatte für eine neue Serie von Containerriesen schneiden, die das Schifffahrtsunternehmen bestellt hat. Zum ersten Mal will Hapag-Lloyd von Mitte 2012 an Schiffe einsetzen, die mehr als 10 000 Standardcontainer (TEU) tragen können. Insgesamt zehn Großfrachter werden es sein. Jeder von ihnen mit Platz für jeweils 13 200 Standardcontainer. 145 Millionen Dollar, so verkündeten die Koreaner stolz, sei den Hamburgern jeder Neubau wert.

Mit den Riesen, die unter deutscher Flagge fahren sollen, reiht sich Hapag-Lloyd nun in die bislang 14 Linien- und Charterreedereien ein, die derzeit mehr als 90 Containerfrachter mit über 10 000 Stellplätzen einsetzen. Allerdings hat sich Deutschlands führende Linienreederei erst spät für die Großfrachter entschieden. Wichtige Konkurrenten wie Maersk, MSC, CMA CGM oder Cosco haben Schiffe der neuesten Generation längst in Betrieb genommen. Bei Hapag-Lloyd allerdings war man lange überzeugt, dass Schiffe um 9000 TEU Ladekapazität der Reederei die größtmögliche Flexibilität vor allem in den Asienverkehren bieten.

Dagegen steht jedoch eine wirtschaftliche Entwicklung in der Containerschifffahrt, die fast so präzise erscheint wie eine physikalische Gesetzmäßigkeit. Größe zählt: Je mehr Container ein Frachter auf einer bestimmten Route bei guter Auslastung regelmäßig transportieren kann, desto billiger wird der Transport für jede einzelne Stahlkiste. Angesichts einer globalisierten Wirtschaftswelt, in der nicht nur Konsumprodukte, sondern auch immense Mengen industrieller Vorprodukte um den Globus befördert werden, ist dies ein entscheidendes Argument.

Containerschiffe mit 13 000 und 14 000 TEU sind am Markt mittlerweile etabliert. Längst aber arbeiten Ingenieure und Strategen bei Reedereien, Werften und Zertifizierungsgesellschaften mit weit größeren Entwürfen. Die weltgrößte Linienreederei Maersk aus Dänemark bereitet derzeit die Einführung von Megafrachtern mit 18 000 TEU vor. Rund 400 Meter lang und 60 Meter breit sollen diese Giganten werden. Von 2013 an will die südkoreanische Daewoo-Werft die Schiffe abliefern. Bislang hat Maersk 20 Einheiten bestellt und Optionen für zehn weitere mit Daewoo vereinbart.

Jan-Olaf Probst ist überzeugt, dass diese Schiffe eine Sogwirkung am Markt entfalten werden. "Es wird auf diese Schiffe, bei deren Einführung Maersk der Vorreiter ist, einen Run geben. Die Größe bringt eben auch Kostenvorteile", sagt der Bereichsleiter Schiffsneubau beim Germanischen Lloyd in Hamburg. "Nach Maersk werden definitiv auch andere Reedereien in die Klasse der 18 000-TEU-Schiffe einsteigen."

Charakteristisch für moderne Großschiffe in der Containerlinienfahrt ist das relativ weit vorn stehende Brückenhaus. Es ist, anders als bei den früher gängigen Typen, vom Maschinenhaus getrennt. So können über das gesamte Deck hinweg mehr Container gestapelt werden, ohne die Sicht der Besatzung über den Bug hinaus zu behindern. Die neuen Maersk-Schiffe mit der Typbezeichnung "Triple E" weisen allerdings noch eine andere Besonderheit auf. Sie sollen von zwei Motoren angetrieben werden. Jahrzehntelang war eine Maschine auf Containerfrachtern Standard, weil der Doppelantrieb als unwirtschaftlich und technologisch zu kompliziert galt. "Der geplante Doppelantrieb der neuen Maersk-Schiffe ist teurer als ein Soloantrieb mit einer Hauptmaschine, bietet allerdings auch eine höhere Flexibilität für den Betreiber", sagt Matthias Becker, General Manager Ship Design in der Hamburger Deutschland-Zentrale des finnischen Motorenherstellers Wärtsilä.

Sein Unternehmen hat den bislang größten und stärksten Motor entworfen und gebaut, der weltweit je in Betrieb ging. Der 14-Zylinder-Zweitaktmotor treibt mit mehr als 110 000 PS die "Emma Maersk" und ihre sieben Schwesterschiffe an. Seit 2006 halten diese Schiffe mit einer Kapazität von je rund 15 000 TEU den Rekord der größten Containerfrachter. Keine andere Reederei hat solche Riesen mit 398 Meter Länge bislang bauen lassen. Becker ist deshalb skeptisch, ob die geplanten Maersk-Schiffe mit 18 000 TEU Kapazität einen neuen Standard für die Branche setzen werden: "Maersk kann dies als weltgrößte Linienreederei vor allem auch deshalb realisieren, weil das Schwesterunternehmen APM Terminals eigene Hafenanlagen auf den geplanten Strecken dieser Megaschiffe betreibt. Das schafft natürlich eine gewisse Flexibilität", sagt Becker. "Maersk lässt seine Schiffe sehr spezifisch für die eigenen Fahrprofile entwerfen, das war bei der ,Emma Maersk' und ihren Schwesterschiffen ebenso."

Jan-Olaf Probst vom Germanischen Lloyd hingegen ist überzeugt, dass die Größengrenze selbst bei 18 000 TEU noch nicht erreicht ist. Der Germanische Lloyd hat gemeinsam mit dem Werftunternehmen STX aus Südkorea eine Studie für ein Schiff mit 22 000 TEU Kapazität erarbeitet, das im Entwurf rund 470 Meter Länge und 60 Meter Breite aufweist. "Das wäre problemlos zu bauen", sagt Probst.

Allerdings dürfte es dann in den Häfen allmählich eng werden. Die 18 000-TEU-Schiffe etwa, die Maersk plant, könnten heutzutage in keinem einzigen Überseehafen der USA abgefertigt werden. Die Kaianlagen und Containerbrücken sind nirgends in den Vereinigten Staaten auf solche enormen Größen ausgelegt. Auch Hamburg dürfte für diese Schiffe kein geeignetes Ziel sein - selbst nach der geplanten Elbvertiefung und -verbreiterung wäre die Fahrrinne für die Passage weitgehend voll beladener 18 000-TEU-Schiffe nicht geeignet.

Und auch ein anderes Argument gegen die neuen Containerriesen lässt sich kaum noch von der Hand weisen, nachdem die Schifffahrtsbranche ihre Überkapazitäten in der Wirtschaftskrise nur mühsam unter Kontrolle bekommen hat. "Es stellt sich die Frage", sagt Experte Probst, "ob es so kurz nach der Krise schon sinnvoll ist, so viele große Neubauten in den Markt zu bringen."